: Sommerwelle, Masken und die Freiheit
von Gert Scobel
03.07.2022 | 09:00 UhrIn der Terra-X-Kolumne auf ZDFheute beschäftigen sich ZDF-Wissenschaftsjournalistinnen und -journalisten wie Harald Lesch, Mirko Drotschmann und Jasmina Neudecker sowie Gastexpert*innen jeden Sonntag mit großen Fragen der Wissenschaft - und welche Antworten die Forschung auf die Herausforderungen unserer Zeit bietet.
Ich war gerade zum zweiten Mal mit Corona in Quarantäne. Zu einer unangenehm fetten Sommererkältung kamen gewisse mentale - nennen wir sie "Aussetzer" - hinzu, die mir beim ersten Mal deutlich mehr zu schaffen machten und inzwischen als "Mindfog" bezeichnet werden. Man gewöhnt sich auch an Umnachtung. Beste Bedingungen also, eine Kolumne über Corona zu schreiben.
Auch mit Maske Spaß beim Konzert
Amüsieren Sie sich ruhig darüber, dass ich im Supermarkt zwischen Tomaten, Asien-Abteilung und Putzmitteln, in der Bahn und in fast allen Geschäften Maske trage. Ich merke, dass Leute das kommentieren. Sie finden mich nervig, als würde ich sie persönlich beleidigen wollen. Viele werden mich auch für einen Idioten gehalten, aber hoffentlich nicht erkannt haben, weil ich beim Konzert der Pet Shop Boys in Oberhausen, das zwei Jahre hintereinander verschoben wurde und endlich stattfand, mit Maske meinen Spaß hatte.

Die letzten zwei Jahre waren ein ungewolltes Sozial-Experiment. Die Erfahrung gibt der Forschung unerwartete Impulse. Neue Ideen für eine mögliche Zukunft.
28.06.2022 | 28:55 minVertue ich mich oder stimmt etwas nicht mit der Leichtigkeit, mit der Corona gerade weggelacht wird? Zugegeben, wir haben derzeit eine Menge heftiger Probleme. Dennoch sind gerade bedenklich viele Menschen, mit denen ich beruflich und privat zu tun habe, an Corona erkrankt. Zudem kenne ich Fälle von Long Covid - was manche lediglich für Anstellerei, Arbeitsscheue oder Burn-out halten.
Ärztepräsident Reinhardt 2020: Von Masken nicht überzeugt
Blicken wir kurz zurück: Ein leicht in Vergessenheit geratenes Highlight der Idiotie war zugleich ein Fernsehhöhepunkt des Jahres 2020. Die Pandemie schien noch ungefährlich, die Regierung bestens für alles gerüstet. Zu Gast bei Markus Lanz war ein Mann, der als Präsident der Bundesärztekammer vorgestellt wurde: Klaus Reinhardt.
Tatsächlich sagte Reinhardt im Vollbesitz seiner institutionellen Kräfte, er sei von Masken überhaupt nicht überzeugt. Unruhe bei den Diskutierenden. Warum er das denn glaube, wurde Reinhardt, immerhin approbierter Arzt, gefragt. Reinhardt wörtlich: "Weil es keine tatsächliche wissenschaftliche Evidenz darüber gibt, dass die tatsächlich hilfreich sind. Schon gar nicht im Selbstschutz und wahrscheinlich auch nur ganz wenig im Schutz, andere anzustecken."
So wenig wie man mit Gießkannen den Wald retten kann, so wenig kann man mit ein bisschen Vernunft gegen die sich ausbreitende Protesthaltung gegen die Corona-Maßnahmen ausrichten.
14.05.2020 | 07:47 minStudien belegen: Masken ein hoch wirksamer Schutz
Eigentlich hätte mein intelligenter Fernseher (er, nicht ich) sofort die Löschfunktion betätigen müssen. Stattdessen hielt sich die Theorie. Später hörte ich von Ärztinnen und Ärzten immer wieder, dass dieser Satz Querdenker neu inspirierte, Patient*innen endgültig verwirrte und ganze Arztpraxen und ihre Belegschaft spaltete - zum Teil bis heute.
In China jedenfalls wurde herzlich gelacht über den deutschen Leitmediziner. Warum? Weil zu diesem Zeitpunkt bereits durch mehrere Studien klar und eindeutig belegt war, dass Masken einen nachweislich hoch wirksamen Schutz darstellen, zumal bei einer Erkrankung des Respirationstraktes.
Maskendebatte kommt nach Deutschland zurück
Allerdings hielt auch Weltärztepräsident Frank Ulrich Montgomery Masken damals für gefährlich und eine bundesweite Maskenpflicht für unverantwortlich. Schließlich könne ja nicht jeder so eine FFP2-Maske richtig bedienen. Und dann, so Montgomery, wäre das wirklich gefährlich!
Gerade kommt die Maskendebatte zurück. Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP), Kämpfer für Liberté toujours, lehnt eine generelle Pflicht zum Tragen von Masken ab. Tatsächlich können Masken zuweilen eine Qual sein. Aber Willkür, Terror und Staatsmonopolismus?
Minister Buschmann will erst einmal neue Gutachten haben
Man glaubt, im Minister einen amerikanischen Republikaner sprechen zu hören, der die Massen vor der Staatselite warnt. "Will der Staat Masken vorschreiben", sagte der Minister der "Rheinischen Post", "etwa in Innenräumen, muss das evidenzbasiert und verhältnismäßig sein. Ob das der Fall ist, besprechen wir, wenn alle Gutachten vorliegen."
Hm. Gute Idee, denkt man. Der Staat macht sonst alles immer willkürlich und ohne Evidenz. Und es gibt sicher keine anderen Wissenschaftler*innen auf der Welt als diese wenigen tapferen deutschen Gutachter*innen, die zuvor das Problem mal völlig evidenzbasiert untersucht haben. Haben nicht alle bisher naturgemäß völlig schlampig, methodisch unsauber, überhaupt nur im Dienst einer Einschränkungs-Ideologie eine bornierte Scheuklappen-Pseudowissenschaft betrieben? War es nicht so? Oder? Warten wir lieber mit Buschmann auf Godot.
Frühjahr 2020: Covid-19 bricht aus und die Welt hält den Atem an. Seit Ausbruch wurden viele Fehler gemacht. Was hat die Politik seit Beginn der Corona-Pandemie gelernt?
28.06.2022 | 10:58 minKonstante gegen Corona-Infektionsketten: Wie wird Maske getragen?
Wenn ich nochmal kurz was anmerken darf, weil die Welle ja schon da ist: Warten wir, bis die nächste Talkshow uns mit einem Weltärzte-was-auch-immer aufklärt. Wenn es ohne Lockdown eine Konstante in der Unterbrechung von Corona-Infektionsketten gibt, dann macht sich diese an der Frage fest, wie konsequent auch in der Öffentlichkeit Maske getragen wird. Vielleicht sollten wir dem Bundesjustizministerium mal einen Packen ältere Studien schicken. Aber ich fürchte, das schränkt sowohl die Wartezeit wie die Forschungsfreiheit auf illegitime Weise ein.
Gert Scobel ...
... ist Philosoph, Wissenschafts- und Kulturjournalist sowie Moderator der 3sat-Sendungen "scobel" und "Buchzeit". Er beleuchtet und analysiert wissenschaftliche Diskurse. Besonders interessiert ist er an Aufklärung, Transformationsprozessen, der Förderung von Bewusstseinskultur und der Frage nach einer Ethik der Informatik, insbesondere der Künstlichen Intelligenz. Seit 2019 ist er mit "scobel" auch als Youtuber aktiv - und kann cat content nicht ausstehen.
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