: CO2-Ausstoß: Keine Anzeichen von Verminderung

von Birgit Hermes
11.11.2022 | 00:01 Uhr
Die globalen CO2-Emissionen sind nach wie vor zu hoch, um die Erderwärmung auf 1,5 Grad Celsius zu limitieren. So lautet das Ergebnis des aktuellen Global Carbon Budget Reports.
Kohlekraftwerk und WindräderQuelle: dpa
Der alljährlich von mehr als hundert Wissenschaftler*innen erarbeitete Global Carbon Budget Report analysiert die globale Kohlendioxid-Bilanz. Er betrachtet dabei die CO2-Emissionen, die durch die Verwendung von Kohle, Öl, Gas und Zement einerseits und die Landnutzung, zum Beispiel durch Entwaldung, andererseits entstehen. Überdies schaut er sich die natürlichen Kohlendioxid-Senken, etwa die Ozeane, an.
Für das Jahr 2022 projizieren die Wissenschaftler*innen einen Gesamtausstoß von 40,6 Milliarden Tonnen CO2 und verzeichnen damit ein Überschreiten der Emissionen im Prä-Covid-Jahr 2019.

Studien-Autorin: Zweithöchster Emissionswert in Menschheitsgeschichte

Etwa zehn Prozent der Emissionen gehen dabei auf die Landnutzung zurück, vor allem die Entwaldung in den Tropen. Die übrigen neunzig Prozent stammen aus fossilen Quellen, darunter dem Mehrverbrauch an Öl als Resultat des nach den Corona-Lockdowns wiedererwachten Flugverkehrs.
Mit einer Zunahme des CO2-Ausstoßes aus fossilen Quellen um "nur" ein Prozent gegenüber 2021 ist die Anstiegsrate zwar niedriger als in den 2000er-Jahren. "Dennoch", so Professorin Dr. Julia Pongratz von der Ludwig-Maximilians-Universität in München, eine der Autorinnen des Berichts, "wir haben den zweithöchsten Wert der Emissionen in der Geschichte der Menschheit erreicht".

In neun Jahren könnte die 1,5-Grad-Marke überschritten sein

Wenn die Emissionen auf dem bisherigen Level verweilen, besteht eine 50-prozentige Wahrscheinlichkeit, dass bereits in neun Jahren die globale Erwärmung um 1,5 Grad Celsius überschritten wird, resümiert der Bericht.
Nicht überall sind die Emissionen gestiegen. In China etwa sind sie gegenüber 2021 um 0,9 Prozent, in der Europäischen Union um 0,8 Prozent gesunken. In China ist dies mit dem pandemiebedingten Rückgang der Bauaktivitäten zu erklären, in Europa mit einem geringeren Verbrauch an Gas, weil weniger davon zur Verfügung steht.

Pongratz: Ohne natürliche CO2-Senken wäre Klimawandel deutlich stärker

Eine Zunahme des CO2-Ausstoßes beobachten die Forscher*innen in den USA und Indien, jeweils um 1,5 beziehungsweise um 6 Prozent. Während in den USA im Wesentlichen der inländische Flugverkehr den CO2-Ausstoß nach oben treibt, ist es in Indien die weiterhin starke Zunahme der Kohleverbrennung.
Zu den natürlichen Senken zählen die Ozeane, die sogenannte terrestrische Biosphäre – etwa die Wälder und Moore – und das was in der Atmosphäre verbleibt. Sie speichern etwa die Hälfte aller CO2-Emissionen, auch wenn ihre Speicherkapazität mit zunehmendem Klimawandel geringer wird. "Das machen wir uns oft nicht bewusst, welche fantastischen und kostenlosen Ökosystemdienstleistungen wir von der terrestrischen Biosphäre und vom Ozean erhalten", so Julia Pongratz
Sonst wäre der Klimawandel doppelt so stark.
Julia Pongratz, Ludwig-Maximilians-Universität München

Natürliche Kohlestoffspeicher schneller als Hightech-Lösungen verfügbar

Umso wichtiger ist es, solche natürlichen Senken zu erhalten beziehungsweise auszudehnen. Dies belegt auch eine aktuelle Studie des Clusters "Netto-Null-2050" der Helmholtz-Klima-Initiative. Darin haben Wissenschaftler*innen natürliche CO2-Reduktionsmethoden mit technischen Möglichkeiten – den sogenannten Kohledioxid-Entnahmemaßnahmen (CDR) verglichen.
Ihr Fazit: Eine Erweiterung der natürlichen Kohlestoffspeicher könne bereits heute realisiert werden. Hingegen seien Hightech-Lösungen erst in Jahren oder Jahrzehnten in großem Maßstab einsetzbar.

Bundesumweltministerium will Moore benässen

Dem Prinzip der natürlichen CO2-Einsparung soll auch die "Nationale Moorschutzstrategie" von Bundesumweltministerin Steffi Lemke Rechnung tragen. Letzten Mittwoch hat ihr das Ampel-Kabinett zugestimmt.
Durch Wiedervernässungsmaßnahmen will man die jährliche Treibhausgasmenge, die aus trockengelegten Mooren entweicht, bis 2030 um mindestens 5 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente reduzieren. Trockengelegte Moorböden verursachen zurzeit rund 7,5 Prozent der Treibhausgasemissionen in Deutschland.

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