: Warum CO2-Kompensationen Menschen vertreiben

von Anna Fein
04.06.2023 | 13:06 Uhr
Seit 45 Jahren wird diskutiert, wie der Klimawandel aufgehalten werden kann. Ein Weg: Konsum soll klimaneutral werden durch CO2-Kompensationen - mit negativen Folgen wie in Uganda.

Immer mehr Unternehmen werben mit "klimaneutralen" Produkten. Doch viele Angebote entpuppen sich als Mogelpackungen ohne Umweltnutzen. Klimaschutz per Etikett - was ist dran?

26.05.2023 | 17:00 min
Kilometerweit erstrecken sich die Plantagen im Hinterland von Uganda. Karge Monokulturen, oft aus schnell wachsenden Arten wie Kiefern oder Eukalyptus. Es sind Aufforstungsplantagen. Durch sie sollen Wälder wiederhergestellt und so dazu beigetragen werden, das Klima zu schützen.
Denn Bäume haben die Fähigkeit, Kohlendioxid (CO2) aus der Luft aufzunehmen und den darin enthaltenen Kohlenstoff zu speichern. Darum gilt Aufforstung als eine der besten Lösungen, um den Kampf gegen den Temperaturanstieg auf der Erde zu gewinnen.

Mit Kompensationsprojekten CO2-Emissionen verringern?

Finanziert werden Plantagen wie die in Uganda durch Kompensationsprojekte. Das bedeutet: Durch den Kauf von CO2-Zertifikaten sollen CO2-Emissionen, die in einem Land ausgestoßen werden, anderswo wieder ausgeglichen werden. Dadurch lassen sich Produkte oder ganze Unternehmen "klimaneutral" rechnen. Quasi klimaneutraler Konsum also.
Für wenig Geld kann man diese Zertifikate über Anbieter im Internet kaufen. Millionen Tonnen CO2 sollen so schon eingespart worden sein. Mithilfe von Berechnungsformeln kann man seinen eigenen CO2-Fußabdruck ermitteln und diesen durch Kompensationszahlungen ausgleichen.

Immer mehr Unternehmen bieten Produkte an, die ressourcenschonend und klimaneutral hergestellt sind. Aber stimmt das wirklich?

28.07.2022 | 01:30 min
Und das zu Spottpreisen: Für kleines Geld kann man im Internet Bäume pflanzen lassen. Die Biologin und unabhängige Gutachterin Jutta Kill kritisiert dieses Verfahren:
Da wird eine Genauigkeit vorgegeben, die diese Zahlen überhaupt nicht hergeben.
Jutta Kill, Biologin und Gutachterin

Aufforstung zum Klimaschutz oft zeitlich begrenzt

Im Auftrag von NGOs reist Kill um die ganze Welt und erstellt Gutachten über Kompensationsprojekte. Ein Kritikpunkt: Oft laufen die Aufforstungsprojekte nur wenige Jahrzehnte.
Und viele Plantagen würden kommerziell betrieben. Es wird also auch ein Teil wieder abgeholzt. Das ist legal, solange immer eine durchschnittliche Menge an Kohlenstoff in den Plantagen gespeichert bleibt.
Neben dem Klimaschutz sollen Aufforstungsprojekte jedoch auch einen sozialen Nutzen haben. Viele Plantagen werden im globalen Süden gepflanzt, wie in Uganda. Ein großer Teil der Bevölkerung lebt in Armut.

Sendehinweis planet e. - "Abenteuer Arktis"

Sehen Sie alle planet e.-Dokus zum "Kampf ums Klima" ab jetzt in der ZDF-Mediathek.

Anlage von Plantagen als Ursache für Gewalt und Vertreibung

Die Aufforstungsprojekte sollen Arbeitsplätze schaffen und die Lebensqualität der Menschen verbessern. Doch das sei oft nicht der Fall, sagt Jutta Kill.
Viele der Projekte bringen Landraub mit sich. Menschen werden für die Anlage von Plantagen vertrieben.
Jutta Kill, Gutachterin für Kompensationsprojekte
"Sie dürfen keinen Wanderfeldbau mehr betreiben und müssen ihre Landnutzung grundlegend ändern", erklärt Kill. Gewalt und Vertreibungen seien keine Seltenheit.

Wegen Kompensationswäldern "Flüchtlinge im eigenen Land"

Etwa im Osten Ugandas, in der Nähe des Viktoriasees, wo heute Kiefernplantagen stehen. Früher hat er hier gelebt: Jackson Vasilyeva. Auch er wurde vertrieben: "Bevor die Plantagen hier gepflanzt wurden, lebten in diesem Gebiet Menschen. Sie haben hier Ackerbau betrieben, die Menschen hatten Häuser. Es gab Weideflächen."
Doch dann kamen die Soldaten. Sie haben die Bewohner festgenommen, geschlagen, misshandelt.
Jackson Vasilyeva
Heute leben die Menschen in bitterer Armut zurückgedrängt am Ufer des Viktoriasees. "Wir sind Flüchtlinge in unserem eigenen Land."

"Klimaneutral" - damit werben immer mehr Produkte. Aufforstungsprojekte sollen die Produktion kompensieren. Für die Projekte werden oft Menschen gewaltsam von ihrem Land vertrieben.

27.05.2023 | 01:29 min

Trotz Schlichtungskommission der Regierung keine Rückgabe von Land

In einigen Teilen des Landes regt sich allerdings Widerstand. Dorfgemeinden haben sich zusammengeschlossen. Sie sammeln Dokumente über den Besitz von Land und Krankenhausakten, die von den Gewalterfahrungen zeugen. Damit versuchen sie, Druck auszuüben auf die lokale Regierung.
Eine Schlichtungskommission der Regierung hat eine Siedlungszone am Viktoriasee festgelegt, die den Wohnraum der Menschen sichern soll.
Ihr Land haben die Bewohnerinnen und Bewohner allerdings nicht zurückbekommen und die Angst vor weiteren Vertreibungen ist allgegenwärtig. Die Aussicht auf Erfolg - auf die Rückgabe der Ländereien - ist gering. Der Konsum fürs Klima, zum Beispiel durch Kompensationsprojekte, hat also durchaus auch Schattenseiten.

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