: Falsches Spiel mit der Nachhaltigkeit?

von C. Brügmann und A. Fein
19.11.2022 | 16:49 Uhr
Sportartikel aus recyceltem Plastikmüll sind auf dem Vormarsch. Selbst Billigproduzenten schließen sich dem Trend an. Aber ist das neue Umweltbewusstsein wirklich ernst gemeint?

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14.12.2022 | 28:50 min
Die Sportindustrie hat ihr grünes Gewissen entdeckt. In groß angelegten PR-Kampagnen versprechen Branchengrößen nachhaltige Sportartikel, die nicht nur Müll vermeiden sollen, sondern Abfall zum neuen Hauptbestandteil erheben.
Damit reagieren die Produzenten auf den zunehmenden Wunsch nach mehr Nachhaltigkeit und Umweltbewusstsein.

Nachhaltigkeit für kleines Geld

Der Trend zu grüner Mode hat auch den französischen Sportriesen Decathlon erfasst. Das Unternehmen führt seit 2017 mit "Eco-Design" ein neues Label, das für nachhaltigere Produkte und Herstellungsprozesse stehen soll. Stand heute erfüllen zwar erst zehn Prozent den Nachhaltigkeitsstandard der neuen Eco-Design-Linie, bis 2026 möchte das Unternehmen diese Quote aber auf 100 Prozent steigern.
Möglich macht das vor allem recycelter Polyester, der meist aus alten PET-Flaschen hergestellt wird, die zuerst recycelt und dann wieder zu einem Polyestergarn versponnen werden. Am Ende sollen neue T-Shirts, Shorts oder Schuhe aus Plastikmüll entstehen.

Große Zweifel am Ursprung der Sportartikel

Das recycelte Polyestergarn kauft Decathlon bei Partnerfirmen weltweit und kontrolliert den Gehalt des recycelten Materials über Herkunftsnachweise, was bei Thomas Fischer von der Deutschen Umwelthilfe in Berlin für Misstrauen sorgt:
Häufig wird aus Asien importiert und an dieser Stelle ist meistens unklar, wo das Material wirklich herkommt.
Thomas Fischer, Deutsche Umwelthilfe
Der Experte für Kreislaufwirtschaft vermutet, dass Neumaterial von den Zulieferern einfach als "recycelt" deklariert werden könnte. Um dieser Frage nachzugehen, hat der TÜV Süd eine Analysemethode entwickelt, mit der der Gehalt an recyceltem PET in den Sportartikeln nachgewiesen werden kann.
In drei von zehn untersuchten Decathlon-Artikeln, die ein Eco-Design-Label tragen und laut Etikett mindestens 60 Prozent-Anteil an recyceltem Polyester enthalten, konnte das Prüfunternehmen allerdings keinerlei Spuren von PET-Flaschen nachweisen.

Zweifel an Decathlon-Erklärung

Gegenüber dem ZDF betont Decathlon, dass PET-Flaschen der Hauptbestandteil des recycelten Polyesters seien. Ein Teil des Garns werde aber auch aus recycelten Industrieabfällen gewonnen, man werde das intern rückverfolgen.
Das Ergebnis dieser Untersuchung teilt Decathlon später mit: Bei allen drei betroffenen Artikeln handele es sich um Produkte, die aus recycelten Alttextilien hergestellt werden, entsprechende Herkunftsnachweise belegen die Aussagen.
Dass die drei Massenartikel für kleines Geld wirklich aus gesammelten Alttextilien hergestellt werden können, bezweifelt aber der Nachhaltigkeits- und Recyclingexperte von der Hochschule Reutlingen, Kai Nebel: "Wo sollen die herkommen? Wo werden die gesammelt? Das ist sehr undurchsichtig und logistisch alleine schon fragwürdig."

Greenwashing auch bei Adidas

Zweifel an der Ernsthaftigkeit des neuen Nachhaltigkeits-Bewusstseins gibt es nicht nur bei Decathlon, auch Adidas hat recyceltes Polyester für sich entdeckt. Neben den Trikots der deutschen Fußballnationalmannschaft soll auch der offizielle Ball der WM zu 20 Prozent aus recyceltem PET hergestellt sein.
Auf dem Ball befindet sich zudem ein Aufkleber, der auf Adidas Nachhaltigkeitswebseite mit der Überschrift "End Plastic Waste" verweist. Recherchen zeigen allerdings, dass diese Angabe nur für den offiziellen Spielball gilt, der im Adidas-Shop für 150 Euro zu kaufen ist.

Müll. Morgens vor die Tür gestellt, mittags schon entsorgt. Dabei bergen Mülltonnen wahre Schätze. Forschende fahnden mit Hightech danach. Sparen wir so knappe Ressourcen?

06.09.2022 | 29:49 min
Die sogenannten Replica-Bälle, also verschiedene Versionen des WM-Balls für die breite Masse und deutlich weniger Geld, sind alle komplett aus Neumaterial gefertigt. Trotzdem befindet sich der Link zur Nachhaltigkeitsseite auch auf diesen Bällen.
Für Thomas Fischer ist das Urteil klar:
Das halte ich für unanständig und sogar verbrauchertäuschend.
Thomas Fischer, Deutsche Umwelthilfe

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