: Planetarium-Chef bemängelt Lichtverschmutzung

09.08.2022 | 12:35 Uhr
Der Direktor des Berliner Zeiss-Großplanetariums Horn fordert verstärkte Bemühungen für ein Ende der Lichtverschmutzung in Städten. Das soll auch Vorteile für Stadtbewohner haben.
Die vielerorts geplanten Energiesparmaßnahmen durch weniger Fassadenbeleuchtung seien auch eine Chance für den Umweltschutz, so Horn.Quelle: dpa
Dass manche Gebäude in Berlin nachts nicht mehr angestrahlt werden, hat nach Meinung von Planetariumschef Tim Florian Horn auch Vorteile. Nicht nur für Astronominnen und Astronomen sei das gut, sondern auch für die Pflanzen- und Tierwelt, die einen natürlichen Tag-Nacht-Rhythmus brauche, sagte der Vorstand der Stiftung Planetarium Berlin der "Berliner Zeitung" (Dienstagausgabe).
Auch Menschen schlafen durch das viele Licht in der Stadt anders, und sogar der Hormonhaushalt wird davon beeinflusst.
Tim Florian Horn, Planetariumschef
Berlins Umweltsenatorin Bettina Jarasch (Grüne) hatte wegen der drohenden Energiekrise angekündigt, dass zahlreiche öffentliche Objekte in der Hauptstadt nachts nach und nach nicht mehr angestrahlt werden sollen, um Strom zu sparen. Dabei handelt es sich um etwa 200 Gebäude und Wahrzeichen wie Siegessäule, Gedächtniskirche, Berliner Dom und Rotes Rathaus.

Horn: LED-Licht in blauem Farbspektrum schädlicher

"In Berlin gibt es viel Lichtschmutz", sagte Horn. "Man kann die Stadt deshalb auch aus dem All sehr schön sehen. Sogar die Ost-West-Teilung kann man aufgrund der unterschiedlichen Glühbirnen in den Straßenlaternen noch erkennen." Der Westen leuchte mit LED-Lampen heller und bläulicher, der Osten in einem eher warmen Licht. Das LED-Licht sei eher in einem blauen Farbspektrum und für Pflanzen und Tiere schädlicher.
Horn sprach sich in dem Interview dafür aus, für Berlin grundsätzlich ein Lichtschutzkonzept zu entwickeln. "Mir geht es darum, wie man auch in einer Großstadt eine Beleuchtung hinbekommen kann, die nicht krank macht", betonte der Direktor des Zeiss-Großplanetariums.

"Aus Berlin eine Lichtschutzstadt machen"

Horn rief dazu auf, die Energiesparbemühungen für eine Initiative zur Rettung der Nacht in Berlin zu nutzen. Das hessische Fulda habe als erste Stadt in Deutschland ein Lichtschutzkonzept entwickelt. "Warum sollen wir nicht zusammen mit der Umweltverwaltung überlegen, wie wir aus Berlin eine Lichtschutzstadt machen können und damit aus der Not eine Tugend machen", fragte der Astronom.
Dann werde es nicht so sein, dass man plötzlich wieder die Milchstraße sehen könne. Das könne man in Westeuropa nur noch an wenigen Orten, etwa im Sternenpark Westhavelland.
In Berlin kann man nachts nur noch ein, zwei Dutzend Sterne sehen.
Tim Florian Horn, Planetariumschef
"Eigentlich wären es 3.500 Sterne. Vielleicht werden es mit einem Lichtschutzkonzept wirklich wieder ein paar mehr sein."

Fakten zur Lichtverschmutzung

Immer mehr Lichtquellen an Häusern und anderen Bauwerken, auf Industriearealen, an Werbetafeln, entlang von Wegen und Straßen, aber auch in Parks und privaten Gärten machen die Nächte in unserer dicht besiedelten Landschaft viel heller. Sie verursachen zwar keinen sichtbaren Dreck, trotzdem spricht man dabei von Lichtverschmutzung.

Die Lichtquellen wirken im Ökosystem wie ein Staubsauger: So zeigte eine Studie des IGB (Leibniz Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei) auf einem Versuchsfeld im Westhavelland, dass an erleuchteten Straßenlaternen bis zu 260 Mal so viele Insekten schwirren wie in der dunklen Umgebung.

Bei dunklem Himmel kann man etwa 3.000 bis 4.000 Sterne sehen, in einer hellen Stadt kaum 100, weil die Nacht durch künstliches Licht massiv aufgehellt wird. Die Nachthelligkeit nimmt inzwischen weltweit um zwei bis sechs Prozent pro Jahr zu.

2017 sorgte die sogenannte Krefelder Studie für Aufsehen: Demzufolge ist die Biomasse von Fluginsekten in den letzten 27 Jahren um über 75 Prozent zurückgegangen. Insekten sind auf die Unterschiede von Hell und Dunkel angewiesen. Künstliches Licht verändert das Verhalten der Insekten. Bei Nachtfaltern hat man nachgewiesen, dass die Vielfalt der gesammelten Pollen und die Fortpflanzungsaktivität der Weibchen in der Nähe der Lichtquellen abnimmt. Zudem werden die Insekten im Lichtkegel zur leichten Beute für Räuber.  

Am 1. März 2022 trat ein neues Bundesgesetz zum Schutz der Insekten in Kraft. Demnach sollen die schädlichen Auswirkungen von Lichtverschmutzung auf Insekten eingedämmt werden. In Naturschutzgebieten gilt künftig ein grundsätzliches Verbot für neue Straßenbeleuchtungen und für leuchtende Werbeanlagen. Außerdem können der Betrieb von Himmelsstrahlern – sogenannten Skybeamern – beschränkt und Insektenfallen durch künstliche Lichtquellen verboten werden.

Christine Elsner, ZDF-Umweltredaktion

Quelle: dpa, epd