Die Gründer*innen der App, Carolin Strehmel und Vanessa Meyer, wollen, dass Sexualkundeunterricht endlich zeitgemäß und auf dem aktuellen Stand der Wissenschaft unterrichtet wird. Themen wie sexualisierte Gewalt und sexuelle Vielfalt sollen so einen Platz in der Schule finden.
Durch einen zu vollen Lehrplan findet Sexualkunde meist nur kurz und in der Regel allein im Biologieunterricht statt. Eigentlich wurde aber bereits 1968 auf der Kultusministerkonferenz beschlossen, dass Sexualkunde fächerübergreifend unterrichtet werden soll. Diese Problematik kritisiert auch Heinz-Jürgen Voß. Er ist Professor für Sexualwissenschaften und sexuelle Bildung an der Hochschule Merseburg.
"Sie haben eher Stereotype im Kopf, versuchen ihnen nachzueifern und können sich nicht auf ihre eigene Individualität einlassen", erläutert Voß weiter.
Sexualkundeunterricht fehlt nicht nur an Schulen, sondern auch an Universitäten: In vielen Lehramtstudiengängen ist Sexualkunde kein fester Bestandteil. Selbst im Biologiestudium ist es in einigen Bundesländern nur ein Wahlfach.
Die Hochschule Merseburg hat eine Studie zur sexuellen Bildung im Lehramt durchgeführt: 90 Prozent der Befragten hatten demnach während ihrer Ausbildung nie etwas zu sexueller Bildung und 95 Prozent nie etwas zur Prävention von
sexualisierter Gewalt gehört. Trotzdem sollen sie es den Schüler*innen lehren und sind neben dem Lehrbuch, das häufig Lücken aufweist, auf sich selbst gestellt.
Professor Voß ist bei vielen Lehrbüchern aufgefallen, dass die schematischen Darstellungen oftmals auf Jungs fokussiert seien. Darin wird häufig zwar klar gezeigt, wie eine Erregung und Ejakulation bei Jungen abläuft, aber Mädchen würden nur als "Beiwerk" behandelt, so Voß.
Dadurch würde unter anderem "eine problematische Darstellung von
Männlichkeit und Weiblichkeit vermittelt." Durch mangelnde Aufklärung könne es zusätzlich dazu kommen, dass Übergriffe begünstigt würden, so Voß, "weil überhaupt nicht klar ist: Wo beginnt der Übergriff, wann ist etwas eine einvernehmliche Handlung".
Genau solche "übergriffigen Situationen" können mit der App "Knowbody" nachvollziehbar im Unterricht behandelt werden. Die App zeigt Situationen von
Diskriminierung, sexualisierter Gewalt und Ähnlichem in Form von gezeichneten Szenen. Mithilfe einer Ampel-Funktion können Schüler*innen dann bewerten, wie sie die Situation empfinden. Rot steht dann zum Beispiel für grenzüberschreitend, gelb für kritisch und grün für unbedenklich.
Die Schüler*innen lernen so, wie sie sich zum Beispiel vor sexualisierter Gewalt schützen können. Die Übungen haben die Macherinnen der App, Carolin Strehmel und Vanessa Meyer, gemeinsam mit Pädagog*innen, Lehrkräften, Designer*innen und Programmierer*innen ausgearbeitet.
Die Entwicklung von "Knowbody" wurde vom NRW-Gründerstipendium gefördert. Verschiedene Stiftungen und Preisgelder ermöglichten die App-Entwicklung und schließlich die Pilotphase, die vom Bundeswirtschaftsministerium co-finanziert wird. Ab Herbst können Schulen Lizenzen für die App kaufen und ihren Schüler*innen dann kostenlos zur Verfügung stellen.
Bis dahin wird die Anwendung für Tablets und Smartphones mit Feedback aus der Pilotphase überarbeitet. Ohnehin der große Vorteil von Apps im Unterricht: Im Gegensatz zu Schulbüchern können sie regelmäßig korrigiert und aktualisiert werden.