: "Sie brauchen auch danach noch Pausen"
Einem Patienten steigen die Tränen in die Augen, als er beschreibt, wie erschöpft er ist. Eine andere bekommt kein einziges Wort heraus. Sie sitzen zusammen mit sieben anderen in einem der Konferenzräume einer Reha-Klinik im sachsen-anhaltinischen Bad Salzelmen.
Vorne referiert Christel Schreiber, Leiterin der Abteilung für Pneumologie, über Long- und Post-Covid. Sie und ihr Team wollen versuchen zu helfen - auch wenn viele Fragen noch offen sind. Immer wieder betont sie, dass es noch keine standardisierte Therapie gibt.
Der Unterschied zwischen Long-Covid und Post-Covid
Expert*innen unterscheiden bei der Behandlung von Folgen einer Covid-Erkrankung zwei Gruppen: Wer auch vier Wochen nach einer Covid-Erkrankung noch Symptome hat, gehört zu den Long-Covid-Patient*innen. Post-Covid-Patient*innen haben auch zwölf Wochen nach der Erkrankung noch Symptome oder sie treten zum ersten Mal auf.
Wie viele Menschen von Long Covid betroffen sind, ist noch unklar. Mehr dazu lesen Sie hier:
Bedarf an Reha-Plätzen unklar
Viele Betroffene - vor allem von Post-Covid - werden laut der Deutschen Gesellschaft für Medizinische Rehabilitation (DEGEMED) Bedarf an einer Reha haben. "Wie viele Patientinnen und Patienten dies genau sind oder sein werden, können wir nach heutigem Kenntnisstand leider nicht exakt prognostizieren", teilt die Deutsche Rentenversicherung (DRV) auf Nachfrage mit.
Das komplexe Krankheitsbild erschwert die Therapie. Die Beeinträchtigungen reichen oft von einer eingeschränkten Leistungsfähigkeit der Atemwege oder des Herz-Kreislaufsystems über das Fatigue-Syndrom, neurologische Einschränkungen wie dem Verlust von Sinnesorganen bis hin zu kognitiven Einschränkungen.

11.02.2022 | 03:09 min
Das Reha-Programm in Bad Salzelmen umfasst deswegen unter anderem Ergotherapie, Physiotherapie, Psychotherapie, Inhalation oder Atemmassagen. Die Klinik hat sich auf Post-Covid spezialisiert und feilt an fachübergreifenden Therapieplänen. Aber auch andere Kliniken behandeln die Folgen von Covid.
Einen Mangel an Reha-Plätzen sei deswegen aktuell nicht zu befürchten, so die DRV. "Da Sars-CoV-2 alle Organsysteme befallen kann, können auch alle Reha-Indikationen betroffen sein. Somit stehen im Moment ausreichend Kapazitäten an Reha-Plätzen zur Verfügung", teilt eine Sprecherin mit.
Der Weg zurück in den Alltag
Wie Omikron die Lage in den Reha-Kliniken verändert, ist ungewiss. Die Patient*innen, die Christel Schreiber und ihr Team zurzeit in Bad Salzelmen behandeln, waren Ende 2020 und Anfang 2021 mit der Delta-Variante infiziert.
Wie es bei Omikron mit Post-Long-Covid aussieht, das wissen wir alles noch nicht.
Aktuell hat die Klinik 50 der 250 Therapieplätze für Long-Covid-Patient*innen reserviert. Die, die zum Vortrag von Christel Schreiber gekommen sind, erzählen, dass sie vor ihrer Infektion voll berufsfähig waren. Sie arbeiteten auf dem Bau, als Lagerist oder Pflegerin.
Nun sind viele seit Monaten wie gelähmt. Manch einer ringt sogar beim Zuhören immer wieder nach Luft, andere können nur wenige Treppenstufen am Stück erklimmen oder vergessen auf dem Weg zur nächsten Gruppentherapie die Raumnummer.
Wenn ich in den Anträgen lese, 'Ich will mein altes Leben zurück', denk ich sofort: Das ist unrealistisch. Die Patienten brauchen auch danach noch Pausen.
Alles, was sie tun könne, sei Hilfsmittel mitzugeben, um ihren Patient*innen den Weg zurück in den Alltag zu erleichtern.
Ob das bei ihren Patient*innen gelingt, erfährt Schreiber in drei Wochen. So lange dauert ein Reha-Aufenthalt in der Regel. Dann will sie ihren Patient*innen nicht nur Übungen für Zuhause mitgegeben haben, sondern auch neuen Mut.