Interview

: Erdbeben: Kann Künstliche Intelligenz helfen?

13.02.2023 | 21:17 Uhr
Torsten Dahm vom Deutschen Geoforschungszentrum in Potsdam erklärt, wie künstliche Intelligenz bei Erdbeben helfen könnte - und wie gefährdet die Region Istanbul ist.

Ein Beben in der Millionenmetropole Istanbul sei besonders gefährlich, weil die Region sehr dicht besiedelt ist und dort viele alte Gebäude stehen.

13.02.2023 | 02:57 min
ZDF: Herr Dahm, warum ist die Türkei für Erdbeben so besonders exponiert?
Torsten Dahm: In der Türkei stoßen mehrere tektonische Platten aneinander, die sich mit relativ hoher Geschwindigkeit gegeneinander bewegen. Und an den Plattenrändern, den sogenannten Plattengrenzen, können sich dadurch Spannungen, mechanische, elastische Spannungen aufbauen. Und diese bauen sich dann immer wieder in größeren zeitlichen Abständen durch Erdbeben ab.
ZDF: Istanbul gilt ja auch seit Jahren als hochgefährdet. Wie schätzen Sie die Erdbebengefahr für die Millionenmetropole ein?
Torsten Dahm: Istanbul – oder man muss sagen – insgesamt die Ostanatolische Verwerfungszone, also Plattengrenze, wo jetzt die Erdbeben stattgefunden haben, genauso wie die Nordanatolische Verwerfung, an der Istanbul liegt, tragen eine hohe seismische Gefährdung. Das weiß man vor allem durch die Auswertung von seismischen Katalogen und von historischen Beben.
In Istanbul ist die Gefährdung auch zusätzlich noch besonders signifikant, weil die Region dicht besiedelt ist und natürlich auch viele alte Gebäude in dieser Millionenstadt und Metropolregion existieren, die eventuell Schaden nehmen bei einem starken Beben.
Torsten Dahm, Geophysiker
ZDF: Viele hoffen jetzt bei der Erdbeben-Forschung auf Künstliche Intelligenz. Wie weit sind wir da aus Ihrer Sicht und was kann die leisten?
Torsten Dahm: Ein Ansatz in der Erdbeben-Forschung ist es, möglichst kleine Beben zu detektieren und diese auszuwerten. Aus der Statistik dieser kleinen Beben glaubt man dann, oder versucht man, etwas zu lernen - über die Eigenschaften von Verwerfungszonen und letztlich dann auch über große Erdbeben. Und dazu muss man zum einen seismische Netze aufbauen. Das Geoforschungszentrum in Potsdam hat auch ein seismisches Netz in der Region um Istanbul aufgebaut.
Zum Anderen benötigt man dann aber auch entsprechend moderne Verfahren, die in der Lage sind, ganz kleine Erdbeben zu detektieren und zu lokalisieren. Und da kommt die künstliche Intelligenz ins Spiel, die kann helfen, solch kleine Ereignisse zu detektieren.
ZDF: Was meinen Sie – wie kann es gelingen, Erdbeben passgenauer und mit genügend Vorlauf vorherzusagen?
Torsten Dahm: Erdbeben auf den Tag, den Ort und die Stärke vorhersagen können wir leider nicht. Das geht deshalb nicht, weil es keine verlässlichen Vorläuferphänomene gibt, die man beobachten kann. Zum Beispiel könnten kleine Erdbeben solche Vorläufer sein, aber leider treten diese sogenannten Vorbeben nicht verlässlich vor einem Starkbeben auf.
Das Interview führte Matthias Fornoff.
Quelle: ZDF

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