Interview

: Was Babyboomer und Gen Z verbindet und trennt

25.03.2023 | 10:42 Uhr
Auf dem Arbeitsmarkt und in der Klimadebatte prallen Lebenswelten aufeinander. Wie Generation Z und Babyboomer zusammenfinden, erklärt Jugendforscher Simon Schnetzer im Interview.
"Junge Menschen wollen Spaß, Sinn und Sicherheit", sagt Jugendforscher Simon Schnetzer. "Wobei Sicherheit auch die Perspektive einer lebenswerten Zukunft und intakten Umwelt meint."Quelle: dpa/Monika Skolimowska
ZDFheute: Wo sehen Sie aktuell die größte Sprengkraft zwischen Jung und Alt?
Simon Schnetzer: Wir hatten eine starke Sprengkraft zwischen den Generationen zu Beginn der Fridays-for-Future-Bewegung, als Kinder plötzlich ihre Eltern angeprangert haben. Sie wollten nicht mehr mit in den Urlaub fliegen, das Familienauto war zu dick und das Fleisch wurde vom Tisch verdammt. Diese Debatten sind leiser geworden.
Jetzt sehe ich eine andere Sprengkraft zwischen den Generationen. Wie soll die Rentenfinanzierung in Zukunft funktionieren? Die Politik fasst dieses heiße Eisen aktuell nicht an. Wir sehen, wie explosiv es in Frankreich ist. Aber die Wahrheit ist: Bei uns ist es auch am Horizont zu sehen.

Simon Schnetzer

Quelle: Simon Schnetzer
...ist 1979 im Allgäu geboren und hat Volkswirtschaft studiert. Er arbeitet als selbständiger Jugendforscher und Speaker. Seit 2010 veröffentlicht er die Trendstudien "Jugend in Deutschland" und coacht Führungskräfte im Umgang mit unterschiedlichen Generationen. Simon Schnetzer ist verheiratet, hat drei Kinder und lebt im Allgäu.
ZDFheute: Ein anderer Generationenkonflikt: Klimaaktivisten der "Letzten Generation" werfen Älteren vor, den Planeten kaputt gemacht zu haben. Verständlich?
Schnetzer: Ich sehe hier keinen Generationenkonflikt. Im Wendland wird schon ewig gegen Castor-Transporte protestiert. Wir erleben aktuell, dass eine alte Bewegung frisches Blut bekommt. Was heißt denn "Letzte Generation" überhaupt? Gemeint ist nicht die letzte Generation, die auf dem Planeten existiert, sondern die letzte Generation, die vor dem wissenschaftlich prognostizierten Kipp-Punkt noch gegensteuern kann. Dazu gehören alle Menschen, die gerade leben. Die Fridays-for-Future-Bewegung hat gezeigt, dass friedlicher Protest viel bringen kann, aber nicht genug, um nachhaltige Politik konsequent umzusetzen.

Die einen ziehen sich zurück ins Familiäre und wollen früh heiraten. Die anderen genießen ihre Freiheit und möchten sich selbst verwirklichen. Wie leben und denken Anfang Zwanzigjährige?

23.03.2023 | 16:58 min
ZDFheute: Ist das ein Plädoyer für Kartoffelbrei auf Kunstwerken?
Schnetzer: Nein. Es geht darum, die legitimen Interessen junger Menschen ernst zu nehmen. Nicht erst vor einem Gerichtshof. Wir brauchen eine Kultur der Beteiligung. Schon in der Schule. Lehrer müssen ihre Schüler fragen, wie sie den Unterricht besser machen können. Die Systemhüter in den Unternehmen müssen sich für die Bedürfnisse junger Menschen öffnen.
Im Moment hat Generation Z kaum Identifikationsmöglichkeiten mit dem System und wird nicht eingeladen, sich an der Mitgestaltung zu beteiligen. Junge Menschen wollen Spaß, Sinn und Sicherheit. Wobei Sicherheit auch die Perspektive einer lebenswerten Zukunft und intakten Umwelt meint.

Ein besonderer Ansatz junge Menschen zu motivieren, den perfekten Job für sich zu finden.

31.03.2023 | 03:21 min
ZDFheute: Wollen das nicht alle Menschen?
Schnetzer: Ältere Generationen haben sich mit vielem abgefunden. Das Ernähren einer Familie war lange Zeit wichtiger als der Spaß bei der Arbeit. Das ändert sich jetzt durch den Druck der Generation Z. Wir erleben eine Art "voting by feet". Junge Menschen gehen dahin, wo sie sich wohl fühlen und gute Bedingungen finden. Überall werden Leute gesucht und immer mehr Babyboomer kommen ins Rentenalter. Daher entscheiden vor allem die, die jetzt mit ihren Ansprüchen auf dem Arbeitsmarkt nachrücken, darüber, welche Branchen und Regionen in Zukunft überleben und welche nicht.

Im Arbeits- und Lebensalltag treffen unterschiedliche Generationen aufeinander. Auf der einen Seite die "Babyboomer", auf der anderen Seite die "Gen Z" mit ganz anderen Lebensvorstellungen.

23.03.2023 | 10:44 min
ZDFheute: Das klingt als ob die Gesellschaft viel zu verlieren hat …
Schnetzer: Ich schaue eher darauf, was die Gesellschaft gewinnen kann und welche Ideen es gibt, damit Menschen erfüllt zur Arbeit gehen. Wir könnten zum Beispiel über eine 4+1-Woche nachdenken. Vier Tage für den Arbeitgeber und einen Tag für Gemeinschaftsdienstleistungen arbeiten, auf die man sich am Wohnort geeinigt hat. Der Banker fährt einen Tag in der Woche Bus oder die Lehrkraft ist einen Tag zuständig für die Betten im Pflegeheim. Das würde dem Bedürfnis der jungen Generation nach Sinn in der Arbeitswelt schon mal entgegenkommen.
Das Interview führte Eva Mühlenbäumer aus der Redaktion "Volle Kanne – Service täglich".

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