Grafiken

: Kohle war gestern

von Michaela Waldow
04.09.2021 | 17:19 Uhr
Mehr als jeder sechste Mensch in Deutschland gilt als arm. Im Osten sanken die Zahlen, im Westen stiegen sie, am stärksten dabei in NRW. Ein Überblick in Grafiken.
Armut in Deutschland – sie beginnt dann, wenn finanzielle Mittel fehlen, um am gesellschaftlichen Leben teilnehmen zu können. Sei es, weil soziale Aktivitäten kaum leistbar sind oder es an materiellen Gütern fehlt. In Deutschland liegt die Armutsgrenze für einen Alleinlebenden bei einem Nettoeinkommen von weniger als 60 Prozent des mittleren Nettoeinkommens der Bevölkerung, bei 14.109 Euro im Jahr. Wer weniger verdient, gilt nach dem Stand des Jahres 2019 als armutsgefährdet.

Senioren am stärksten bedroht

2006 – ein Jahr nach Einführung von Hartz IV - war das Risiko, arm zu werden, am niedrigsten. Die Quote lag in der Gesamtbevölkerung bei 14 Prozent, bei Rentnern sogar bei unterdurchschnittlichen 10,4 Prozent. Seither geht der Trend der Kurve nach oben. Während die Quote bis 2019 insgesamt auf 15,4 Prozent wuchs, stieg die Armut hingegen bei Rentnern am stärksten an. Sie lag 2019 bei 15,9 Prozent, nahm somit um knapp mehr als die Hälfte zu. Besonders Frauen sind dabei betroffen: Durch klassische Rollenverteilungen mit Erziehungsjahren und Teilzeit fällt die Rente kleiner aus.
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Der Anteil der Menschen, die in Armut leben, ist seit 2006 in allen westlichen Bundesländern und in Berlin gestiegen. In Bremen ist die Zahl am höchsten: Knapp ein Viertel der Menschen in Bremen leben in Armut. Den stärksten Anstieg erlebte Nordrhein-Westfalen: Lag die Quote der Menschen, die unter der Armutsgrenze leben, 2006 bei 13,9 Prozent, stieg sie um 33 Prozent auf 18,5 Prozent an, während der Bundesmedian bei 15,9 Prozent lag.

Rückgang der Armutsgefährdung in östlichen Bundesländern

In allen östlichen Bundesländern hat sich die Armutsgefährdungsquote im Vergleich am auffälligsten entwickelt: Den bundesweit stärksten Rückgang verzeichnete dabei Brandenburg von 18,9 Prozent im Jahr 2006 auf 15,2 Prozent im Jahr 2019, somit ein Rückgang um 20,4 Prozent.
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Kindheit in Armut

In Armut aufzuwachsen, bedeutet Verzicht, Mangel, soziale Ausgrenzung und Chancenungleichheit. Bildung halbiert das Risiko, arm zu werden, arme Familien haben aber oftmals kein Geld, um ihren Kindern die nötige digitale Ausstattung zu finanzieren, einen Rückzugsort zum Lernen in einer oft kleinen Wohnung zu bieten, kulturelle Angebote zu nutzen, Talente im musikalischen, künstlerischen oder sportlichen Bereich zu fördern.
Dazu kommt der Verzicht auf regelmäßiges Taschengeld, warme Mahlzeiten, Schulausflüge oder angemessene Kleidung. Ohne Teilhabe und mit sozialer Ausgrenzung wird der Weg aus der Armut schwer, schlimmstenfalls bleiben sie gesellschaftlich abgehängt.
Die Situation der Kinder hat sich unter Hartz IV nicht verbessert. Die Anzahl derer, die unter der Armutsgrenze aufwachsen, stieg sogar noch von 18,6 bis auf 20,5 Prozent an. Jedes fünfte Kind lebte 2019 also in relativer Armut.
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1.926.441 minderjährige Kinder unter 18 Jahren waren laut Bundesagentur für Arbeit 2020 auf Hartz IV angewiesen, davon leben 566.264 allein in Nordrhein-Westfalen. Anteilig an der Anzahl der Bevölkerung ist die Quote der von Hartz IV-lebenden Kinder in Berlin am höchsten. Rund 26,1 Prozent, somit mehr als jedes vierte Kind, ist in der Hauptstadt armutsgefährdet.
Die Quote der in einer Bedarfsgemeinschaft lebenden Kinder hat sich in den ostdeutschen Bundesländern in den letzten Jahren stärker verbessert als in den westdeutschen, allerdings war das Niveau 2015 auch deutlich höher. Mecklenburg-Vorpommern konnte die Quote um 9,2 Prozent auf 12,2 Prozent, senken. Der bundesweite Durchschnitt lag 2020 bei 12,5 Prozent.
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Armut ist nicht gleich arbeitslos

Arbeitslosigkeit ist nur ein Grund, in Armut zu geraten. 30 Prozent der von Armut bedrohten Menschen sind Rentner, ein weiteres Drittel ist erwerbstätig. Kurzarbeit, Teilzeit, Krankheit, Trennungen - all das sind Risiken, um finanziell unter die Armutsgrenze zu rutschen.
So fielen insgesamt 15,4 Prozent der Senioren trotz einer zusätzlichen rentenaufbessernden Arbeit unter diese Grenze. Auch Berufseinsteiger im Alter von 18 bis 24 Jahren waren mit 10,1 Prozent betroffen. Und mehr als jede*r fünfte Alleinerziehende ist armutsgefährdet, auch 13,5 Prozent der alleinlebenden Arbeitnehmer gelten als arm. Die Corona-Krise hat die Armutsgefährdung vermutlich noch verstärkt. Denn besonders die Branchen, in denen schon vor der Pandemie geringere Einkommen erzielt wurden, waren stark vom Lockdown betroffen.
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