FAQ

: Proteste legen Frankreich teilweise lahm

19.01.2023 | 13:11 Uhr
In Frankreich stößt Präsident Emmanuel Macron mit seinen Plänen für ein höheres Rentenalter auf heftige Kritik. Landesweit wird dagegegen gestreikt. Worum geht es?
In Frankreich haben landesweite Streiks gegen die Rentenreform-Pläne der Regierung große Teile des öffentlichen Lebens lahmgelegt. Der Zugverkehr ist weitgehend zum Erliegen gekommen. Der öffentliche Nahverkehr ist stark gestört. Laut dem Bahnbetreiber SNCF verkehren kaum Regionalzüge und die Hochgeschwindigkeits-TGV-Linien sind deutlich ausgedünnt. 20 Prozent der Flüge vom Flughafen Paris Orly wurden abgesagt. Zudem sind viele Schulen geschlossen und Raffinerien blockiert. Landesweit sind 10.000 Polizisten und Gendarmen mobilisiert.
Die Streiks wirkten sich auch auf die Stromerzeugung aus. Daten des Versorgers EDF und des Netzbetreibers RTE zeigten, dass sie um 7,8 Gigawatt (GW) zurückging, was etwa zwölf Prozent der gesamten Stromversorgung entspricht. Frankreich muss daher verstärkt Strom aus Großbritannien, Belgien, Deutschland, der Schweiz und Spanien importieren.

Worum geht es?

Die Mitte-Regierung von Präsident Emmanuel Macron will das reguläre Renteneintrittsalter schrittweise von 62 auf 64 Jahre anheben. Außerdem soll die Zahl der nötigen Einzahlungsjahre für eine volle Rente schneller steigen. Etliche Einzelsysteme mit Privilegien für bestimmte Berufsgruppen sollen abgeschafft werden. Die Rentenreform gilt als ein Schlüsselprojekt in Macrons zweiter Amtszeit.

Wie ist die Regelung derzeit?

Derzeit liegt das Renteneintrittsalter bei 62 Jahren. Tatsächlich beginnt der Ruhestand im Durchschnitt aber später: Wer nicht lang genug eingezahlt hat, um Anspruch auf eine volle Rente zu haben, arbeitet auch länger. Mit 67 Jahren gilt unabhängig von der Einzahldauer voller Rentenanspruch - dies will die Regierung beibehalten. Die monatliche Mindestrente will sie auf etwa 1.200 Euro hochsetzen. Für Menschen, die besonders früh angefangen haben zu arbeiten oder deren Arbeitsbedingungen außergewöhnlich hart sind, soll es früher in den Ruhestand gehen.

Wie sehen die Fakten aus?

Für Menschen, die besonders früh angefangen haben zu arbeiten oder deren Arbeitsbedingungen außergewöhnlich hart sind, soll es früher in den Ruhestand gehen.

Die geplante Rentenreform von Präsident Macron, die eine Erhöhung des Renteneintrittsalters vorsieht, stößt bei vielen auf Unmut. Auch Opposition und Gewerkschaften sind dagegen.

10.01.2023 | 03:24 min
Während es 1960 noch vier einzahlende Arbeitnehmer auf einen Rentner gegeben habe, seien es bald nur noch anderthalb, sagte Regierungssprecher Olivier Véran.
Das ist keine aufrechterhaltbare Situation, weil sie uns kollektiv in Gefahr bringt.
Olivier Véran, Regierungssprecher
Mit der Reform könne auf Rentenkürzungen, höhere Rentenbeiträge und eine höhere Staatsverschuldung verzichtet werden. Im Parlament kann die Regierung wohl auf die Unterstützung der Konservativen setzen.

Was wird kritisiert?

Die Gewerkschaften prangern die Rentenreform als brutal an. Die Lage derer, die vor der Rente keinen Job mehr haben, werde sich verschärfen. Auch der drohende Wegfall von Sonderregelungen stößt auf Kritik. Deshalb haben die großen Gewerkschaften gemeinsam zum Streik aufgerufen.

Wie lauten die Argumente der Kontrahenten?

Die Regierung sagt, nur so könne das Rentensystem bei einer alternden Bevölkerung und zunehmender Lebenserwartung weiterhin finanziert werden. Arbeitsminister Olivier Dussopt sagte im Fernsehsender LCI, die Rentenreform verlange von den arbeitenden Menschen eine "zusätzliche Anstrengung".
Die Gewerkschaften sehen von der Reform hart erkämpfte Arbeitnehmerrechte bedroht. Sie schlagen als Alternative höhere Steuern für Reiche oder einen höheren Arbeitgeberbeitrag bei den monatlichen Lohnabrechnungen vor.

Welchen Stellenwert haben Streiks in Frankreich?

Im Gegensatz zu Deutschland dominieren in Frankreich hochpolitische Richtungsgewerkschaften. Auch herrscht ein liberaleres Streikrecht vor und durch die historische Erfahrung erfolgreicher sozialer Bewegungen ein anderes Verhältnis zum Staat. Arbeitsminister Dussopt rief Streikende auf, nicht die Wirtschaft lahm zu legen.
Das Recht auf Streik ist eine Freiheit, aber wir wollen keine Blockaden.
Olivier Dussopt, Arbeitsminister Frankreich

Um die Rentenkasse vor dem Kollaps zu bewahren, schlagen einige Wirtschaftsexperten eine Rente mit 70 vor. Die Ampel-Parteien und auch der Gewerkschaftsbund lehnen den Vorschlag bisher ab.

02.08.2022 | 01:55 min

Blick über die Grenze

In der Debatte um die Rentenreform blickt Frankreich auch auf den deutschen Nachbarn. Zum einen wird dabei auf die längere Einzahldauer von 45 Jahren für eine volle Rente und das höhere Renteneintrittsalter von 67 Jahren verwiesen.
Auch wird das Bild eines schlechteren Ruhestands gezeichnet: In Deutschland seien die Rentner ärmer; auch die Unterschiede zwischen Ost und West sowie den Geschlechtern werden angeprangert. Gleichzeitig wird die gestiegene Beschäftigung älterer Menschen lobend erwähnt.
So läuft die Debatte um das Renteneintrittsalter in Deutschland:
Quelle: dpa, Reuters, AP

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