: Digitale Landwirtschaft - Fluch und Segen
Um den wachsenden Bedarf an qualitativ hochwertigen Produkten zu decken, setzen die Landwirte auf digitale Innovationen wie etwa Drohnen, Agrar-Apps und GPS-gesteuerte Roboter. Die moderne Technologie hat die Arbeitsabläufe auf dem Feld sowie im Stall grundlegend verändert. Das Bundesamt für Naturschutz (BfN) beobachtet diese Entwicklung aber mit Skepsis.
Ob und wie die Digitalisierung zur Bewältigung der drängenden globalen Krisen wie dem Klimawandel und Biodiversitätsverlust beitragen kann, ist offen.
Vor diesem Hintergrund hat sie eine Studie in Auftrag gegeben, mit der Fragestellung, inwieweit eine digitalisierte Agrarwirtschaft signifikante Nutzen für die biologische Vielfalt bringt. Wissenschaftler des Leibnitz-Zentrums für Agrarlandschaftsforschung (ZALF) sowie des Instituts für ökologische Wirtschaftsforschung (IÖW) haben die Studie durchgeführt.

Bedrohte Wildinsekten: wie sich Vielfalt retten lässt. Warum immer mehr junge Landwirte auf Bio setzen. Und: Hühner im mobilen Stall sorgen für Ärger mit Behörden.
08.03.2023 | 28:48 minKluft zwischen Theorie und Praxis in der Landwirtschaft
Wenn weniger Düngemittel gezielter ausgebracht werden, entlastet das die Ökosysteme in Böden und Gewässern. Wenn leichtere Roboter und Landmaschinen zum Einsatz kommen, wird der Boden weniger stark verdichtet - so lautet die Formel der Digitalisierung.
Die Realität aber sieht anders aus. Denn die Forschenden vom IÖW und ZALF stellen fest: Aktuell werden technische Neuerungen in der Agrarbranche meist nicht für ökologische Verbesserungen entwickelt, sondern in erster Linie für die Ertragssteigerung oder Arbeitserleichterungen. "Wenn sich dieser Trend fortsetzt, rückt eine nachhaltige Transformation der Landwirtschaft in weite Ferne", meint Lea Kliem vom IÖW.
Die deutschen Landwirte sind auf Erntehelfer aus Osteuropa angewiesen. Jedes Jahr kommen bis zu 300.000 Saisonarbeitskräfte aus Rumänien und Polen.
08.07.2021 | 43:49 minDie Autoren der Studie stellen zudem fest, dass die Digitalisierung Rebound-Effekte hat. Beispiel Wassermanagement: Die Bewässerung eines Feldes wird durch digitale Technik effizienter. Doch die damit einhergehende Einsparung wird wieder wettgemacht. Denn es werden mehr Nutzpflanzen angebaut, das heißt der Wasserbedarf ist höher als zuvor. "Auch schwer zugängliche Nischenflächen, die derzeit der Natur überlassen bleiben, können durch Feldroboter bewirtschaftet werden", ergänzt Kliem.
Politik könnte Digitalisierung in der Landwirtschaft fördern
Die Studie empfiehlt daher eine Reform der Förderprogramme. Nur mit Hilfe einer "smarten" Landwirtschaft ließen sich Schutz und Erhalt der Biodiversität verbessern. "Erst wenn Biodiversitätsschutz als Leistung für das Gemeinwohl gewürdigt wird, werden Landwirt*innen digitale Technologien gezielt dafür einsetzen", sagt Sonoko Bellingrath-Kimura, Co-Autorin der Studie.
Auf europäischen Feldern wird gespritzt, was das Zeug hält. 93 Prozent der Obst- und Gemüseproben weisen Rückstände von insgesamt 226 Pestizidwirkstoffen auf.
12.01.2022 | 04:35 minZudem sollte die Politik nur solche digitalen Innovationen fördern, die klare Potenziale für Natur- und Umweltschutz bieten. Übersetzt heißt das: Keine Förderung für hochtechnisierte Roboter, die unzugängliche Naturflächen urbar machen. Und auch kleinen Betrieben soll smarte Landwirtschaft ermöglicht werden.
Botschaft an die Grüne Woche
"Gewinner der Digitalisierung sind bisher die Agrarkonzerne, die die Technologien bereitstellen und große Daten an Nutzerdaten auswerten können", kritisieren die Autoren der Studie. Das festige die ökonomische Vormachtstellung der Konzerne.
Nach zwei Jahren Coronapause findet in Berlin wieder die Grüne Woche statt. Ein Thema dort sind die hohen Lebensmittelpreise.
20.01.2023 | 01:29 minDadurch gäbe es immer mehr Hightech für immer größere Agrarbetriebe. "Dabei braucht Artenvielfalt auch eine Vielfalt an Betrieben und Anbausystemen", so die Autoren. Eng verknüpft sei eine Umwandlung zur nachhaltigen, smarten Technik sowohl auf dem Feld als auch im Stall.
Die anlässlich der Grünen Woche in Berlin veröffentlichten Studie kommt zum Schluss: Ein effizienterer Einsatz von Ressourcen allein reicht nicht aus, um substanzielle Verbesserungen im Klima- und Biodiversitätsschutz zu erzielen.
Klar ist, dass wir das Ziel einer nachhaltigen Transformation der Landwirtschaft nur erreichen, wenn der Natur- und Umweltschutz auch für die digitalisierte Agrarwirtschaft zum Leitziel wird.