: Frischer Wind und neue Antriebe

von Jakob Groth
14.01.2023 | 16:59 Uhr
Frachtschiffe und Kreuzfahrtriesen verschmutzen die Luft und heizen den Klimawandel an. Die Zukunft gehört innovativen Antrieben. Ein Ostfriese hat den Wind zurück an Bord geholt.

Feinstaub, Ruß und umweltschädliches Schweröl als Kraftstoff: Frachter und Kreuzfahrtriesen sind wahre Klimakiller. Höchste Zeit für einen Kurswechsel auf den Meeren.

14.01.2023 | 29:54 min
Ein gewisser Stolz ist in Ralf Oltmanns Gesicht abzulesen. Hier in Brunsbüttel steuert gerade ein klimafreundliches Schiff in den Nord-Ostsee-Kanal. Die "Annika Braren" fährt seit 2021 mit einem Flettner-Rotor: ein zusätzlicher Windantrieb, den der 64-Jährige aus Ostfriesland entwickelt hat.
In den 1970ern fuhr Oltmanns selbst auf Schiffen, gründete dann aber eine Werbeagentur in Leer. 2007 vollendete er sein Nautik-Studium und wurde doch noch Kapitän. Schließlich gründete ein Start-Up mit dem Ziel, den Wind in die motorisierte Schifffahrt zurückzuholen.

Segelmaschine sorgt für kostenlosen Schwung

Ralf Oltmanns geht an Bord der "Annika Braren". Der 86-Meter lange Frachter fällt schon von Weitem auf: An Deck ragt oberhalb des Bugs ein weißer Zylinder in den Himmel, 18 Meter hoch. "Trotz Stürmen und Wellen steht er wie eine Eins", freut sich der Tüftler nach einer kurzen Inspektion. Der Flettner-Rotor ist eine 100 Jahre alte Erfindung, die Oltmanns mit seinem Unternehmen "Eco Flettner" zu einer modernen Klima-Lösung weiterentwickelt hat.
Quelle: ZDF
Der Rotor funktioniert praktisch wie ein Segel. Allerdings dreht er sich im Wind, erzeugt dadurch Luftströmungen und zieht das Schiff nach vorn. "Je nach Größe des Rotors und Windverhältnissen, spart ein Frachter damit zwischen fünf und 25 Prozent Treibstoff ein”, rechnet Oltmanns vor.
Zehntausende Fracht- und Passagierschiffe könnten mit einem oder mehreren Rotoren nachgerüstet werden. Und damit am Tag tonnenweise CO2 einsparen. Angesichts steigender Spritpreise und höherer EU-Klimaschutzauflagen erwarten Expert*innen in den nächsten Jahren den Durchbruch von Wind-Technologien in der Schifffahrt. "Das wird ein Erfolg", davon ist Oltmanns überzeugt.

Der Magnus-Effekt

Der Flettner-Rotor wird nicht vom Wind, sondern durch einen Elektromotor zum Drehen gebracht. So bildet sich eine Luftströmung um den Rotor herum. Trifft dann Wind auf den Rotor, entstehen Druckunterschiede, die letztlich das Schiff nach vorne ziehen.

Eine Branche im Aufwind

Neben dem internationalen Comeback der Flettner-Rotoren, werden auch weitere Windlösungen vorangetrieben. Airbus und andere Firmen setzen auf riesige Kites, Drachensysteme, die große Schiffe ziehen sollen. Hohe Erwartungen weckt auch eine neue Generation Segelschiffe: In Schweden etwa soll 2025 die "Oceanbird" vom Stapel laufen. Ein 200-Meter-Frachter, der dank innovativer Tragflächen-Segeln fast ausschließlich mit Wind fahren soll. Ziel ist eine CO2-Ersparnis von 90 Prozent.

Innovative Antriebe: Norwegen fährt voraus

Auch innovative Antriebe stehen in den Startlöchern. Statt mit fossilen Brennstoffen, fahren erste Schiffe bereits mit Methanol, Ammoniak oder Wasserstoff. Diese E-Fuels werden in Zukunft eine größere Rolle vor allem in der emissionsfreien Hochsee- und Containerschifffahrt spielen.

Globale Schifffahrt

Etwa 90 Prozent des Welthandels wird über Schiffe abgewickelt. Der Seeverkehr verursacht 2,9 Prozent der globalen CO2-Emissionen. Trotz großen Wachstums will die Internationale Schifffahrtsorganisation (IMO) die Klima-Emissionen bis 2050 halbieren.
Eine besonders schnelle Wende vollzieht aktuell Norwegen. In keinem anderen Land sind so viele Elektro-Schiffe unterwegs, allein 80 Fähren fahren mit Batterie. Und auch der See-Tourismus wird grüner: In die berühmtesten Fjorde dürfen ab 2026 nur noch emissionsfreie Schiffe einfahren. Auch deshalb läuft auf der traditionellen Küstenroute neuerdings ein Wettrennen um die saubersten Schiffe.
Denn Hurtigruten hat mit Havila einen neuen Konkurrenten bekommen. Beide Reedereien setzen auf neue Hybrid-Antriebe und geben an, die CO2-Emissionen auf ihren neuesten Schiffen um 25 Prozent gesenkt zu haben. Außerdem plant Norwegen, in allen wichtigen Häfen Landstromanlagen aufzubauen, damit Schiffe dort grünen Strom beziehen können.

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