: Warum Putin keine Atomwaffen einsetzt

von Felix Rappsilber
04.10.2022 | 23:06 Uhr
Sicherheitsexperte Christian Mölling erklärt, warum er glaubt, dass Putins Drohungen mit einem Atomschlag Angstmacherei ist – die sich aber in Deutschland besonders gut verfängt.

Über die Rolle Deutschlands im Ukraine-Konflikt, die derzeitige Stimmungslage in der russischen Bevölkerung, den Abwehrschirm der Ampel-Koalition und Putins Drohgebärden.

04.10.2022 | 76:09 min
Seit Kriegsbeginn hat Russlands Präsident Wladimir Putin immer wieder mit dem Einsatz von Atomwaffen gedroht. Passiert ist bislang nichts. Doch die Drohungen aus dem Kreml verfingen sich - besonders hier in Deutschland.
Dieser Ansicht ist Sicherheitsexperte und Politikwissenschaftler Christian Mölling – und ordnete das am Dienstagabend bei Markus Lanz weiter ein. Mölling war dabei wichtig zu veranschaulichen, dass der tatsächliche Einsatz von Atomwaffen keinerlei Nutzen für Putin hätte – und gar nicht so einfach umsetzbar wäre.

Ein Psychogramm des russischen Präsidenten und seine gefährliche Eskalation im Ukraine-Krieg.

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"Drei-Knöpfe-Prinzip" für Nuklearwaffen in Russland

Denn für einen Teil der Nuklearwaffen gelte das sogenannte "Drei-Koffer- oder Drei-Knöpfe-Prinzip". Demnach müssten zwei weitere Leute "mit draufdrücken" auf den roten Knopf – der russische Verteidigungsminister Sergei Schoigu und der Generalstabschef der russischen Streitkräfte Waleri Gerassimow.
Und jetzt stellen Sie sich die Situation einmal vor. Der Präsident kommt rein und sagt: Ich habe eine brillante Idee. Ich zünde eine Atombombe. Was sagen die beiden anderen denn in dem Moment?
Christian Mölling, Sicherheitsexperte
"Sind sie dem Ziel, das Putin hat, das Moskau hat, der Kreml hat, die Leute um ihn herum, irgendeinen Schritt nähergekommen? Oder sind sie auf einen Schlag ganz am Ende?"

Sicherheitsexperte: Putin gewinnt nichts mit Atomwaffeneinsatz

Der Einsatz einer Atomwaffe würde nicht nur für die westliche Welt eine rote Linie überqueren – sondern auch für jene Staaten, die bislang mit Russland zusammenarbeiten. Etwa der Iran, der Russland Drohnen liefere, Indien oder auch China.
Diese Länder haben kein Interesse daran, dass die sogenannte nukleare Schwelle, also wozu darf ich eigentlich Nuklearwaffen einsetzen, dass die abgesenkt wird.
Christian Mölling, Sicherheitsexperte
Aktuell würde man Nuklearwaffen nur im allerschlimmsten Fall einsetzen, um sich zu verteidigen. Im Fall der Ukraine würde Putin allerdings Nuklearwaffen einsetzen, um das, was man sich geraubt habe, "durch den Schrecken einer Nuklearwaffe" nehmen zu können. "Diese Staaten würden das alle nicht akzeptieren. Das heißt, Putin gewinnt in dem Augenblick nichts", so der Sicherheitsexperte.

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Quelle: ZDF
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Wie arbeitet das Aktionsbündnis?

Das Aktionsbündnis Katastrophenhilfe hilft Menschen in der Ukraine und auf der Flucht. Gemeinsam sorgen die Organisationen Caritas international, Deutsches Rotes Kreuz, Diakonie Katastrophenhilfe und UNICEF Deutschland für Unterkünfte und Waschmöglichkeiten, für Nahrungsmittel, Kleidung, Medikamente und andere Dinge des täglichen Bedarfs. Auch psychosoziale Hilfe für Kinder und traumatisierte Erwachsene ist ein wichtiger Bestandteil des Hilfsangebots.

Kein rationaler Grund

Möllings Ausführungen folgend gäbe es für Putin also keinen rationalen Grund, seinen Nukleardrohungen Taten folgen zu lassen.
Und sollte der Präsident irrational oder "irre" handeln, wäre für die anderen beiden Entscheidungsträger Shoigu und Gerassimow eher der Zeitpunkt gekommen, Putin "in den Arm zu fallen", zu ihrem alten Leben zurückzukehren oder vielleicht sogar als politisch Verantwortliche die Zukunft des Landes anzuleiten – als in einen selbstzerstörerischen Atomkrieg einzuwilligen.
Zudem analysierte der Sicherheitsexperte die deutschen Reaktionen auf Putins nukleare Drohungen: "Wir sind nicht geübt in dem Durchdenken und in dem Entscheidungentreffen unter der Androhung eines Nuklearschlages." Der Grund sei, dass die deutsche Politik lange Zeit "fundamental in eine völlig andere Richtung gedacht" habe:
Es gab keine nuklearen Szenarien. (…) Es kam im Alltag nicht vor.
Christian Mölling, Sicherheitsexperte
Eine der Ursachen sei, dass sich Deutschland infolge des Kalten Krieges über 30 Jahre lang "verteidigungspolitisch komplett entmündigt" habe.

Russland brauchte Deutschland

Mölling erklärte weiter: "In den 2010er Jahren war auf russischer Seite klar: Wenn man die Nato spalten will, braucht man nur ein Ziel. Man braucht Deutschland." Denn Deutschland habe immer "besondere Beziehungen" zu Russland gepflegt und sei immer wieder ein "Bremser in der Nato" gewesen.
Hinzu kämen parteipolitische Dimensionen, Deutschlands geografische Lage, aber auch die "besondere Verpflichtung (…), die Deutschland aus dem Zweiten Weltkrieg heraus gegenüber Russland hat". Mölling weiter: "Es war klar: Hier verfängt [die Androhung eines Nuklearschlages] unheimlich gut."
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