: Wälder pflanzen unter Wasser: Wer macht mit?

von Uli Kunz
30.01.2022 | 09:11 Uhr
Meeresschutz ist im Kampf gegen den Klimawandel unverzichtbar. Im Pazifik wird an Superkorallen geforscht. In der Ostsee könnte Seegras helfen - hat auch schon die Politik erkannt.

In der neuen Terra-X-Kolumne auf ZDFheute beschäftigen sich ZDF-Wissenschaftsjournalistinnen und -journalisten wie Harald Lesch, Mirko Drotschmann und Jasmina Neudecker jeden Sonntag mit großen Fragen der Wissenschaft - und welche Antworten die Forschung auf die Herausforderungen unserer Zeit bietet.
Marine Hitzewellen töten immer schneller das, was für uns Menschen als Bollwerk gegen Wellen und Strömung gilt: Korallenriffe. Als regelrechte Unterwasser-Städte sind sie nicht nur für uns, sondern für unzählige Arten unverzichtbar. Allerhöchste Zeit, Lösungen voranzutreiben. Auf einer kleinen Pazifikinsel geschieht das bereits mit Hochdruck.

Korallengärtnerei: blumenkohlartige Strukturen in knalligen Farben

Kleine Korallen in der Korallengärtnerei im SüdpazifikQuelle: Uli Kunz
Durch die Oberfläche fallen gleißende Lichtstrahlen auf die Gärtnerei, die jungen Keimlinge gedeihen prächtig in der Wärme. An dünnen Seilen aufgereiht, wachsen vor der Insel Moorea im Südpazifik blumenkohlartige Strukturen in knalligen Farben.
Eigentlich ist es gar kein Garten, denn was hier wächst, sind Korallen: kleine Tiere, die trotz ihrer Winzigkeit riesige Korallenriffe aufbauen. Die wiederum stellen den Lebensraum für tausende Arten dar.

Ziel: Superkoralle für höhere Wassertemperaturen finden

Neben ihrer Bedeutung für das nasse Ökosystem haben Korallen eine entscheidende Eigenschaft, die sie auch für uns Menschen wertvoll machen: Sie wachsen nach oben und verfestigen so die Unterwasserhänge und Buchten entlang von Küsten und rund um Inseln. Selbst bei steigendem Meeresspiegel könnten Riffe einen wirksamen Küstenschutz im Gegenwert von mehreren Milliarden Euro bieten. Könnten. Denn die Zukunft der Riffe ist wegen des Klimawandels und der Meereserwärmung mehr als ungewiss.
Die Korallengärtner, Taucher einer Naturschutzorganisation in Französisch-Polynesien, wollen etwas dagegen unternehmen. Aus einer kleinen Gruppe polynesischer Surfer und Freitaucher ist eine weltweite Bewegung geworden. Sie arbeitet mittlerweile mit Wissenschaftlern zusammen, um das große Ziel nicht aus den Augen zu verlieren: eine Art Superkoralle zu finden, die höheren Wassertemperaturen trotzt.
Geeignete Exemplare sollen in beschädigte Korallenriffe versetzt werden und könnten dort, so die hoffnungsvolle Idee, den Lebensraum "reparieren". Ganz nach dem Motto der Korallengärtner: die Welt verändern, eine Koralle nach der anderen.

Die Mikrobiologin Raquel Peixoto verpasst Korallen, die nur in Symbiose mit Algen und Bakterien überleben, eine probiotische Kur. Eine Medizin, die sie resilienter macht.

11.02.2022 | 07:26 min

Klimaschutz in der Ostsee - mit Seegras

Moment mal, könnte das auch bei uns funktionieren? Warmwasserkorallen haben es naturgemäß bei uns schwer. Aber dafür besitzt die Ostsee einen Lebensraum, der überraschende Ähnlichkeiten zum Riff aufweist: Seegraswiesen. Üppig grün, wogend in der Brandung und teilweise über einen Meter hoch, überziehen sie große Bereiche im Flachwasser von Ahlbeck bis Wassersleben. Das Gras ist eine wichtige Kinderstube für viele Jungfische und verfestigt mit seinem Wurzelsystem den sandig-schlickigen Meeresboden. Küstenschutz par excellence. Und dazu gratis!
Auch ihr Potential für den Klimaschutz ist enorm: Eine Seegraswiese speichert über 30 Mal so viel Kohlenstoff wie die vergleichbare Fläche Regenwald. Wie konnte uns so eine Wunderwurzel lange Zeit nicht auffallen?

Erste Anpflanzungen von Seegras erfolgreich

Mittlerweile hat sich das Forschungsprojekt SeaStore dem Seegras gewidmet und möchte es in Gebieten wieder ansiedeln, aus denen es verschwunden ist. Klingt wie Bäume pflanzen? Richtig, nur besser! Die ersten Verpflanzungen von über 6.000 Seegraspflanzen sind erfolgreich, ein Großteil davon hat neue Sprosse ausgebildet und vergrößert damit das wichtige Ökosystem der üppigen Wiesen.

Meeresschutz muss wichtiger werden

Die Korallengärtner züchten Korallen, wir verpflanzen Seegras. Meeresschutz muss an die jeweilige Region angepasst werden. Der Ozean, der größte Lebensraum unserer Erde, braucht aber noch deutlich mehr Beachtung.
Die Bevölkerung muss in zunehmendem Maße mit eingebunden und informiert werden. Wie wäre es mit dem Schulfach "Meereskunde", der AG "Seegras" oder dem abendlichen Tauchtreff zum Seegras-Pflanzen?

Auch Politik hat Seegras als CO2-Speicher erkannt

Das große Potential der Meere hat auch unsere neue Regierung bemerkt und im Koalitionsvertrag im Absatz "Natürlicher Klimaschutz" folgenden Satz formuliert: "Die natürliche CO2-Speicherfähigkeit der Meere werden wir durch ein gezieltes Aufbauprogramm verbessern (Seegras-Wiesen, Algenwälder)."
Der Schritt ins Meer ist getan. Gehen wir ihn weiter, radikal in seiner Idee, wohl überlegt in seiner Umsetzung. Die Welt verändern, ein Grashalm nach dem anderen.

Die Suche nach den Geheimnissen des Wasser führt den Meeresbiologen Uli Kunz von der Silfra-Spalte Islands in die Eislandschaften von Spitzbergen, von den magischen Blue Holes der Bahamas bis in den Saguaro-Nationalpark in Arizona.

19.05.2019 | 43:35 min

Uli Kunz …

… ist Meeresbiologe, Forschungstaucher und Terra-X-Moderator. Die Ozeane sind seine große Leidenschaft, wie er auch für Terra X Instagram regelmäßig zeigt. Eigentlich wollte er mal Neurochirurg werden, heute sammelt er Walkacke und taucht mit großer Freude auch in kalten und schlammigen Gewässern.

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