: Geldautomaten mit Militärsprengstoff geknackt
von J. Göbel und M. Reichert
08.02.2022 | 18:10 Uhr
08.02.2022 | 12:05 min
In Deutschland vergeht kein Tag, an dem nicht irgendwo ein Geldautomat gesprengt wird - zumindest rein rechnerisch.
- 392 EC-Automaten sprengten Kriminelle im Jahr 2021.
- Im Jahr davor waren es sogar 414 EC-Automaten.
Das zeigen Recherchen des ZDF-Magazins frontal, das die Daten aller Landeskriminalämter ausgewertet und mit Informationen des US-Sicherheitsunternehmens Cennox abgeglichen hat.
Auffällig ist, dass die Bankräuber immer häufiger besonders explosive Militärsprengstoffe nutzen. Im vergangenen Jahr waren solche sogenannten Festsprengstoffe bei 205 Anschlägen im Spiel, fast doppelt so oft wie 2020.
Niederlande: "Keimzelle des Bösen"
Achim Schmitz vom LKA Nordrhein-Westfalen hält es für reines Glück, dass bislang nur wenige Passanten und Anwohner verletzt wurden. Der Einsatz der Festsprengstoffe führe dazu, dass auch die Kollateralschäden deutlich größer würden.
Das beginnt mit Sachschäden, endet aber auch mit den nicht auszuschließenden Gefährdungen von Dritten - also Anwohnern, unbeteiligten Passanten oder eben auch den Einsatzkräften.
Laut Ermittlungsbehörden stammen zwei Drittel der Täter aus der Organisierten Kriminalität in den Niederlanden. "Da ist die Keimzelle des Bösen", fasst Oliver Huth vom Bund Deutscher Kriminalbeamter zusammen.
Die Taten laufen oft nach ähnlichem Schema ab: Die Täter kommen mit hochmotorisierten Fahrzeugen über die Grenze und suchen sich Geldautomaten aus, die eine gute Anbindung an Fernstraßen und Autobahnen haben. Nach der Sprengung flüchten die Täter mit Höchstgeschwindigkeit Richtung niederländische Grenze.
Wenn sie mit bis zu 300 Kilometern pro Stunde über die Autobahn rasen, verzichtet die Polizei auf einen gewaltsamen Stopp, um das Leben anderer Verkehrsteilnehmer nicht zu gefährden. Das wissen auch die Täter.
Flucht mit 250 Kilometer pro Stunde
Erst vor wenigen Tagen lieferte sich ein Tatverdächtiger eine wilde Verfolgungsjagd mit der Polizei quer durch Hessen und NRW. Wie die Polizei Bielefeld mitteilte, fuhr der Verdächtige kurz nach 2.00 Uhr morgens in einem hochmotorisierten Auto vom Tatort weg, nachdem im hessischen Bebra ein Geldautomat im Außenbereich eines Getränkemarktes gesprengt worden war.
Über Autobahnen und Bundesstraßen sei der Tatverdächtige zeitweise mit Geschwindigkeiten von 250 Stundenkilometern gerast. Er habe alle Fahrstreifen inklusive Standstreifen genutzt, um in die Niederlande zu fliehen.
Für Sicherheitsexperten ein Grund, warum es Kriminelle auf deutsche EC-Automaten abgesehen haben: Vor allem übers Wochenende lagerten enorme Summen darin. Kürzlich entkamen EC-Bomber mit knapp 300.000 Euro.
Für Oliver Huth vom BDK ist das ein echtes Problem:
Die Banken scheuen hier entsprechende Kosten, die Automaten abends zu leeren. Deswegen ist es nicht nachvollziehbar, dass wir tatsächlich so einen Tatanreiz schaffen.
BDK sieht Banken in der Pflicht
Auf ZDF-Nachfrage teilt der Deutsche Bankenverband mit: Die Geldinstitute arbeiteten mit Polizeibehörden zusammen und investierten erheblich in die Sicherheit der Geldautomaten.
Dafür werden Sicherungskonzepte eingesetzt, die […] auf eine höchstmögliche Prävention und Vermeidung von Tatanreizen fokussieren.
In Deutschland stehen schätzungsweise 60.000 Geldautomaten. Zu viele von ihnen sind nach Einschätzung von Sicherheitsexperten nicht auf dem neuesten Stand der Technik.
Aus diesem Grund fordert der niedersächsische Innenminister Boris Pistorius (SPD) im ZDF: "Die Banken und Sparkassen müssen mehr für die Prävention tun. In den Niederlanden hat es dazu eine gesetzliche Verpflichtung gegeben, mit entsprechendem Erfolg."
Hier appellieren wir immer noch. Aber wenn die Appelle nicht fruchten, wird man hier über gesetzliche Regelungen und Verpflichtungen reden müssen.
Was Sie tun können, wenn bei Geldautomaten Fehler auftreten, sehen Sie hier: