: Warum wir Menschen im All brauchen

von Suzanna Randall
12.12.2021 | 09:18 Uhr
Menschen in den Weltraum zu schicken, ist gefährlich, teuer und aufwändig. Warum es trotzdem wichtig bleibt.

In der neuen Terra-X-Kolumne auf ZDFheute beschäftigen sich ZDF-Wissenschaftsjournalistinnen und -journalisten wie Harald Lesch, Mirko Drotschmann und Jasmina Neudecker jeden Sonntag mit großen Fragen der Wissenschaft - und welche Antworten die Forschung auf die Herausforderungen unserer Zeit bietet.
Das Weltall scheint zum Tummelplatz für Superreiche geworden zu sein. Jeff Bezos, Richard Branson & Co fliegen dort einfach mal zum Spaß hin. Weil sie es können. Da stellt sich immer wieder die Frage, ob wir keine anderen Probleme auf der Erde haben, und ob die Raumfahrt und besonders die astronautische Raumfahrt überhaupt sinnvoll ist.

Die astronautische Raumfahrt ist gefährlich, teuer und aufwändig

Klar ist, ohne die Raumfahrt sähe unsere Welt ganz anders aus: So wären moderne Telekommunikation, Navigation, Wettervorhersagen und sogar Klimaforschung ohne die Satelliten, die unsere Erde umkreisen, undenkbar.
Die Raumfahrt an sich ist wissenschaftlich wie wirtschaftlich rentabel und aus unserer Gesellschaft nicht mehr wegzudenken. Bei der astronautischen Raumfahrt hingegen scheiden sich die Geister: Menschen in den Weltraum zu schicken, ist gefährlich, teuer und aufwändig. Roboter müssen nicht ständig mit Sauerstoff, angenehmen Temperaturen und Speis und Trank versorgt werden. Sie brauchen keinen Schlaf und erledigen viele Aufgaben besser. Inzwischen können Raumsonden dank künstlicher Intelligenz sogar einige Entscheidungen selbstständig fällen. Zum Beispiel auf fremden Planeten an Hindernissen vorbei navigieren oder Gesteinsproben nehmen. Sie können sogar nach Spuren von Leben suchen. Wozu dann noch Menschen in den Weltraum schicken?
Dazu muss ich sagen: Ich bin befangen. Ich trainiere seit Jahren für einen Flug ins All als erste deutsche Frau. Aber es soll hier nicht um mich gehen, sondern um die Faktenlage.

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Viele Forschungsexperimente undenkbar ohne Menschen

Bei der Internationale Raumstation ISS beispielsweise ist die Sache relativ klar: die ISS ist auf Menschen ausgelegt. Viele der Forschungsexperimente können ohne Menschen nicht ausgeführt werden. Allen voran physiologische Experimente am menschlichen Körper: wer Daten zur langfristigen Auswirkung der Schwerelosigkeit auf Blutbild oder Gehirn möchte, braucht dort einen Menschen als Versuchsobjekt. Auch für Experimente zum menschlichen Immunsystem in Schwerelosigkeit oder zur psychischen Auswirkung von Isolation. Einige der Tests haben zum Ziel, Langzeitaufenthalte im Weltraum wie zum Beispiel bei einer Reise zum Mars für die Astronaut*innen so gesundheitsschonend wie möglich zu machen.
Da könnte man natürlich argumentieren, dass man diese Experimente nicht bräuchte, würde man keine Menschen in den Weltraum schicken. Allerdings kommen die Erkenntnisse der Forschung in der Schwerelosigkeit auch uns auf der Erde zugute: Alterungsprozesse oder Knochen- und Muskelschwund können quasi im Zeitraffer untersucht werden. Viele Geräte zum Muskelaufbau und zur Mobilisierung haben ihren Ursprung in der Weltraumforschung. Und auch Therapien für schwerwiegende Krankheiten wie Alzheimer, Parkinson oder Krebs werden auf der ISS erforscht.
Aber was ist mit Weltraumtouristen? In den letzten Monaten waren gleich mehrere Milliardäre - ganz ohne wissenschaftliche Agenda – auf Weltraumreise. Daraufhin hagelte es Kritik: Das Geld hätte man auch sinnvoller investieren können. Die vielen Raketenstarts seien schlecht für die Umwelt. Und überhaupt wären das alles profitgeile Egomanen. Soviel Reichtum sollte gar nicht erlaubt sein!

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Superreiche belasten die Umwelt mehr als Durchschnittsbürger

Ich kann diese Argumente durchaus nachvollziehen: natürlich wäre es schöner, wenn der Reichtum auf der Welt gerechter verteilt wäre und Geld nur in nachhaltige Projekte investiert würde. Die Superreichen belasten die Umwelt schon auf der Erde mit ihren Privatjets, Luxusreisen und Yachten weit mehr als der Durchschnittsbürger. Da macht ein Kurztrip in den Weltraum den Braten auch nicht mehr fett. Ob mit dem Privatjet über den Atlantik oder mal kurz in den Weltraum macht, was den CO2 Ausstoß angeht, kaum einen Unterschied. Wobei es in beiden Fällen angebracht wäre, die Umweltbelastung zu kompensieren, an Geld dafür mangelt es ja offensichtlich nicht.
Allerdings haben sich Bezos, Branson und Musk nicht nur einen Kindheitstraum erfüllt, sondern auch den technologischen Fortschritt vorangebracht. Sie haben mit innovativen Konzepten und wiederverwendbaren Kapseln und Boostern die Raumfahrt effizienter und umweltfreundlicher gestaltet.
Ich denke, es liegt in uns Menschen, Neues entdecken zu wollen. Aufzubrechen in unbekannte Sphären. Dorthin zu reisen, wo kein Mensch zuvor gewesen ist. Und auch unseren Planeten von außen zu betrachten, zu verstehen wie einzigartig und verletzlich er ist. Nicht alle der Unternehmungen der astronautischen Raumfahrt machen für sich gesehen Sinn, aber sie bringen uns vielleicht unserem Traum ein bisschen näher, die großen Rätsel zu lösen: "des Lebens, des Universums und des ganzen Rests." [Die Kolumne zur beliebten ZDF-Sendung und alle bisherigen Beiträge.]

Suzanna Randall ...

... ist promovierte Astrophysikerin und trainiert nebenbei als Astronautin. Schon in ihrer Abi-Zeitung stand: "Suzie will die erste Frau auf dem Mars werden." Daran hat sich bis heute nichts geändert. Bei Terra X Lesch & Co ergründet sie physikalische Phänomene - bevorzugt solche, die mit dem Weltraum zu tun haben. Dabei möchte sie vermitteln, dass (Astro-)Physik für alle verständlich sein und dabei richtig Spaß machen kann.

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