: Klimaschutz? Meine Generation hat's vergeigt

von Harald Lesch
17.04.2022 | 09:23 Uhr
Meine Generation hat es vergeigt. Das mit dem Klimaschutz. Eine "Klima-Angst" macht sich breit. Wie wir aus dem Katastrophen-Dilemma rauskommen.

In der Terra-X-Kolumne auf ZDFheute beschäftigen sich ZDF-Wissenschaftsjournalistinnen und -journalisten wie Harald Lesch, Mirko Drotschmann und Jasmina Neudecker jeden Sonntag mit großen Fragen der Wissenschaft - und welche Antworten die Forschung auf die Herausforderungen unserer Zeit bietet.
Das können wir nicht ignorieren: Verschiedene Universitäten hatten im September 2021 10.000 junge Menschen aus zehn verschiedenen Ländern - sowohl aus dem globalen Norden als auch dem globalen Süden - befragt. Sie wollten deren Einschätzung zur Zukunft und Haltung gegenüber dem Klimawandel erfahren.
Die Ergebnisse sind ernüchternd. Fast drei Viertel der Befragten gaben an, beunruhigt über die Zukunft zu sein. Viele empfanden Wut, Verzweiflung, Trauer und Scham. Mehr als die Hälfte der 16- bis 25-Jährigen hat dieser Studie zufolge Angst vor dem Klimawandel.

Grundlegende Sorgen wegen Klima-Entwicklung

Hier wird schnell klar: Es geht nicht um ein Trend-Phänomen "Klima-Angst", sondern um grundlegende Sorgen junger Menschen im Hinblick auf eine globale, bedrohliche Klima-Entwicklung, vor der die Wissenschaft schon seit Jahrzehnten warnt. Und gegen deren Fortschreiten zu wenig passiert, als dass man solche Sorgen schlicht als unbegründet und übertrieben abtun könnte.
Ist der Klimawandel eine solch große Herausforderung, dass es keinen Weg mehr aus dem Dilemma gibt?

Schon vor 40 Jahren informierten die Medien darüber, dass wir auf eine Klimakrise zusteuern. Einer, der dies in aller Deutlichkeit vermittelte, war Hoimar von Ditfurth.

13.10.2021 | 18:01 min

Aus "Szenarien-Forschung" Schlüsse für Zukunft ziehen

Auf der Suche nach Antworten lohnt ein Blick auf die Forschung an komplexen Systemen, für die es jüngst auch einen Nobelpreis in Physik gab. Aus der "Szenarien-Forschung" etwa können wir Schlüsse für die Zukunft ziehen und konkrete Handlungsempfehlungen ableiten.
Der Club of Rome ließ das Massachusetts Institut of Technology (MIT) in den 70er Jahren ein Weltmodell erdenken, mit dem sich errechnen ließe, wie sich die Weltgemeinschaft in den kommenden Jahrzehnten weiterentwickeln könnte. "World3" taufte man die Computersimulation. Das Modell berücksichtigt Datensätze verschiedenster Parameter, um daraus den Verlauf einiger Indikatoren zu errechnen, die sich alle gegenseitig beeinflussen: Weltbevölkerung, Nahrungsmittel, Industrieproduktion, nicht-erneuerbare Ressourcen und schließlich Umweltverschmutzung.

Was hat sich seit dem Bericht "Grenzen des Wachstums“ des Club of Rome getan? Heute weiß ein Grundschulkind, warum unser Lifestyle die Erde gefährdet. Aber handeln wir auch anders?

02.03.2022 | 07:08 min

Meine Generation hat Klimaschutz vergeigt

Die abgeleiteten Szenarien waren die Grundlage für den Weltbestseller "Die Grenzen des Wachstums", erschienen 1972. Übrigens: Spätestens seit den 1980er Jahren wissen wir gut Bescheid über tatsächlich mögliche Klimaveränderungen wegen steigender Treibhausgase - und deren Folgen für unsere Zivilisation.
Anders ausgedrückt: Meine Generation hat es vergeigt. Das mit dem Klimaschutz. Denn inzwischen gibt es natürlich neue Daten für das Modell.

Wir leben nah am Katastrophen-Szenario

Was passiert, wenn man den prognostizierten und den tatsächlichen Verlauf der Indikatoren übereinanderlegt? Die Kurven sind erschreckend nah beieinander. Wir leben nah am Katastrophen-Szenario des Weltmodells im "Business-as-Usual"-Modus - also der Annahme, dass gerade unsere Wirtschaft weiter wächst, Ressourcen verbraucht wie bisher.

NANO spezial vom 2. März: Das Ende vom Öl, Überbevölkerung, zerstörte Lebensräume. Vor 50 Jahren prophezeite der Club of Rome in "Grenzen des Wachstums" den Niedergang der Weltwirtschaft.

02.03.2022 | 28:36 min
Dieses Modell gipfelt in einem einschneidenden, negativen gesellschaftlichen Wandel - sozialer Kollaps - als Reaktion auf knappe Ressourcen und katastrophale Umweltveränderungen, inklusive Wohlstandsverlust und Nahrungsmittelknappheit. Das können wir nicht wollen.

Technische Innovation als Heilsbringer?

Gibt es eine Lösung? "Technische Innovation!" werden manche denken. In der Tat, wenn wir allen Problemen durch knappere Rohstoffe und verschmutzter Umwelt und Atmosphäre mit Innovationskraft begegnen, schaffen wir es vielleicht. Vorausgesetzt wir finden für jedes Problem die passende Technologie. Das kostet Geld. "Comprehensive Technology" heißt dieses Szenario im World3-Modell. Technologie als "Heilsbringer" - mit sozialen Ungerechtigkeiten als "Kollateralschaden".

Einige Wissenschaftler glauben, dass wir radikale, vielleicht gefährliche Technologien erforschen müssen, um in naher Zukunft die Temperatur der Erde per Geoengineering absenken zu können.

19.03.2020 | 43:31 min
Eine Welt, in der Technologie als "Heilsbringer" herrscht - mit sozialen Ungerechtigkeiten als Kollateralschaden? Oder eine, in der harscheste Umweltbedingungen den menschlichen Fortschritt zum Rückschritt zwingen? Mit Bildern dieser Visionen verdient Hollywood schon lange gutes Geld. Philip K. Dick, Richard Morgan und Frank Herbert lassen grüßen. Dort sollten sie auch bleiben - auf Leinwänden und zwischen dicken Buchumschlägen.
Aber abseits aller Fiktion und düsteren Zukunftsvisionen? Wie kann es weitergehen? Wie sollen wir jetzt handeln? Und was, vor allem, geben wir unseren Kindern und Kindeskindern mit? Denen, die noch ihr ganzes Leben vor sich haben und deren Zukunft von drohenden Flutkatastrophen, Dürren, Waldbränden, Gletscherschmelzen, Ernteausfällen, Jahrhundertstürmen und Ressourcenknappheit geprägt sein könnte? Auch hier gibt es mögliche Antworten in der Szenarien-Forschung. Aber das ist das Thema einer anderen Kolumne.

Harald Lesch ...

... ist Astrophysiker und Moderator für Terra X und Leschs Kosmos, erklärt für das ZDF die Welt. Besonders interessiert ist er an komplexen Systemen und deren Auswirkungen auf unsere Gesellschaft. Und an Boule, Schach und Klavier. Seit 2016 ist er mit "Terra X Lesch & Co." auch als Youtuber aktiv.

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