Interview

: Rabe kritisiert "Verantwortungsdiffusion"

09.12.2022 | 04:15 Uhr
Digitalisierung in Deutschland? Es gebe keine richtige "Federführung", sondern "Verantwortungsdiffusion", kritisiert Alexander Rabe, Mitglied im Beirat Digitalstrategie.
Die digitalen Gestalter der Zukunft würden in Deutschland noch viel zu wenig ausgebildet, kritisiert der Beirat Digitalstrategie.Quelle: Imago
Die deutsche Digitalisierung voranzutreiben, ist die zentrale Aufgabe von Digitalminister Volker Wissing (FDP). Auf dem Digital-Gipfel in Berlin am Freitag will er dies noch einmal bekräftigen. Alexander Rabe ist Mitglied im Beirat Digitalstrategie und Geschäftsführer des eco-Verbands der Internetwirtschaft. Im Interview mit ZDFheute erklärt er, wieso die Digitalisierung in Deutschland nur schleppend vorankommt.
ZDFheute: Wieso hinkt Deutschland bei der Digitalisierung so stark hinter anderen EU-Ländern her?
Alexander Rabe: Der Status der Digitalisierung in Deutschland ist letztlich hausgemacht. Seit Jahrzehnten haben diverse Regierungen es verschlafen, konsequent in Digitalisierung zu investieren. Das Ergebnis sehen wir heute, wir sind abgehängt und hinken einer Digitalisierung nach.
ZDFheute: Digitalminister Wissing ist mit seiner "Digitalstrategie" bisher noch nicht besonders weit gekommen. Worin sehen Sie Gründe dafür?
Alexander Rabe: Die Digitalstrategie der Bundesregierung ist eine Sammlung einzelner Projekte der verschiedenen Ministerien der Bundesregierung. Das an sich ist natürlich eine verteilte Verantwortungsdiffusion. Diese am Ende zusammenzuführen, damit die Projekte auch wirklich am Ende der Legislatur erfolgreich umgesetzt werden, das ist die Herausforderung, mit der sich der Digitalminister jetzt konfrontiert sieht.
Als Verband der Internetwirtschaft haben wir uns immer ein starkes Digitalministerium gewünscht, dass eine Federführung und ein Digitalbudget hat. Das haben wir nicht. Wir haben eine Verantwortungsdiffusion. Und das ist die Situation, mit der wir uns jetzt auseinandersetzen müssen.
ZDFheute: Was muss getan werden, damit Deutschland die Digitalisierungs-Lücke zu anderen EU-Ländern schließen kann– und zwar in näherer Zukunft?
Alexander Rabe: In näherer Zukunft ist eine große Herausforderung in der Fragestellung. Wir brauchen ein Mindset, sowohl in der Politik als auch in der Gesellschaft.
Deutschland selbst ist Technologie-ängstlich, und die Politik spiegelt letztlich diese Situation wider und verstärkt sie sogar in Teilen durch Einzelmaßnahmen.
Alexander Rabe, Mitglied im Beirat Digitalstrategie
Sei es Datenschutz, der uneinheitlich interpretiert wird und in Deutschland und zur Verunsicherung führt. Seien es staatliche Eingriffe - wie die Vorratsdatenspeicherung oder Ähnliches. Das schafft nicht wirklich Voraussetzungen, um zukünftig digitaler zu werden.

Der Blogger und Podcaster Sascha Lobo fordert bei Markus Lanz, dass der Bund die Zuständigkeit bei der Digitalisierung der Bildung übernimmt. Den Föderalismus bezeichnete er als "Hemmschuh“.

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ZDFheute: Wie stellen Sie sich ein optimal vernetztes Deutschland vor? Welche Voraussetzungen sind dafür abseits der digitalen Infrastruktur nötig?
Alexander Rabe: Digitales Deutschland 2030, darunter stelle ich mir ein Land vor, in dem die Bürger*innen und die Politiker*innen digitale Kompetenzen haben, mit denen sie die digitale Zukunft gestalten können. Denn bereits hier sehen wir ein Defizit an den Schulen. Wir sehen, es gibt keinen Informatikunterricht und keinen flächendeckenden Medienkompetenz-Unterricht. Und so setzt sich die Wertschöpfungskette gewissermaßen fort.
Die digitalen Gestalter der Zukunft, die werden überall in der Welt ausgebildet, in Deutschland allerdings noch viel zu wenig.
Alexander Rabe, Mitglied im Beirat Digitalstrategie
Das Interview führte Roman Leskovar aus dem ZDF-Hauptstadtstudio in Berlin.

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