: Gaming-Branche: Feiern trotz Krise

von Andreas Garbe
18.04.2024 | 20:45 Uhr
Wenn am Donnerstag in München der Deutsche Computerspielpreis verliehen wird, feiert sich die hiesige Entwicklerszene. Doch die Gaming-Branche steckt in einer handfesten Krise.
Junge Männer beim Computerspielen auf der Gamescom (Archiv)Quelle: Koelnmesse GmbH/obs
Pete Walentin kann in diesen Tagen zufrieden sein. Der Co-Gründer der Frankfurter Firma Keen Games und sein Team haben nach jahrelanger Entwicklung endlich ihr Computerspiel Enshrouded veröffentlicht. Darin bedroht ein mysteriöser Nebel eine Fantasiewelt; diese gilt es zu retten, durch Sammeln, Bauen und Kämpfen.
Seit dem Erscheinen am 24. Januar wurde das Spiel über 2,5 Millionen Mal verkauft, und auch die Kritiken können sich sehen lassen. Walentin & Co haben trotzdem immer noch alle Hände voll zu tun, denn die Arbeit an einem Computerspiel geht auch nach der Veröffentlichung weiter - zumal sich Enshrouded auch noch im sogenannten Early Access Stadium befindet, also in einer noch nicht finalen Version. "Vor zwei Wochen haben wir unser erstes Update veröffentlicht und arbeiten aktuell mit Hochdruck an dem nächsten," erzählt Walentin.

Deutscher Computerspielpreis - Bundesregierung verleiht mit

Für den diesjährigen Deutschen Computerspielpreis (DCP), den die Bundesregierung diesen Donnerstag zusammen mit dem Branchenverband verleiht, erschien der Überraschungserfolg aus Frankfurt nicht mehr rechtzeitig. Für das kommende Jahr wolle man Enshrouded aber dringend einreichen, sagt Walentin.

Auch 2023 wurde der Deutsche Computerspielpreis verliehen. Die Auszeichnung ist ein wichtiger Faktor für die deutsche Gaming-Branche.

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In 15 Kategorien warten beim DCP Preisgelder in Höhe von insgesamt 800.000 Euro. Wichtigste Kategorie ist das Beste Deutsche Spiel, dotiert mit 100.000 Euro. Den Preis gibt es seit 2009 zur "Ehrung der kreativen Köpfe der Branche und für die Entwicklung weiterer qualitativ hochwertiger Spiele 'Made in Germany'", so die offizielle DCP-Webseite.

Bestes Deutsches Spiel

Everspace 2 von Rockfish Games aus Hamburg (USK 12)

Eine Flugsimulation im Weltraum, in der es aber auch um die Erforschung außerirdischer Welten geht und darum, die Spielfigur weiterzuentwickeln. Ein Action-Blockbuster, der in der Tradition von internationalen Klassikern wie Elite oder Wing Commander steht.

Beste Story / Bestes Audiodesign / Nachwuchspreis Bestes Debüt

Ad Infinitum von Hekate aus Berlin (USK 18)

Der große DCP-Abräumer. Die Spielfigur ist Soldat in den Schützengräben des Ersten Weltkriegs. Realität und Traum verschwimmen: Hunger oder Todesangst etwa begegnen der Spielfigur in Form von Horrorwesen, die es zu bezwingen gilt. Ein düsteres und und story-getriebenes Erlebnis in einer Albtraumwelt voller Metaphern.

Bestes Gamedesign

Lose CTRL von Play From Your Heart aus Berlin (Alterseinstufung steht aus)

Lose CTRL ist ein Indie-Spiel, also von einem unabhängigen und kleinen Studio. Das Spiel thematisiert den Kontrollverlust im Arbeitsalltag auch auf einer Meta-Ebene, durch eine sich plötzlich ändernde Steuerung. Ein originelles Spiel, das irritieren möchte.

Studio des Jahres

Pixel Maniacs aus Nürnberg

Das Studio hat 2004 als Webagentur angefangen und sich Schritt für Schritt in Richtung Videospiele bewegt und inzwischen mehrere Videospiele entwickelt, vor allem das erfolgreiche Can't Drive This. Zusätzlich teilen sie ihr Wissen in Schulworkshops und über Social Media.

Alle Gewinner

Für Petra Fröhlich ist die Preisverleihung ein Pflichttermin. Sie ist Chefredakteurin des Branchendienstes GamesWirtschaft und lobt:
Der DCP hat eine wichtige Scharnier-Funktion für Politik und Industrie, weil er Sichtbarkeit herstellt.
Petra Fröhlich, GamesWirtschaft

"Förder-Stopp", Massenentlassungen und Studioschließungen

"Dies lässt sich auch daran ablesen, dass sich unterschiedlichste Regierungskoalitionen zur Weiterentwicklung des Formats bekannt haben." Der Preis habe "die politische Rampe für die spätere Einführung der Games-Förderung gebaut", so Fröhlich weiter.

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Doch die stockt aktuell, weil die bereitgestellten Fördergelder des Bundes seit Mai 2023 aufgebraucht sind, vermutlich bis ins kommende Jahr hinein. Fröhlich nennt das einen "Förder-Stopp" und eine "Vollbremsung".
Doch auch wenn die Bundesregierung die Geldtöpfe jetzt wieder auffüllen würde, es würde der Branche kaum helfen. Denn die steckt in einer tiefen Krise: Allein in den vergangenen Monaten wurde tausenden Leuten weltweit gekündigt, bei internationalen Giganten wie Activision Blizzard, Sony und Electronic Arts. Und auch in Deutschland sind viele Arbeitsplätze weggefallen.

Wie groß ist der deutsche Markt für Computerspiele?

Deutschland ist der größte Markt für Computerspiele in Europa und der fünftgrößte Markt weltweit. So steht es auf der Webseite des Bundeswirtschaftsministeriums, unter Berufung auf den Branchendienst Newzoo. Im Jahr 2023 wurden mit Computerspielen in Deutschland laut hiesigem Branchenverband fast zehn Milliarden Euro umgesetzt.

Welche Games kaufen Spieler in Deutschland?

Der Umsatzanteil hiesiger Produktionen am deutschen Markt beträgt weniger als 5 Prozent, so der Branchenverband. Laut dem Nachrichtenmagazin GamesWirtschaft klinge das schlimmer als es sei, denn die Branche sei hierzulande im Kern sehr klein: keine 20 Studios gäbe es in Deutschland mit mehr als 100 Beschäftigten. Zudem erwirtschafteten etliche der hiesigen Betriebe ihren Umsatz in weiten Teilen im Ausland, etwa in Osteuropa oder Südamerika.

Wer sind die großen Player?

Traditionell kommen die größten Unternehmen aus Nordamerika, Japan und Europa. Inzwischen jedoch sind mit Tencent und NetEase gleich zwei der umsatzstärksten Medienkonzerne aus der Volksrepublik China. Beide entwickeln nicht nur selbst, sondern haben auch westliche Studios übernommen. Investoren aus Saudi-Arabien kaufen ebenfalls kräftig auf, besonders im Bereich eSport; also bei Computerspiel-Wettbewerben. Längst gibt es Befürchtungen, der wachsende Einfluss aus China und Saudi-Arabien könne zu Zensur führen.

Wie steht es mit der kulturellen Bedeutung von Computerspielen?

Computerspiele gelten in Deutschland offiziell als Kulturgut. Das hat der Deutsche Kulturrat bereits 2008 entschieden und somit anerkannt. Im August 2023 begründet dessen Geschäftsführer das mit den Worten: "Es ist sehr gut, dass wichtige gesellschaftliche Debatten längst auch im Computerspielebereich geführt werden."

Entwicklungsstopp in deutscher Gaming-Branche

Das Essener Kultstudio Piranha Bytes - verantwortlich für so bekannte Rollenspielserien wie Gothic oder Elex - existiert seit einigen Monaten wohl nur noch auf dem Papier. Und Ende Juni wurde bekannt, dass mit Daedalic in Hamburg ein weiteres Traditionsunternehmen - bekannt für hochgelobte Eigenentwicklungen wie Edna bricht aus und Silence - keine eigenen Spiele mehr entwickeln, sondern nur noch als Verlag für die Titel anderer Studios agieren wird.

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Kein anderes Studio hat so oft den Deutschen Computerspielpreis gewonnen wie Daedalic. Geholfen hat es nichts. Nach zwei intern entwickelten Flops - A Year of Rain und Gollum - zog der französische Konzern, dem das deutsche Studio inzwischen gehört, den Stecker.

Ausland mischt in deutscher Games-Branche mit

Auch Keen Games lebt von Investitionen aus dem Ausland. 2021 steckte der chinesische Games-Gigant Tencent - der umsatzstärkste Konzern im Bereich Videospiele weltweit - zusammen mit einem europäischen Fonds zehn Millionen US-Dollar in das Unternehmen.

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Und auch das Personal kommt oft aus dem Ausland. In den größeren deutschen Studios wird deshalb meist konsequent Englisch gesprochen. Noch in den Neunziger Jahren reichte es, wenn sich Games wie das Aufbauspiel Die Siedler oder die Fußballmanager-Simulation Anstoss hauptsächlich in Deutschland verkauften. Das reicht inzwischen nicht mehr, sagt Pete Walentin:
Die Branche ist international. Es gibt keine Produktion, die ausschließlich für den deutschen Markt entwickelt wird, weil das wirtschaftlich keinen Sinn macht.
Pete Walentin, Keen Games
Petra Fröhlich ergänzt: "Games müssen sich am Weltmarkt beweisen. Ich würde davor warnen, sich zu sehr auf den hiesigen Markt zu kaprizieren. Der deutsche Maschinenbau hat eine Exportquote von über 80 Prozent - da spielt das Inland zwar eine wichtige, aber eben auch eine untergeordnete Rolle."
Der Autor ist beim diesjährigen DCP Mitglied einer der Fachjurys, die Empfehlungen für die Hauptjury erarbeitet haben.

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