: Drosten: Corona-Pandemie ist vorbei

26.12.2022 | 15:49 Uhr
Nach Ansicht von Experten ist die Corona-Pandemie in eine endemische Phase übergegangen. Der Virologe Drosten rechnet auch nicht mit neuen Mutationen.
Virologe Christian Drosten: Das Virus wird "im Sommer kaum noch durchkommen" (Archivbild).Quelle: Michael Kappeler/dpa/Archiv
Die Corona-Pandemie ist nach Ansicht des Virologen Christian Drosten vorüber. Der Leiter der Virologie an der Berliner Universitätsklinik Charité sagte dem "Tagesspiegel" (Online Montag/Print Dienstag):
Wir erleben in diesem Winter die erste endemische Welle mit Sars-CoV-2, nach meiner Einschätzung ist damit die Pandemie vorbei.
Christian Drosten, Charité-Virologe
Die Immunität in der Bevölkerung werde nach diesem Winter so breit und belastbar sein, dass das Virus im Sommer kaum noch durchkommen könne. Als einzige Einschränkung nannte der Virologe einen weiteren Mutationssprung. "Aber auch das erwarte ich im Moment nicht mehr."

Was ist eine Endemie?

Der häufig etwas unscharf verwendete Begriff Endemie beschreibt einen Zustand, in dem die Infektionswellen abflachen und damit für einen Großteil der Bevölkerung die Auswirkungen des Infektionsgeschehens weniger gravierend sind. Basis bildet eine breit vorhandene Immunität durch Impfungen und/oder überstandene Infektionen, die für weniger Ansteckungen und mildere Verläufe sorgt. Das Immunsystem ist nicht mehr mit einem neuartigen Erreger konfrontiert, es reagiert schneller und besser auf eine Infektion.

Drosten: Impfkampagne war entscheidend

Zur Lage in China, wo sich das Coronavirus nach der Aufhebung rigider Einschränkungen massiv ausbreitet, erklärte der Virologe: "Der große Fehler in China war, dass in der Bevölkerung, insbesondere in der älteren, kein Bewusstsein für das Impfen entstanden ist."
Die Impfkampagne in Deutschland und Europa sei der entscheidende Schritt bei der Bekämpfung der Pandemie gewesen. Es sei nie darum gegangen, die Pandemie aufzuhalten. Es sei von Anfang an klar gewesen, dass das nicht möglich war:
Aber hätte man gar nichts gemacht, dann wäre man in Deutschland in den Wellen bis zu Delta auf eine Million Tote oder mehr gekommen.
Christian Drosten, Charité-Virologe
Also habe man Kontakte reduzieren müssen.

Karagiannidis: Immunität der Bevölkerung solide

Auch der Intensivmediziner Christian Karagiannidis, der ebenfalls Mitglied im Corona-Expertenrat der Bundesregierung ist, hatte im Interview des Redaktionsnetzwerks Deutschland (RND) die Frage bejaht, ob die Pandemie nach dem Winter vorbei sei. "Ich rechne damit, dass die Pandemie jetzt zunehmend ausläuft", sagte Karagiannidis dem RND.

Intensivmediziner Christian Karagiannidis sagt, die Lage auf den Intensivstationen sei anders als in den vorherigen zwei Wintern.

14.10.2022 | 00:28 min
Sicherlich werde es noch die eine oder andere kleine Welle geben. Die Immunitätslage der Bevölkerung sei jedoch solide und auf den Intensivstationen seien deutlich weniger Covid-Patienten.
"Wir sehen, dass die Zahl der schweren Erkrankungen immer mehr abnimmt. Ich glaube nicht, dass wir noch einmal einen Rückschlag erleben."
Christian Karagiannidis, Intensivmediziner
Die Einschätzung, dass es sich bei Corona inzwischen um eine Endemie handelt, teilen inzwischen mehrere Experten, so etwa der Vorsitzende der Ständigen Impfkommission (Stiko), Thomas Mertens. Aus seiner Sicht ist eine Pandemie vor allem dadurch definiert, dass ein weltweit unbekannter Erreger, mit dem Menschen keine immunologische Erfahrung haben, in die Bevölkerung einbricht. Das sei inzwischen nicht mehr gegeben, hatte Mertens bereits Ende Oktober gesagt.

Buschmann fordert Ende der Schutzmaßnahmen

Als Reaktion auf die Äußerungen des Virologen Christian Drosten hat Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) für ein Auslaufen aller Schutzmaßnahmen plädiert. "Christian Drosten gehörte in der Pandemie zu den vorsichtigsten Wissenschaftlern", schrieb der FDP-Politiker auf Twitter. "Nun lautet sein Befund: Die Pandemie ist vorbei. Wir sind im endemischen Zustand." Buschmann forderte deshalb:
Als politische Konsequenz sollten wir die letzten Corona-Schutzmaßnahmen beenden.
Marco Buschmann, Bundesjustizminister
Linken-Fraktionschef Dietmar Bartsch teilte auf Twitter einen Bericht zu dem Interview mit Drosten und überschrieb dies mit "Weihnachtsbotschaft vom Papst".

Influenza und RSV-Virus statt Corona

Das Robert-Koch-Institut (RKI) hatte für Deutschland in seinem Wochenbericht vor Weihnachten darauf hingewiesen, dass bei Infektionskrankheiten mittlerweile Influenzaviren und das RSV-Virus dominieren würden, nicht mehr das Coronavirus.

Allerdings blieben die Infektionszahlen demnach auch hier auf einem hohen Niveau. So gab es laut RKI in der 50. Kalenderwoche unter den Menschen mit Symptomen einer akuten Atemwegserkrankungen zwischen 400.000 und 700.000 mit einer Corona-Infektion. Auch habe es wegen Corona in der Woche 3700 neue Krankenhausaufnahmen gegeben, insbesondere von älteren Menschen.

Bundesländer reagieren untschiedlich

Die meisten Corona-Schutzmaßnahmen wurden mittlerweile bereits aufgehoben. Noch in Kraft sind unter anderem Maskenpflichten in Krankenhäusern, Pflegeeinrichtungen und Arztpraxen. Teilweise gelten in medizinischen Einrichtungen auch Testpflichten oder Einschränkungen für Besuche.
Die Bundesländer ziehen unterschiedliche Schlüsse aus der neuen Lage, wie eine Umfrage der Deutschen Presse-Agentur zeigt. Sie handhaben die Corona-Maßnahmen, die in ihrer Hoheit liegen, völlig unterschiedlich. So ist die Maskenpflicht im Nahverkehr in Bayern und Sachsen-Anhalt bereits weggefallen, in Schleswig-Holstein läuft sie zum Jahresende aus. Bayern, Hessen, Baden-Württemberg, Schleswig-Holstein und Rheinland-Pfalz haben sich von der Isolationspflicht bei positivem Test verabschiedet - und setzen stattdessen auf eine verschärfte Maskenpflicht für Infizierte.
Andere lassen mehr Vorsicht walten. Für Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) gilt: erst mal gut durch den Winter kommen. Die Landesregierung in Schwerin möchte die Isolationspflicht und die Maskenpflicht im Nahverkehr frühestens nach dem Winter kippen. Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) will im Januar neu entscheiden, wie es weitergeht - betont aber schon jetzt, dass ihm Eigenverantwortung beim Masketragen im Nahverkehr wichtig sei.
Quelle: dpa, epd, AFP

Themen

Hintergründe zu Covid-19

Mehr

Die wichtigsten Daten zum Coronavirus

Aktuelle Nachrichten zur Corona-Krise