: Biogas: Alternative zu russischem Gas?
von Kai Remen
10.09.2022 | 13:58 UhrDeutschland sucht händeringend nach alternativen Energien. Das Bundeswirtschaftsministerium möchte deshalb auch auf Biogas setzen. Im Juli kündigte Minister Robert Habeck (Grüne) an, dass eine "kurzfristige Ausweitung der Biogasproduktion" geplant sei.
ZDFheute Infografik

Mehr
Mehr
Mehr
Bioenergie oft ineffizienter als Solar- oder Windenergie
Wie klimafreundlich diese Produktion ist, hängt vor allem von der verwendeten Biomasse ab. Hierzulande werden neben Biomüll, Grünschnitt und Gülle auch Mais, Raps und Zuckerrüben zur Produktion eingesetzt. Letztere werden eigens dafür in Deutschland auf mehr als einer Million Hektar angebaut.
Das wird auch kritisch gesehen, immerhin sind Nutzflächen heiß begehrt und für den Anbau von Biomasse wird fruchtbarer Boden benötigt. Laut dem Umweltbundesamt ist die Bioenergie deshalb deutlich weniger flächeneffizient als Solar- oder Windenergie.
Aufgrund des enormen Bedarfs an fruchtbaren Flächen kann die Anbaubiomasse auch künftig rein rechnerisch nur sehr gering zur Energieversorgung beitragen.
Um bis 2030 etwa zwanzig Prozent der russischen Gasimporte zu ersetzen, fordern mehrere Landesverbände für Erneuerbare Energie eine sprunghafte Erhöhung der Biogasmengen in Deutschland.
23.08.2022 | 01:55 minDoppelter Nutzen bei Verwendung von Biomüll
Eine bessere Möglichkeit könnte die Nutzung bereits vorhandener Biomasse - wie beispielsweise Biomüll - sein. Aktuell werden in Deutschland in rund 400 Anlagen Bioabfälle vergärt und dadurch eine Leistung von gut 350 Megawatt erzielt. Auch der Landesverband Erneuerbare Energien Rheinland-Pfalz/Saarland sieht deshalb Chancen.
Es sind Riesenpotenziale in Deutschland, von denen zurzeit nur etwa 25 Prozent genutzt werden.
Wie funktioniert eine Biogasanlage für Biomüll?
Die Funktionen einer Biogasanlage für Biomüll wird im Folgenden am Beispiel einer Biogasanlage im rheinland-pfälzischen Kirchberg erklärt.
Ankunft und Trennung des Mülls
Der gesammelte Müll aus den Biotonnen der Bürger oder dem Gewerbe wird in der Biogasanlage von Greifarmen auf Fließbänder verladen. In einem ersten Schritt werden mögliche Mülltüten aufgerissen und mit Hilfe von Magneten Metallstücke aussortiert.
Eine hydraulische Presse drückt anschließend den Müll durch vier Millimeter große Löcher und trennt dadurch die benötigte Biomasse von Störstoffen.
Mischung und Vergärung
Im Mischer werden der Biomasse Mikroorganismen und - wenn benötigt - Wasser hinzugegeben. Anschließend gelangt der Bioabfall in den Fermenter. Hier vergärt er bei circa 55 Grad Celsius gute drei Wochen, bevor der Abfall im Nachgärer noch einige weitere Tage verbringt. Dadurch entstehen neben Biogas auch flüssiger Biodünger.
Lagerung und Entnahme
Die gewonnenen Stoffe werden nach der Gärung in große, kuppelförmige Gärrestlager eingespeist. Im unteren Teil lagert der flüssige Biodünger, der von Landwirten für ihre Felder entnommen werden kann. In den Gaskuppeln wird das entstandene Biogas zwischengelagert.
Umwandlung in Strom und Wärme
Bei Bedarf wird das Gas abschließend in einem Blockheizkraftwerk beispielsweise in Strom umgewandelt und dann in das Netz eingespeist. Das hat den Vorteil, dass das Biogas so lange gelagert werden kann, bis es tatsächlich benötigt wird.
Probleme bei der Sammlung von Biomüll
Rund 4,5 Millionen Tonnen Biomüll werden jährlich in Biogas umgewandelt. Doch nicht in allen Kommunen wird auf die gleiche Weise getrennt und gesammelt. Seit 2015 sind Städte und Gemeinden zwar verpflichtet, den Bürgern ein "System zur Getrenntsammlung" bereitzustellen, in der Praxis sieht das jedoch sehr unterschiedlich aus.
Nicht überall gibt es die verpflichtende Biotonne. In einigen Gebieten muss jeder den eigenen Biomüll selbst zum Wertstoffhof bringen. Auch gibt es Kommunen, in denen die Biotonne freiwillig genutzt werden kann. Die Bioabfallsammlung gleich in Deutschland einem Flickenteppich, meint der Nabu. Dadurch gehe Potenzial verloren.
Im Durchschnitt dürften Anschlussgrad und Sammelmengen niedriger sein als bei Kommunen mit verpflichtender Biotonnennutzung.
BDE: Bundesweite Biotonne könnte Gasproduktion verdoppeln
Der Präsident des Entsorgungswirtschaftsverbandes (BDE), Peter Kurth, geht gegenüber der dpa sogar davon aus, dass eine bundesweit verpflichtende Biotonne die Gasproduktion verdoppeln könnte.
Nach aktuellen Daten des Nabu gibt es allerdings in 15 Städten und Landkreisen noch überhaupt keine Getrenntsammlung von Bioabfällen. Die meisten davon liegen in Thüringen.
Pläne der Politik und bürokratische Hürden
Inzwischen sind die Vorhaben der Politik konkreter geworden. Am Dienstag hat das Wirtschaftsministerium erste Pläne an die anderen Ministerien geschickt. So sollen bis einschließlich 2024 Sonderregelungen zur Förderung von Biogasanlagen geschaffen werden. Für Stefan Rauh, Geschäftsführer des Fachverbands Biogas, sind das "erste wichtige Schritte".
Das volle Potenzial müsse genutzt werden, doch es gäbe ein weiteres Problem: "Wir werden in Deutschland von einem Bürokratie-Wust erschlagen. Das müsste dringend vereinfacht werden." Der Bau einer neuen Biogasanlage vom ersten Antrag bis zur Fertigstellung dauert derzeit in der Regel zwei bis drei Jahre.
Kai Remen ist Redakteur im ZDF-Landesstudio Rheinland-Pfalz.