: Eine (Klima-)Krise kommt selten allein

von Inga Rabe
22.05.2023 | 10:54 Uhr
Die Klimakrise befeuert den Verlust der Artenvielfalt. Das wurde schon länger vermutet. Jetzt zeigt eine Übersichtsstudie, wie sehr die beiden Hand in Hand gehen.
Der Atlantische Nordkaper ist einer von vier Arten, die zu den Glattwalen gehören. Er ist vom Aussterben bedroht.Quelle: AP
Die Glattwale in den Polarmeeren werden immer dünner. Und das hat drastische Auswirkungen auf die Geburtenrate der Meeressäuger. Forschungsteams der Universitäten Pretoria, Aarhus und Island beobachten diese Entwicklung schon länger.
Der Grund für die unfreiwillige Diät der Wale ist der Klimawandel. Durch die Erwärmung der Weltmeere gibt es nicht mehr genug Krill unter dem arktischen und antarktischen Eis. Und wenn diese Kleinkrebschen, die Hauptnahrungsquelle der Wale, fehlen, dann haben die Wale nicht genug Energie für Nachwuchs.

Weltweit sind eine Million Tier- und Pflanzenarten vom Aussterben bedroht. Im Kampf um die Artenvielfalt entwickeln Naturschützer immer ausgefallenere Methoden. Mit Erfolg?

23.02.2020 | 28:36 min

Bei der öffentlichen Aufmerksamkeit gilt: Klein gegen Groß

Dieses Beispiel zeigt pars pro toto das ganze Dilemma: Sind die bedrohten Tiere sehr groß - wie die Glattwale - ist die Schlagzeile in den Medien garantiert. Den Winzling Krill beachtet dagegen kaum jemand. Menschliche Aktivitäten haben rund 75 Prozent der Landoberfläche und 66 Prozent der Ozeangebiete der Erde so stark verändert, dass mehr Arten vom Aussterben bedroht als jemals zuvor in der Geschichte der Menschheit. Und das wird durch den Klimawandel weiter verstärkt.
Wir müssen Klima- und Artenschutz zwingend zusammen denken.
Almut Arneth, Ökosystemforscherin am Karlsruher Institut für Technologie
Denn Maßnahmen, die sich beispielsweise allein auf den Klimaschutz konzentrieren, können sich durchaus auch negativ auf die Biodiversität auswirken“, sagt Professorin Almut Arneth, Ökosystemforscherin am Karlsruher Institut für Technologie (KIT). "Beide Systeme funktionieren nur zusammen. Gesunde arten- und funktionsreiche Ökosysteme etwa tragen viel zur Minderung des Klimawandels bei."
Bisher werden der Klimawandel und der Verlust der Artenvielfalt als zwei getrennte Katastrophen angesehen. Um die Zusammenhänge von beiden zu dokumentieren, hat Arneth gemeinsam mit einem internationalen Team aus Forschenden eine Übersichtsstudie veröffentlicht.

Der Versuch, die Natur nachzubauen, ist selten von Erfolg gekrönt. Kelly Latijnhouwers und Valérie Chamberland aber scheint das zu gelingen: Die Meeresbiologinnen züchten Korallen.

14.08.2022 | 28:20 min

Klima- und Artenschutz gehören zusammen

Diese Studie zeigt zum Beispiel, dass Organismen und Böden durch die Erwärmung und die Zerstörung natürlicher Lebensräume weniger Kohlenstoff (CO2) speichern können. Und das wiederum verschärft die Klimakrise. Ein Umdenken sei nötig. Um der Klima- und Biodiversitätskrise zu begegnen, braucht es ein Aktionspaket aus Emissionsreduktion, Renaturierungs- und Schutzmaßnahmen, intelligentem Management von Nutzflächen sowie ein klares Handeln der Politik, so die Forschenden.
"Ganz oben auf der Prioritätenliste steht natürlich nach wie vor die massive Reduktion der Treibhausgasemissionen und die Einhaltung des 1,5-Grad-Ziels“, erklärt Professor Hans-Otto Pörtner vom Alfred-Wegener-Institut, Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung und Leitautor der Studie.

Studie: Nutzland muss renaturiert werden

Außerdem müssten mindestens 30 Prozent der Land-, Süßwasser- und Ozeanflächen unter Schutz gestellt oder renaturiert - also von Nutzfläche in einen naturnahen Zustand zurückgeführt - werden. "Die tatsächliche Umsetzung des vor Weihnachten 2022 beschlossenen Kunming-Montreal Protokolls zum Schutz der Biodiversität hat daher ebenso hohe Priorität wie das Pariser Klimaabkommen“, betont Arneth.
Laut der Studie könnte es schon ausreichen, wenn man 15 Prozent des Nutzlandes renaturiert, um 60 Prozent der vom Aussterben bedrohten Arten zu erhalten. Außerdem könnten so bis zu 300 Gigatonnen Kohlendioxid langfristig aus der Atmosphäre gebunden werden. Das sind zwölf Prozent des Kohlenstoffs, der seit Beginn des Industriezeitalters insgesamt ausgestoßen wurde.

Themen

Mehr zum Thema Artenvielfalt