: Reichspogromnacht: Berlin gedenkt der Opfer

09.11.2022 | 06:00 Uhr
Der 9. November 1938 markiert einen der dunkelsten Tage deutscher Geschichte. Zum 84. Jahrestag der Reichspogromnacht wird der jüdischen Opfer gedacht. Ein schwieriges Unterfangen.
Zum 84. Jahrestag der Reichspogromnacht vom 9. November 1938 wird in zahlreichen Städten an eine der dunkelsten Stunden der deutschen Geschichte erinnert. In Berlin laden Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier und der Zentralrat der Juden um 11 Uhr zu einer Tagung ins Schloss Bellevue. Die Veranstaltung steht unter dem Titel: "Wie erinnern wir den 9. November? Ein Tag zwischen Pogrom und demokratischen Aufbrüchen."
Steinmeier (SPD) hatte bereits im vergangenen Jahr dazu aufgerufen, dieses Datum als Tag des Nachdenkens über Deutschland intensiver zu begehen. Er hatte dafür plädiert, beides anzunehmen: Scham und Trauer über die Opfer sowie Respekt und Wertschätzung für die Wegbereiter der Demokratie. Zum 9. November gehören neben der Programnacht auch helle Momente der deutschen Geschichte: Der Mauerfall 1989 und die Ausrufung der Republik 1918.

Debatte um Gedenkkultur zu Pogromen im Fokus

Vertreter des Judentums tun sich schwer damit, dass gleich mehrere denkwürdige Ereignisse auf diesen einen Tag fallen. Sie sorgen sich, dass damit die Erinnerung an die Reichspogromnacht von 1938 und die Gewalt der Nazis gegen Juden und ihre Gotteshäuser in den Hintergrund treten könnte.
Auch die Gedenkkultur steht vermehrt in der Kritik. Der Vizepräsident des Jüdischen Weltkongresses, Maram Stern betonte in einem Gastbeitrag für "Die Zeit", es sei zwar gut, an die Geschichte zu erinnern. Auch seien die Warnungen angebracht, eine Wiederholung der damaligen Untaten nicht zuzulassen.
Aber verhindern wir so tatsächlich eine Wiederkehr autoritärer oder gar totalitärer Herrschaft? Macht uns das Gedenken immun gegen Fremdenhass und Antisemitismus?
Maram Stern, Vizepräsident des Jüdischen Weltkongresses
Zahlreiche jüdische Geschäfte wurden am 9. November verwüstet. Das Bild ist am Morgen des 10. Novembers in Berlin aufgenommen.Quelle: AP
Bei der Tagung in Berlin wollen Zentralratspräsident Josef Schuster, Historiker und Politologen nun darüber debattieren, wie Gedenktage in Deutschland gelingen und die Erinnerungskultur weiterentwickelt werden können.

Pogrome: Gewaltauftakt gegen jüdische Bevölkerung

Mit der Pogromnacht vom 9. auf den 10. November 1938 begannen im nationalsozialistischen Deutschland direkte Gewaltaktionen gegen die jüdische Bevölkerung. Jüdische Geschäfte wurden geplündert und zerstört, Synagogen niedergebrannt. In dieser Nacht starben laut Bundeszentrale für politische Bildung mehr als tausend Juden. Rund 30.000 Menschen wurden verhaftet und verschleppt.
Am Morgen des 10. November versucht die Feuerwehr in Ober-Ramstadt zu verhindern, dass ein Feuer in einer Synagoge auf das Nachbargebäude übergreift.Quelle: United States Holocaust Memorial Museum
Als Vorwand für die Übergriffe diente den Nationalsozialisten das Attentat des aus Hannover stammenden 17-jährigen Juden Herschel Grynszpan auf den deutschen Diplomaten Ernst vom Rath am 7. November 1938 in Paris. Propagandaminister Joseph Goebbels nutzte die Gelegenheit, um bei einem Treffen von Parteiführern in München das Signal für die Gewaltaktionen zu geben. In der Öffentlichkeit versuchte die NS-Führung, die Welle der Gewalt als "spontanen Ausbruch des Volkszorns" erscheinen zu lassen.
An den Gewalttaten beteiligten sich vor allem SA- und SS-Männer und Parteimitglieder, vielerorts aber auch Teile der deutschen Bevölkerung. Das öffentliche Leben der Juden in Deutschland kam nach den Pogromen völlig zum Erliegen.
Quelle: epd, KNA, ZDF

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