: Warum Glattwale für die Meere so wichtig sind

von Mark Hugo
17.04.2024 | 06:00 Uhr
Glattwale sind schön anzusehen. Aber nicht nur deshalb lohnt es sich, die bedrohten Kolosse zu schützen. Denn ganz nebenbei helfen sie beim Klima- und Artenschutz kräftig mit.

Wale kommen fast in allen Meeren vor und haben eine entscheidende Rolle für dieses Ökosystem und auch für den Klimaschutz.

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Sie sind gutmütig, ein bisschen plump, schwimmen gerne gemächlich und nah an der Küste, dafür ist ihre Speckschicht umso dicker: Glattwale galten für Walfänger lange als perfekte Beute. 1935 wurde die Jagd zwar verboten. Ihre Bestände haben sich seitdem aber kaum erholt. Dabei sind sie wichtig - für das Funktionieren des Ökosystems Meer, aber auch für die Bindung des Treibhausgases Kohlendioxid.

"Wal-Pumpe" transportiert Nährstoffe

Eine Rolle dabei spielt die sogenannte "Wal-Pumpe", erklärt Andreas Dinkelmeyer von der Tierschutzorganisation International Fund for Animal Welfare (IFAW). Das Prinzip: "Nahe der Wasseroberfläche scheiden Wale nährstoffreichen Kot und Urin aus von Nahrung, die sie in tieferen Schichten zu sich genommen haben."
Diese Nährstoffe sind wichtig, damit das oberflächennahe Phytoplankton sich vermehren und CO2 aus der Luft binden kann.
Andreas Dinkelmeyer, IFAW
"Vertikalen Nähstofftransport" nennen das Forschende wie Dr. Helena Herr von der Uni Hamburg auch. Daneben gibt es den "horizontalen": Die Wale fressen in kalten Regionen, ziehen dann in gemäßigte Klimazonen. "Dort kriegen sie ihre Jungen, säugen ihre Kälber und geben letztendlich die Nährstoffe in das Wasser ab, die sie in anderen Breiten aufgenommen haben", so die Biologin, die auch am Alfred-Wegener-Institut (AWI) forscht. Ein reger Austausch von "Dünger", wenn man so will.

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Wale als Kohlenstoff-Speicher

Zu Klimaschützern macht die Glattwale darüber hinaus ihre schiere Größe. Wie alle Tiere bestehen sie zu einem großen Teil aus Kohlenstoff und sind damit "an sich auch CO2-Speicher", so Dinkelmeyer. Nach dem Tod sinken sie auf den Meeresgrund, wo dieser im Sediment über Jahrhunderte gespeichert wird. Und neues Leben hervorbringt. Denn in der Tiefsee wächst und lebt sehr wenig.
Es gibt ein ganzes Ökosystem, das ausschließlich auf Walkadavern lebt. Und diese Wale stellen natürlich einen unglaublichen Nahrungseintrag in die Tiefsee dar.
Dr. Helena Herr, Universität Hamburg
Effekte, die sogar die Ökonomen des Internationalen Währungsfonds IWF zum Rechnen animiert haben. Ein Bericht im Jahr 2020 schätzt, dass die einstige Gesamtpopulation der Wale um 80 Prozent gesunken ist. Würden sich die Bestände wieder komplett erholen, könnten sie 1,7 Milliarden Tonnen Kohlenstoff pro Jahr speichern. Den Wert eines Wals beziffert der IWF auf 1,8 Millionen Euro.

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Zwei Millionen Wale getötet

Helena Herr findet solche Preisangaben zwar "ein bisschen wild". Dass Wale einen großen Wert haben und geschützt werden müssen, glaubt aber auch sie. "Wir müssen uns vorstellen, welche Biomasse aus dem Ökosystem entfernt wurde damals durch den Walfang und welche Ökosystemfunktionen dadurch einfach weggefallen sind." Insgesamt mehr als zwei Millionen Wale seien allein im 20. Jahrhundert getötet worden.

Glattwale

Quelle: picture alliance/WILDLIFE
Zu den Glattwalen (Eubalaena) werden drei Unterarten gezählt: Neben dem Nordatlantischen Glattwal (auch Atlantischer Nordkaper) gibt es den Nordpazifik-Glattwal und den Südlichen Glattwal (auch Südkaper). Sie ernähren sich von Zooplankton, dem sogenannten Krill. Markant sind die riesigen Barten im Maul, mit denen sie ihre Nahrung aus dem Wasser seihen.

Keine Rückenfinne

Quelle: ap
Den Namen Glattwale haben die Tiere, die mehr als 20 Meter lang werden können, weil ihnen im Gegensatz zu anderen Walen Kehlfurchen - das sind Längsfalten am Körper - und eine Rückenfinne fehlen. Glattwale gehören zu den seltensten Walarten. Während sich die nördlichen Bestände bis heute nicht erholen, verbessert sich die Situation im Süden etwas.
Heute werden die Glattwal-Bestände, die im Fall des Nordatlantischen Glattwals vom IFAW auf nur noch etwa 360 geschätzt werden, durch Schiffskollisionen, Fischereinetze und Hummerfallen weiter dezimiert. "Die Wale verheddern sich in den Leinen und ziehen sie mit hunderten von Hummerfallen hinter sich her. Das schwächt die Tiere, hindert sie am Fressen und in der Reproduktion und führt viel zu häufig zu einem langsamen und qualvollen Tod", so Dinkelmeyer.

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Spezielle Fallen schützen Wale

Zusammen mit dem IFAW wurden deshalb spezielle Fallen entwickelt, bei denen die Leinen erst kurz vor dem Einholen an die Oberfläche steigen. Herr empfiehlt, die Schiffsrouten auf die Wanderrouten der Wale abzustimmen, um Kollisionen zu vermeiden. Aber reicht es wirklich, sich beim Schutz der Meere auf Tiere wie die Glattwale zu fokussieren? Natürlich könne man versuchen, auch "eine große Lobby für Kleinstlebewesen aufzumachen." Doch:
Das Gute ist, dass, wenn man Wale schützen will, man automatisch das ganze System mit schützen muss. Insofern kommt Walschutz dem gesamten Ökosystem zugute. Es geht gar nicht anders.
Dr. Helena Herr, Biologin
Und deshalb, so glaubt die Biologin, sei es auch gar nicht so schlimm, wenn Menschen den Blick vor allem auf die spektakulären Wale werfen.

Our Ocean Conference

Drei Tage lang (15. bis 17.4.) treffen sich diese Woche in Griechenlands Hauptstadt Athen Vertreter von Regierungen, Schutzorganisationen, der Wissenschaft und aus dem privaten Sektor zur 9. "Our Ocean Conference". Ziel ist der Austausch von Ideen und Wissen, um den globalen Schutz und Erhalt der Ökosysteme im Meer voranzubringen.

In Athen stehen unter anderem Themen wie nachhaltiger Tourismus, Plastikmüll und grüne Schifffahrt im Fokus. Die "Our Ocean Conference" fand erstmals 2014 auf Initiative des damaligen US-Außenministers John Kerry statt.

Mark Hugo ist Redakteur in der ZDF-Umweltredaktion.

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