Exklusiv

: Undercover: Wie Russland Sanktionen umgeht

von Armin Coerper, Vincent Tandler-Schneider, Michael Strompen
14.03.2023 | 15:10 Uhr
Für russisches Holz gilt ein Einfuhrverbot. Tatsächlich werden die EU-Sanktionen in großem Stil umgangen. Eine Schlüsselrolle spielen chinesische Firmen, wie frontal aufdeckt.

Neben Öl und Gas war es bis zum Ukraine-Krieg auch Holz, womit Russland hohe Einnahmen beim Rohstoffexport erwirtschaftete. Doch Sanktionen sollten diese Quelle versiegen lassen.

10.05.2023 | 12:11 min
Im April 2022 verkündete die Europäische Kommission das fünfte Sanktionspaket gegen Russland aufgrund des Angriffskriegs gegen die Ukraine. Darin enthalten: russische Holzprodukte, die nicht mehr in die EU eingeführt werden dürfen. So sollten der russischen Kriegswirtschaft die Geldflüsse aus dem millionenschweren Geschäft abgeschnitten werden.  
Eine Recherche der ZDF-Redaktion frontal zeigt nun: Russisches Holz gelangt nach wie vor in die EU. Vor allem mit Sperrholz aus russischem Rohmaterial werden Sanktionen umgangen. Eine Schlüsselrolle spielen dabei chinesische Holzhändler und Fabrikanten.  
Sperrholz ist ein besonders wichtiges Produkt für die deutsche Wirtschaft - vor allem aus russischer Birke. Denn diese gilt als besonders hochwertig. Die Hölzer werden vor allem im Bau oder für Möbel verwendet.

Springt China wirklich für Russland ein?

Ein Blick in die Importstatistik zeigt: China hat Russland seit Sanktionsbeginn beinah vollständig als Sperrholz-Lieferant ersetzt. frontal-Reporter haben undercover recherchiert und sich als Holzhändler ausgegeben. Der Name ihrer Scheinfirma: Spreewald Holzimport.
Schnell kamen sie in Kontakt mit den chinesischen Händlern. Die erzählen, dass beinahe das gesamte Birkenholz in chinesischen Fabriken aus russischen Wäldern stammt. Und dass der Rohstoff trotz Sanktionen nach wie vor nach Europa importiert wird - mal weiterverarbeitet, mal nur umetikettiert.
Seit fast einem Jahr führt Russland seinen Angriffskrieg gegen die Ukraine. Viele Russen zahlen dafür selbst einen hohen Preis und spüren im Alltag die Sanktionen des Westens:

20.02.2023 | 02:04 min
Auf den Papieren wird ausschließlich die chinesische Herkunft ausgewiesen. Für den Zoll oder Endkunden in der EU wird so der russische Ursprung des Holzes verschleiert. Ein chinesischer Händler schrieb den verdeckt agierenden frontal-Reportern auf Nachfrage:  
Wenn Sie russisches Sperrholz kaufen wollen, können wir das importieren, neu verpacken und in Ihr Land exportieren. Viele europäische Kunden entscheiden sich dafür.
Shandong Xingang, Holzhändler

Experte sieht Sanktionsverstoß

Ist dieses Prozedere mit den europäischen Sanktionen vereinbar? Experten sehen das skeptisch. Durch die Sanktionen sei nicht nur der direkte Bezug von russischem Holz aus Russland verboten, sondern auch der Umweg über Drittstaaten.
Das heißt, wenn ein Unternehmen durch einen Mittelsmann russisches Holz beispielsweise über einen Drittstaat wie China bezieht, dann ist das genauso ein Sanktionsverstoß wie der direkte Kauf aus Russland.
Tobias Ackermann, Rechtsanwalt für Außenwirtschaftsrecht 
Die Sanktionen sollten die russische Wirtschaft schwächen. Warum das nicht ausnahmslos gelungen ist:

Geld aus China-Importen fließt in Putins Machtzirkel

Johannes Zahnen, Experte für Holzpolitik bei der Umweltorganisation WWF, ist wenig überrascht von der Recherche: "Die Händler haben nichts zu befürchten, es wird eh nicht kontrolliert." 
Besonders brisant: Mit den größten russischen Holzkonzernen in Oligarchen-Hand fließt das Geld für Sperrholzimporte aus China direkt in den Machtzirkel von Präsident Putin. Einer der Magnaten steht sogar auf der EU-Sanktionsliste. So sind die Reporter als Holzhändler getarnt direkt mit dem Chef eines chinesischen Unternehmens, das einen Sitz in Hamburg unterhält, in Kontakt getreten.
Bei einem persönlichen Treffen, das mit versteckter Kamera gefilmt wurde, bietet der Mann sogar ausdrücklich Holz des Segezha-Konzerns an. Auch hier ist der Chef direkt mit Putins Machtzirkel verbandelt.
Das Volk geschlossen hinter Putin - so zeigt sich der Kreml gerne. Doch der Rückhalt in der Bevölkerung ist nicht immer so breit, wie Moskau darstellt:

21.02.2023 | 12:14 min

Experte: Embargo ohne Kontrolle hat quasi "keine Wirkung"

Experten wie Johannes Zahnen fordern daher strengere Kontrollen. Neben einer stärkeren Beobachtung des Holzmarktes müssten die Behörden auch mit Hilfe von Laboranalytik testen, ob Händler falsche Herkunftsangaben machen.  
Wenn wir ein Embargo erlassen, das aber nicht streng kontrollieren, dann hat es quasi keine Wirkung in der Praxis. Dann ist es ein 'Feel-Good-Gesetz'.
Johannes Zahnen, Experte für Holzhandel WWF
frontal-Recherchen weisen nach, wie einfach die Sanktionen umgangen werden. Das Geschäft mit dem Holz, das zu den kostbarsten Rohstoffen Russlands zählt, geht demnach einfach weiter.
Aktuelle Meldungen zu Russlands Angriff auf die Ukraine finden Sie jederzeit in unserem Liveblog:
Quelle: ZDF frontal

Themen

Aktuelle Nachrichten zur Ukraine