: Experte warnt vor Macron-Idee

von Sebastian Ehm
06.12.2022 | 17:02 Uhr
Macron kann sich vorstellen, mit Putin über Frieden zu sprechen. Doch es ist nur schwer vorstellbar, dass Putin an irgendeinem Punkt nachgibt. Für ihn steht zu viel auf dem Spiel.
Frankreichs Präsident Macron hat für seinen Vorschlag, Russland Sicherheitsgarantien anzubieten, Kritik geerntet. ArchivbildQuelle: Ludovic Marin/AFP Pool/AP/dpa
Da war sie wieder, die Idee: Verhandlungen mit Putin. Dieses Mal vorgebracht vom französischen Präsidenten Emmanuel Macron. Er sei bereit mit Putin zu sprechen, wenn der seinerseits ein Interesse habe, die Kämpfe zu beenden. Es ist eine Frage, die seit dem 24. Februar immer wieder gestellt wird: Kann man mit Putin verhandeln?
Diese Frage hängt zentral vom Wollen der Ukraine ab. Dort macht Präsident Wolodymyr Selenskyj bei jeder sich bietenden Gelegenheit deutlich, dass man mit Russland nicht über ukrainisches Territorium verhandeln werde. Gleichzeitig hat Russland im September vier ukrainische Gebiete zu Teilen Russlands erklärt und diese völkerrechtswidrig annektiert. Die Krim wurde bereits besetzt.

Experte: Putins Ziele sind gleich geblieben

Jannis Kluge von der Stiftung Wissenschaft und Politik glaubt, dass es nach wie vor das Ziel des Kreml ist, auch Kiew unter seine Kontrolle zu bringen und die dortige Regierung gegen eine auszutauschen, die auf der Linie des Kremls ist. "Nur so kann Putin seine Eroberungen in der Ost-Ukraine auch absichern. Außerdem geht es ihm in diesem Krieg auch mehr und mehr darum, dem Westen eine Niederlage zuzufügen."
Die Ziele, mit denen Putin seine sogenannte "militärische Spezialoperation" begründete, stehen auch weiterhin: die sogenannte Entnazifizierung und Demilitarisierung der Ukraine, sowie zu verhindern, dass sich die Nato weiter nach Osten ausdehne.

"Mit Angeboten an Putin aufpassen"

Ein Waffenstillstand ist unter diesen Umständen zwar möglich, aber eine langfristige politische Verhandlungsgrundlage sei damit nicht gegeben, so Kluge. Der Westen müsse allerdings aufpassen mit Angeboten an Putin und Signalen der Gesprächsbereitschaft über den Kopf der ukrainischen Regierung hinweg.
Natürlich ist es für Putin immer interessant auszuloten, was man versprechen könnte, um die westliche Unterstützung für die Ukraine zu schwächen.
Jannis Kluge, Stiftung Wissenschaft und Politik
Dass der russische Präsident dagegen von seinen Zielen abrückt, sei sehr unwahrscheinlich.

Putin steht unter Druck

Denn es geht für Wladimir Putin um alles. Es ist ein Endspiel für den russischen Präsidenten. Er hatte der Ukraine im Februar die Existenzberechtigung abgesprochen und war anschließend mit über 150.000 Soldaten einmarschiert.
Dadurch hat er sich auch innenpolitisch gewaltig unter Druck gesetzt. Bei dieser sogenannten militärischen Spezialoperation muss etwas herausspringen, Putin muss zählbares liefern. Sonst könnte er die Unterstützung in der Heimat verlieren. "Es ist sehr riskant für Putin, den Krieg zu beenden", sagt auch Jannis Kluge. 
In dem Moment, wo er vorbei ist, wird man in Russland fragen: War es das wert? Hat sich das gelohnt? Solange der Krieg weitergeht, wird diese Frage nicht so deutlich gestellt.
Jannis Kluge, Stiftung Wissenschaft und Politik

Frieden durch Verhandlungen fast unmöglich

Ein Zurück auf die politische Konstellation vor dem 24. Februar ist undenkbar. Durch die offizielle Eingliederung der Gebiete Cherson, Saporischschja, Luhansk und Donezk hat Putin Fakten geschaffen, die für Russland Bestand haben müssen. Alles andere läuft dem russischen Selbstverständnis fundamental zuwider. Damit hat er selbst dafür gesorgt, dass ein Verhandlungsfriede mit der Ukraine nahezu unmöglich ist.  
Es ist nach wie vor völlig unklar, wohin der russische Angriff führt. Der 24. Februar 2022 war ein Epochenwandel, er bildet das Ende einer Annäherung von Russland und dem Westen und der 24. Februar könnte der Startschuss gewesen sein für eine militärische Auseinandersetzung mitten in Europa, die sich noch über Jahre hinzieht.  
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