: Was Sie jetzt über Astrazeneca wissen sollten
von Jan Schneider und Oliver Klein
19.03.2021 | 14:33 UhrDie Worte von Emer Cooke, der Leiterin der Europäischen Arzneimittelbehörde EMA, waren deutlich: Es gebe die "klare wissenschaftliche Schlussfolgerung", dass der Corona-Impfstoff von Astrazeneca sicher sei. Es gebe zwar "eine kleine Anzahl seltener, aber schwerwiegender" Blutgerinnsel, bei denen eine Verbindung zu dem Vakzin nicht ausgeschlossen werden kann. Dennoch überwiegen die Vorteile durch den Impfstoff die möglichen Risiken.
Letztendlich werde es durch die Nutzung von Astrazeneca insgesamt sogar weniger Thrombosen geben als ohne: Denn Blutgerinnsel kommen bei Covid-19 häufig vor. Doch schwere Verläufe werden von Astrazeneca zuverlässig verhindert. Künftig solle in der Beschreibung des Impfstoffs aber ein Warnhinweis über diese möglichen Nebenwirkungen eingefügt werden.
Am Abend erklärte dann auch Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU), dass Deutschland die Impfungen mit Astrazeneca schon am Freitag fortsetzen will. Die Impflinge sollen dann in aktualisierten Aufklärungsbögen über mögliche Risiken informiert werden. "Die Bürgerinnen und Bürger können darauf vertrauen, transparent informiert zu werden", sagte Spahn.
Hier die wichtigsten Fragen und Antworten rund um das Vakzin von Astrazeneca:
Was ist über die Thrombosen der Hirnvenen bekannt?
Die Ursache könnte eine Autoimmunreaktion sein: Antikörper, die sich gegen die eigenen Blutblättchen richten, die dann verklumpen. Das wiederum könnte zu den Hirnvenenthrombosen und dem Blutplättchenmangel führen. Diese mögliche Erklärung liefern nun Wissenschaftler der Universitätsmedizin Greifswald und auch andere Forscher weltweit.
Insbesondere jüngere Frauen seien häufiger betroffen gewesen, hieß es von der EMA. Es sei aber noch zu früh für Schlussfolgerungen: Es könnte beispielsweise sein, dass diese Gruppe auch generell ein höheres Risiko für Thrombosen habe oder dass jüngere Frauen bisher überproportional häufig geimpft worden seien.
Welche weiteren Komplikationen sind bekannt?
Einen guten Überblick über die gemeldeten Nebenwirkungen und Komplikationen der Corona-Impfstoffe bietet eine Untersuchung der britischen Gesundheitsbehörde. Bis zum 28. Februar wurden in Großbritannien schätzungsweise 10,7 Millionen erste Dosen des Pfizer/Biontech-Impfstoffs und 9,7 Millionen Dosen des Impfstoffs von Astrazeneca verabreicht. Außerdem bekamen rund 0,8 Millionen Menschen eine zweite Dose verabreicht.
Nicht nur bei Astrazeneca wurden neben Thrombosen auch weitere schwerwiegende Komplikationen gemeldet. Ob sie tatsächlich in einem kausalen Zusammenhang stehen, also durch die Impfung hervorgerufen wurden oder Zufälle sind, wird derzeit untersucht.
ZDFheute Infografik

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Welche Nebenwirkungen können auftreten?
Kompliziert wird die Untersuchung, da gerade sehr seltene Nebenwirkungen erst bei einer sehr großen Zahl an Impfungen erkannt werden. Am häufigsten gemeldet wurden bei beiden Impfstoffen die bekannten Impfreaktionen wie Kopf- und Gliederschmerzen, Schüttelfrost, Fieber, Durchfall, Übelkeit, Schwindel und Abgeschlagenheit. Teilweise wurden auch Herzrasen und Herzrhythmusstörungen gemeldet. Diese Nebenwirkungen verschwinden jedoch in aller Regel nach ein bis zwei Tagen.
Ist Astrazeneca weniger wirksam als andere Impfstoffe?
Die Wirksamkeit beim Schutz vor einer Corona-Infektion wird mit lediglich rund 60 bis 70 Prozent angegeben, während die von Biontech/Pfizer- und Moderna-Impfstoffen dagegen deutlich über 90 Prozent haben. Doch die Zahlen sorgen für Verwirrung: Manche glauben, dass rund ein Drittel aller Geimpften damit keinen Schutz vor Corona haben. Doch eine Wirksamkeit von "nur" 70 Prozent bedeutet nicht, dass 30 Prozent der Geimpften genau so erkranken können wie Ungeimpfte.
So wirksam waren Corona-Impfstoffe in Labortests
Der Vektorviren-Impfstoff von Astrazeneca hat laut klinischen Studien eine Wirksamkeit von rund 70 Prozent. Bei den Impfstoffen von Biontech/Pfizer und Moderna, die auf der neuen mRNA-Technologie basieren, liegt die Wirksamkeit hingegen bei 95 und 94,1 Prozent. Eine 70-prozentige Wirksamkeit bedeutet allerdings nicht, dass nur 70 Prozent der Geimpften geschützt werden und 30 Prozent sich mit Corona infizieren können - sie bedeutet vielmehr, dass die Zahl der Infektionen bei Geimpften um 70 Prozent geringer ist als bei nicht Geimpften.
Wie wurde die Wirksamkeit berechnet?
Um die Wirksamkeit zu überprüfen haben die Impfstoffhersteller Tests mit geimpften und ungeimpften Personen gemacht. Beim Beispiel Biontech/Pfizer haben also rund 17.500 Menschen den Impfstoff bekommen und 17.500 ein Placebo. Nach sieben Tagen wurde dann überprüft, ob sich die Personen mit dem Coronavirus infiziert hatten. Laut dem Studienprotokoll von Pfizer teilt man dann den Anteil der Covid-19-Fälle unter den Geimpften Studienteilnehmer durch den Anteil der Fälle in der Kontrollgruppe. Das Ergebnis wird von 1 abgezogen und mit hundert multipliziert. Im Beispiel Biontech gab es bei den Geimpften 8 Infektionen, bei der Gruppe, die nur das Placebo erhalten hatte, 162 Infektionen. So kommt man zu der Wirksamkeit von 95 Prozent. Die Rechnung bezieht sich also nur auf die Zahl der Infizierten. Ein ganz wichtiger Faktor bei der Einschätzung von Impfstoffen ist die Verhinderung von schweren oder gar tödlichen Krankheitsverläufen, diese wird aber über die Angabe der Wirksamkeit nicht abgedeckt.
Der Prozentwert gibt an, wie stark eine Impfung das Risiko für die Erkrankung senken kann, so dass keinerlei Symptome auftreten. Das Entscheidende ist aber: Die übrigen 30 Prozent sind nicht ungeschützt, wenn sie sich infizieren. Man könne sicher davon ausgehen, dass bei ihnen "die Krankheit wesentlich harmloser verläuft", erklärt der Virologe Alexander Kekulé im ZDF bei Markus Lanz.
Und nicht nur das: Nach der ersten Impfung ist die Wirkung bei Astrazeneca offenbar sogar besser als bei Biontech/Pfizer. Zu diesem Schluss kommen Auswertungen des bisherigen Impfprogramms in England sowie eine aktuellen Studie der schottischen Gesundheitsbehörde.
Eine Studie der schottischen Gesundheitsbehörde hat die Wirksamkeit der Impfstoffe getestet - besonders Astrazeneca übertrifft die Erwartungen.
24.02.2021 | 02:25 minSchützt Astrazeneca gegen Virus-Varianten?
Gegen die in Großbritannien entdeckte Variante B.1.1.7 bietet Astrazeneca einen guten Schutz, das zeigt unter anderem eine Studie der Universität Oxford. Aber: "Der Impfstoff wirkt höchstwahrscheinlich nicht so gut bei den südafrikanischen und brasilianischen Varianten", sagt Alexander Kekulé.
Die University of Witwatersrand im südafrikanischen Johannesburg wiederum kam in einer Studie zu dem Schluss, dass der Astrazeneca-Impfstoff nur "minimalen Schutz gegen milde bis moderate Covid-19-Infektionen" mit der südafrikanischen Virus-Variante B.1.351 biete. Ob er auch vor schweren Erkrankungen mit der südafrikanischen Mutante schützt, ist derzeit unklar.
Bei welchen Altersgruppen wird Astrazeneca verimpft?
Obwohl die EU-Kommission den Astrazeneca-Impfstoff für alle Personen über 18 Jahren zugelassen hat, empfahl ihn die Ständige Impfkommission (Stiko) am Robert-Koch-Institut zunächst nur für Personen unter 65 Jahren. Das lag jedoch nicht an möglichen Gefahren, sondern daran, dass zu wenig Daten zur Wirksamkeit bei dieser Altersgruppe vorlagen. Der Anteil der Probanden ab 65 Jahren bei den klinischen Studien von Astrazeneca lag unter zehn Prozent.
Am 4. März aktualisierte die Stiko ihre Einschätzung unter Verweis auf neue Impf- und Studiendaten aus Großbritannien. Nun empfiehlt sie den Einsatz bei allen Volljährigen in Deutschland. Flächendeckend eingesetzt wurde Astrazeneca bei Älteren aber noch nicht überall. Die einzelnen Bundesländer müssen ihre jeweiligen Impfverordnungen, Impflogistik und Terminvergabe teils noch umstellen.
Quelle: mit Material von dpa