: EU: Wie Grenzschließungen Anwohner entnerven

von Lukas Nickel
19.03.2023 | 16:03 Uhr
Im Süden hat Frankreich Grenzübergänge zu Spanien geschlossen - damit soll illegale Migration und Terrorismus bekämpft werden. Quatsch, sagen Anwohner und wehren sich.

Seit zwei Jahren sind einige Grenzübergänge zwischen Spanien und Frankreich geschlossen. Frankreichs Regierung will so die illegale Einwanderung bekämpfen.

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Vier dicke Brocken. Viel mehr braucht es nicht, um einer ganzen Region das Leben schwer zu machen. Seitdem die großen Steine hier an der Mittelmeerküste von den Franzosen an dem spanisch-französischen Grenzübergang abgekippt wurden, ist das Übertreten verboten. Das französische Banyuls-sur-Mer auf der einen, das spanischen Dorf Espolla auf der anderen Seite.

Spanisch-französische Grenze: Unverständnis auf beiden Seiten

Die Anwohner, die daran gewöhnt waren, zwischen Spanien und Frankreich hin und her zu pendeln, stellt das vor Probleme. Ulrich Hinz steht auf seinem französischen Weingut in der Nähe von Banyuls. Seitdem die Grenze geschlossen ist, kommen deutlich weniger Menschen und kaufen seinen Naturwein. Zudem sind Arbeitskräfte nun nicht mehr zu finden, erzählt Hinz:
Früher sind die Leute aus Spanien gekommen und haben uns bei der Ernte geholfen, aber mit anderthalb Stunden Umweg macht das doch keiner mehr.
Ulrich Hinz, Winzer
Auch der Austausch zwischen den beiden Seiten leide: Demnächst sei ein großes Olivenfest in Espolla, zu dem sonst viele Franzosen fahren. Darauf habe keiner mehr Lust bei dem stundenlangen Umweg über die noch geöffneten Grenzen westlich und östlich des Übergangs bei Banyuls.
Auf der anderen Seite sieht es ähnlich aus: Landwirtin Marta Carola hat ein großes Stück Land in den Bergen genau an der Grenze. Ihre Produkte bringt sie sonst über den Pass. Der Umweg seit der Grenzschließung kostet sie Zeit, Geld und Nerven. Manchmal läuft ihr Vieh über die Berge auf die andere Seite. Dann muss Carola mit dem Auto den langen Umweg fahren - nur, um ihr Vieh auf der anderen Seite wieder einzusammeln.

Spanien ist für Öffnung, Frankreich will mehr Grenzschutz

Zuerst wurden die Übergänge in Banyuls und entlang der Grenze bis an die Atlantikküste wegen der Covid-Pandemie geschlossen. Danach hat die französische Regierung beschlossen, neun Grenzpunkte geschlossen zu halten, um illegalen Migranten und Terroristen die Einreise zu erschweren. Der Anlass: ein islamistischer Terroranschlag eines Tunesiers auf eine Kirche in Nizza. Er war illegal von Italien aus nach Frankreich eingereist.
Eine Bürgerinitiative, die auf beiden Seiten der Grenze aktiv ist, sieht eine Verletzung des Schengen-Abkommens und damit der Reisefreiheit innerhalb der EU. Auch aufseiten der spanischen Regierung wünscht man sich eine Grenzöffnung. Der spanische Innenminister Fernando Grande-Malasko bedauert, "dass die Kontrollen, die eine Ausnahme-Maßnahme sein sollte, die Bewegungsfreiheit und die Essenz von Schengen untergraben".
Frankreichs Staatspräsident Emmanuel Macron knüpft die Grenzöffnung an Bedingungen:
Wir wollen die Grenzen auf lange Sicht öffnen, aber nur, wenn wir gemeinsam effizienter gegen illegale Migration und Terrorismus kämpfen.
Emmanuel Macron, Präsident von Frankreich

Der Hauptangeklagte im Prozess um die Terroranschläge von Paris im Jahr 2015 muss bis an sein Lebensende ins Gefängnis - doch die Attentate haben das Land bis heute nachhaltig verändert.

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Anwohner sehen keinen Nutzen

Auf beiden Seiten der Grenze hat sich schnell Widerstand formiert. Seine Argumente nimmt man Macron nicht ab. Wer wirklich über die Grenze wolle, der suche sich einen Weg. Tatsächlich ist am Übergang zwischen Banyuls und Espolla nur selten ein Polizeiauto zu sehen. Und auch am östlich gelegenen Übergang, der offiziell noch offen ist, sieht man weit und breit keine Kontrolle.
Josep Maria Tegedo, der in Espolla lebt und aktiv ist in der Bürgerinitiative, ist sich sicher:
Mit diesen Handlungen gegen Zuwanderung folgt die französische Regierung dem Diskurs der Konservativen bis extremen Rechten in Europa.
Josep Maria Tegedo, Bürger von Espolla

Bürgerinitiative verschiebt Grenzstein eigenmächtig

Neuerdings hat sich der Widerstand der Menschen in Banyuls und Espolla auch in die Tat umgesetzt: Die Bürgerinitiative hat auf Twitter Videos veröffentlicht, wie ein Radlader einen Grenzstein am Übergang zur Seite schiebt, damit kleine Autos über die Grenze fahren können. Daraufhin kommt dann meistens ein Radlader von der französischen Seite, der den Stein wieder hinlegt.
Sprüche wie "Merci Macron" oder "Free Europe" sind auf dem umgesetzten Grenzstein zu sehen, der auf der spanischen Seite im Ort Espolla liegt.Quelle: Lukas Nickel
Bislang beweist die Bürgerinitiative den längeren Atem. Wohl auch, weil sie den Stein die ganzen zehn Kilometer über die kurvige und enge Straße bis herunter ins Dorf gefahren hat. Er liegt jetzt wie eine Trophäe am Ortseingang, beschriftet mit Parolen: "Merci Macron" steht darauf. In einer Ecke steht auf dem unebenen Stein gekritzelt: "Free Europe".

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