: Reformprozess: Bischöfe unter Druck

von Jürgen Erbacher
26.09.2022 | 06:43 Uhr
Ein Riss geht durch die Bischofskonferenz. Reformer und Gegner von Veränderungen stehen sich unversöhnlich gegenüber. In Fulda beraten sie, wie Stillstand vermieden werden kann.
Der Schock sitzt noch tief vom ersten Tag der Vollversammlung des "Synodalen Wegs" Anfang September in Frankfurt. Das Grundsatzpapier zur Erneuerung der katholischen Sexualmoral erzielte eine überwältigende Mehrheit der rund 200 Anwesenden, scheiterte aber an der Sperrminorität der Bischöfe.
Erzielt ein Text in der entscheidenden letzten Abstimmung nicht die Zweidrittelmehrheit der Bischöfe, gilt es als nicht angenommen. Das große Reformprojekt "Synodaler Weg" stand vor dem Scheitern. Nach mehrstündigen Krisensitzungen, getrennt nach Bischöfen und dem Rest der Versammlung, konnte das Treffen fortgesetzt werden und fortan erhielten alle Texte die notwendigen Mehrheiten.

Meinungsverschiedenheiten erstmals sichtbar in Öffentlichkeit

Doch es war offenkundig: Während unter den Laien, Priestern und Ordensleuten die große Mehrheit für Veränderungen steht, sieht das bei den knapp 70 Bischöfen anders aus. Hier zeigte die Synodalversammlung von Frankfurt, wie groß die Meinungsverschiedenheiten unter den Bischöfen sind.
Neu ist das nicht, doch wurden sie erstmals so klar in die Öffentlichkeit getragen. Während die Debatten bei den Vollversammlungen der Bischofskonferenz hinter verschlossenen Türen stattfinden, mussten beim "Synodalen Weg" die Bischöfe öffentlich Farbe bekennen. Einige wie etwa der Kölner Weihbischof Rolf Steinhäuser fühlten sich dadurch extremem Druck ausgesetzt, auch weil viele Abstimmungen namentlich erfolgten. Der Passauer Bischof Stefan Oster konstatierte nach der Versammlung, dass unter den Bischöfen viele Positionen "kaum mehr versöhnbar" erscheinen.

Bätzing kritisiert mangelnden Einsatz der Bischöfe

Ob das so stimmt, wollen die Bischöfe in dieser Woche bei der Herbstvollversammlung in Fulda beraten. Neben Verfahrensfragen geht es auch um die Inhalte des "Synodalen Wegs". Die Vorgänge in Frankfurt haben gezeigt, dass die Bischöfe zu wenig über die Reformtexte gesprochen haben.
Das liegt auch daran, dass sich nur wenige von ihnen in den Beratungsprozess der Texte zwischen den Synodalversammlungen eingebracht haben. Hier kritisierte der Vorsitzende der Bischofskonferenz, Bischof Georg Bätzing, seine Mitbrüder scharf. Die wiederum sehen sich von Bätzing unter Druck gesetzt, den Reformprozess auf Biegen und Brechen nicht scheitern zu lassen.

Stichwort: Synodaler Weg

Mit dem Reformdialog "Synodaler Weg" beraten katholische Bischöfe und Laien seit 2019 über Veränderungen in der Kirche. Ausgangspunkt ist eine jahrelangen Kirchenkrise, verschärft durch den Missbrauchsskandal. Schwerpunktthemen des Reformdialogs sind die Sexualmoral, die priesterliche Lebensform, Macht und Gewaltenteilung sowie die Rolle von Frauen in der Kirche. Oberstes Organ des "Synodalen Wegs" ist die Synodalversammlung. Ihre 230 Mitglieder sollen für eine möglichst große Bandbreite kirchlichen Lebens in Deutschland stehen. Der "Synodale Weg" hat beratenden Charakter - das letzte Wort haben die Ortsbischöfe.

Quelle: KNA, dpa

Lesen Sie mehr zur Diskussion über den "Synodalen Weg" im Blog "Papstgeflüster" von Jürgen Erbacher, ZDF-Kirchenredaktion.

Im November zum Rapport nach Rom

In Fulda wollen die Bischöfe eine Lösung finden, wie sie gemeinsam trotz unterschiedlicher Positionen in die Zukunft gehen können. Im November müssen sie zum Rapport nach Rom. Turnusgemäß steht der Ad-Limina-Besuch an. Alle fünf bis sieben Jahre sprechen die Bischofskonferenzen mit dem Papst und den Spitzen der Römischen Kurie über die Situation in ihren Ländern.
Viele im Vatikan sehen den Reformprozess "Synodaler Weg" kritisch. Wenn die Bischöfe dort zerstritten auftreten, ist das Wasser auf die Mühlen der Gegner. Auch Papst Franziskus ist zurückhaltend bei Prozessen, in denen es zu unversöhnlicher Blockbildung kommt. Für ihn ist dann die Zeit für Entscheidungen noch nicht reif.
Doch die Bischöfe müssen sich entscheiden. Im März steht die abschließende Versammlung des "Synodalen Wegs" an. Dann erwarten die Gläubigen ein klares Bekenntnis zu Reformen.

Neue Organisation für Missbrauchsaufarbeitung

Neben der Positionierung zum "Synodalen Weg" wollen die Bischöfe in Fulda die Missbrauchsaufarbeitung neu organisieren. Der bisherige Missbrauchsbeauftragte, Bischof Stefan Ackermann, tritt nach zwölf Jahren im Amt zurück. Die Bischöfe wollen das zum Anlass nehmen, die Aufarbeitung "breiter aufzustellen". Bisher gibt es keine Details.
Betroffenenvertreter kritisieren, dass sie in die Beratungen dazu nur am Rande eingebunden waren. Noch ist zudem nicht bekannt, wer Ackermanns Nachfolger wird. Sollten die Bischöfe keinen prominenten Vertreter finden, könnte dies einmal mehr Zweifel an der Ernsthaftigkeit der Aufarbeitung säen.
Jürgen Erbacher ist Redaktionsleiter "Kirche und Leben katholisch" im ZDF.

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