: Papst Franziskus - für eine offenere Kirche

von Jürgen Erbacher
13.03.2023 | 07:27 Uhr
Zehn Jahre ist Papst Franziskus im Amt. Spektakuläre Reformen der Kirche sind ausgeblieben, aber sie wurde offener, weniger moralisierend. Die Austrittszahlen bleiben dennoch hoch.
Papst Franziskus bei einer Audienz im Februar.Quelle: Andrew Medichini/AP/dpa
Wer bin ich, einen Homosexuellen, der Gott sucht, zu verurteilen?
Papst Franziskus im Sommer 2013
Mit dieser Aussage bei der ersten fliegenden Pressekonferenz im Sommer 2013 wenige Monate nach seiner Wahl ließ Papst Franziskus aufhorchen. Wenige Wochen später sagte er in seinem ersten Interview, dass die Kirche nicht immer nur über Moralfragen sprechen könne.
Es brauche eine neue Balance bei den Themen. Soziale Fragen seien mindestens genauso wichtig. Damit weckte der erste Papst aus der südlichen Hemisphäre große Hoffnungen bei vielen Menschen weltweit. Manche wurden erfüllt, andere nicht.

Papst Franziskus: Engagement für die Armen

Unermüdlich ist sein Einsatz für die Armen und an den Rand der Gesellschaft Gedrängten. Dabei schreckt er auch vor provokanten Thesen nicht zurück. "Diese Wirtschaft tötet", schreibt er in seinem ersten Lehrdokument im November 2013 und erntet vor allem in den Industrieländern scharfe Kritik.
Doch er sieht die Welt mit den Augen des Südens, kennt die negativen Seiten der Globalisierung. Deshalb ist er gerade mit Blick auf die weltweiten Wirtschafts- und Finanzströme kritisch. Denn aus seiner Sicht haben gerade junge Menschen und Familien dabei oft das Nachsehen.

Er verordnet der Kirche einen Paradigmenwechsel

Der erste große Akzent seines Pontifikats in den Jahren 2014 und 2015 gilt daher dem Thema Ehe und Familie. Er initiiert einen weltweiten Beratungsprozess. Dabei geht es zum einen um soziale und wirtschaftliche Fragen. Zum anderen aber auch um eine neue kirchliche Haltung in diesem Kontext.
Franziskus möchte, dass die Kirche weniger doktrinär und moralisch auftritt. Als langjähriger Erzbischof von Buenos Aires weiß er, dass es im Leben nicht nur Schwarz und Weiß gibt. Daher verordnet er seiner Kirche einen Paradigmenwechsel. Seine Maxime lautet:
Die Kirche ist keine Zollstation, sie ist das Vaterhaus, wo Platz ist für jeden mit seinem mühevollen Leben.
Papst Franziskus

Die katholische Kirche wurde durch ihn toleranter

Das hat ganz praktische Konsequenzen. Wer nicht zu 100 Prozent das katholische Ideal von Ehe und Familie lebt, soll fortan nicht mehr verurteilt werden. Die Kirche soll auf jede und jeden in der konkreten Situation zugehen und sie begleiten.
Dass die Katholische Bischofskonferenz in Belgien seit 2022 die Segnung gleichgeschlechtlicher Paare ermöglicht und das künftig auch in Deutschland offiziell möglich sein soll, ist eine Konsequenz davon, ebenso die Möglichkeit für wiederverheiratete Geschiedene in der Messfeier die Kommunion zu empfangen.

Die Synodalversammlung in Frankfurt hat eine Entscheidung getroffen: Homosexuelle Paare - und auch wiederverheiratete geschiedene Menschen - sollen gesegnet werden.

10.03.2023

Papst Franziskus bleibt viele Antworten schuldig

Ehe ohne Trauschein - unter den Vorgängerpäpsten war es noch undenkbar gewesen, das nicht zu verurteilen. Unter Franziskus ist das anders. Auch dass die Deutsche Bischofskonferenz 2022 das kirchliche Arbeitsrecht dahingehend reformiert hat, dass auch Homosexuelle und wiederverheiratete Geschiedene nicht mehr mit Kündigungen rechnen müssen, ist dem neuen offeneren Klima in der katholischen Kirche unter Franziskus geschuldet.
Doch trotz dieser neuen Offenheit kommt es bisher in seinem Pontifikat nicht zu Änderungen in der kirchlichen Lehre. Daher bleiben viele Anstöße wage und es ist für die Kirchen vor Ort oft schwierig, wie sie mit konkreten Fragen umgehen sollen. Gerade aus Deutschland wünschen sich sowohl Bischöfe als auch viele Gläubige, Franziskus änderte das Kirchenrecht und auch die Lehre entsprechend.

Gerade aus Deutschland kommt Kritik

Aber der Papst aus Lateinamerika möchte bisher nichts an der traditionellen Lehre als Ideal ändern. Zugleich kann er in der konkreten Situation mit Lösungen leben, die nicht zu einhundert Prozent dieser Lehre entsprechen.
Das hemmt grundlegende Reformen am Ende, die nicht zuletzt angesichts des Missbrauchsskandals in der Katholischen Kirche notwendig wären, um wieder Glaubwürdigkeit und Vertrauen bei den Menschen aufzubauen.
Daher gibt es gerade auch in Deutschland nach anfänglich großer Euphorie und Hoffnung auf Veränderung viel Kritik an Franziskus.

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