: Kuba erlebt einen historischen Massenexodus

von Tobias Käufer
26.12.2022 | 12:00 Uhr
Mindestens 200.000 Menschen haben die kommunistisch regierte Karibikinsel allein in den letzten zwölf Monaten verlassen. Die Regierung kann die Massenflucht nicht aufhalten.
Flüchtlinge aus Kuba in einer provisorischen Unterkunft in der Grenzstadt La Cruz.Quelle: imago
Der Besatzung der "Pablo Valent" der US-Küstenwache bot sich ein Bild des Grauens: Am Ende musste sie zehn im Meer schwimmende Leichen bergen. Sie alle stammen aus Kuba. Ein paar November-Tage zuvor waren die Flüchtlinge auf einem selbst zusammengebauten Floß von Kuba aus in Richtung Florida gestartet. Doch der Traum von einem neuen Leben in den USA endete mit dem Tod.
Die Meldung von ertrunkenen Bootsflüchtlingen aus Kuba häufen sich seit Monaten. Zuletzt kam es zu einem Zusammenstoß zwischen einem Boot der kubanischen Küstenwache und einem Flüchtlingsboot, wieder starben Menschen. Ein Unfall sagen die kubanischen Behörden. Mit Absicht beklagen hinter vorgehaltener Hand Familienangehörige.
Zwischen dem 1. Oktober 2021 und dem 30. September 2022 sind allein an der US-Grenze 224.607 kubanische Migranten registriert worden. Im April 2022 erreichte die Zahl mit 35.092 kubanischen Migranten laut Zoll- und Grenzbehörde CBP ihren monatlichen Höhepunkt. Wie viele Menschen aus Kuba irgendwo in Lateinamerika noch auf dem Weg in Richtung USA sind oder sich in Mexiko, Mittelamerika oder anderen Ländern erst einmal niedergelassen haben, ist verlässlich nicht zu ermitteln.

Vor allem junge Leute verlassen Kuba

Für Kubas Gesellschaft ist der Massenexodus ein Problem. Vor allem junge Leute verlassen die Insel. Für die ohnehin in einer schweren Krise steckende Volkswirtschaft ein weiterer Schlag.
Wir beobachten, dass es viele Eltern gibt, die ihre Söhne und Töchter ins Ausland schicken, damit ihre Kinder nicht in Gefahr sind und eine Zukunft haben.
Javier Larrondo von der Nichtregierungsorganisation Prisoners Defenders
Durch den Massenexodus verlor Kuba allein im letzten Jahr etwa zwei bis drei Prozent der Bevölkerung, der überwiegende Teil der Migrationsbewegung besteht aus Menschen im arbeitsfähigen Alter.
Die Fluchtwelle begann im Anschluss an die Sozialproteste im Juli 2021, als trotz Verbots tausende Menschen in Kuba auf die Straße gingen um gegen staatliche Repression, für eine demokratische Öffnung des Ein-Parteien-Systems sowie gegen die Versorgungskrise auf die Straße gingen. Als Reaktion darauf wurden zahlreiche Journalisten, Künstler, Aktivisten und Intellektuelle verhaftet. Einige sind zu jahrelangen Haftstrafen verurteilt worden.

USA schieben Menschen zurück nach Kuba ab

Kubas Regierung macht das Handelsembargo der USA für die Versorgungskrise auf der Insel verantwortlich, doch längst nicht mehr alle Menschen geben sich mit dieser Erklärung zufrieden. Die jungen Menschen, die die Proteste trugen, haben nun für sich eine Entscheidung getroffen und wollen Kuba verlassen, weil ihre Proteste nicht gehört werden.
Auf die zunehmende Flucht aus Kuba reagieren die US-Behörden mit Massenabschiebungen. Nahezu wöchentlich werden kubanische Flüchtlinge in ihre Heimat zurückgeführt, obwohl es Berichte gibt, dass sie dort Repression und strukturelle Benachteiligung erwartet. Diese Praxis stößt bei Menschenrechtsorganisationen zunehmend auf Kritik.
Amerika kann nicht weiterhin ein Leuchtfeuer der Freiheit sein, wenn wir diejenigen, die vor Verfolgung und Gewalt fliehen, einem Risiko aussetzen.
María Elvira Salazar, Republikanische Abgeordnete im Repräsentantenhaus mit kubanischen Wurzeln
Die rechtsgerichtete Abgeordnete Maria Elvira Salazar von den Republikanern, deren Partei eigentlich für eine knallharte Abschiebe- und Grenzpolitik steht, kritisiert das Vorgehen der Behörden. Zuletzt kam es dabei auch zu Pannen, als persönliche Daten von kubanischen Flüchtlingen ins Netz gestellt wurden. Salazar fordert deshalb einen Abschiebestopp.

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