: Wie Abwasser eine ganze Siedlung heizt
von Michael Sommer, Wien
23.07.2022 | 09:12 Uhr
Abwasser hat großes Potenzial. Selbst im Winter ist es 10 bis 20 °C warm. Der Energietechniker Dietmar Stampfer hat ein revolutionäres Konzept für Heizanlagen im Wohnbau entwickelt
11.07.2022 | 01:51 minDie Siedlung von ursprünglich 75 Wohnungen im Salzburger Vorort Aigen war in die Jahre gekommen und sanierungsbedürftig. Geheizt wurde mit einer Gaszentralheizung. Bei der Generalsanierung ging man gleich in mehrfacher Hinsicht innovative Wege: neben der Aufstockung auf 99 Wohnungen in Holzbauweise leitete man auch gleichzeitig den Abschied von der fossilen Energie ein.
Die Energieerzeugung erfolgt mittlerweile in einem vollökologischen Kreislauf. Kernstück ist die sogenannte "Abwasser-Heizung". "Dieser Schacht fasst 30.000 Liter", erklärt Energietechniker Dietmar Stampfer die Elemente seiner "Abwasser-Heizung". Er zählt zu den Tüftlern und Visionären, wenn es um neue Wege in der Energietechnik geht.
Abwasser als Energiequelle für Heizanlage
Bei dem Prozess wird Abwasser aufgefangen, Abluft und Wasser Energie entzogen und dann in den Wasser- beziehungsweise Heizkreislauf zurückgeführt. Nur eine geringe Unterstützung durch Solarenergie ist nötig. Der Prozess ist einfach zu erklären: "Ein Wärmetauscher entzieht dem Wasser Energie, über eine solarbetriebene Wärmepumpe geht es dann in den Pumpspeicher", so Stampfer.
"Bei circa 250 Bewohnern fallen relativ viele Mengen an Abwasser an, in etwa 25.000 - 30.000 Liter täglich, da ist unglaublich viel Energie darin enthalten, die bisher völlig ungenutzt im Kanalsystem landete." In den Wohnungen sind eigene Abluftventilatoren in Betrieb. Die neue Heizanlage ging mit Januar 2022 in Betrieb.
Bewohner von aktueller Preisexplosion nicht betroffen
Gerade bei größeren Wohnanlagen ist das Potenzial enorm, pro Person rechnet man mit 120 Liter Abwasser täglich. Weiterer Vorteil des Systems: Neben Heizung und Warmwasser können die Gebäude an heißen Sommertagen auch gekühlt werden.
Für den neuen Mieter Markus Wallmann, der im Januar mit seiner Frau und den zwei Kindern hier eingezogen ist, hat sich durch den Einzug vieles verändert: "Wir wissen jetzt in Zeiten der Klimakrise, wenn wir hier etwas einschalten, Strom verbrauchen oder die Heizung einschalten, belasten wir nicht die Umwelt. Und der zweite Effekt ist natürlich das Geld, wir sind von den momentanen Preissteigerungen nicht betroffen."
Ein Forschungsprojekt der FH-Salzburg, Campus Kuchl begleitet das Projekt und wertet online die Daten aus. Und Dietmar Stampfer hat schon die nächsten zwei Wohnanlagen mit 155 beziehungsweise 250 Wohnungen in Planung.