Interview
: Wie kam es zum gewaltigen Vulkan-Ausbruch?
19.01.2022 | 16:11 Uhr
Der Ausbruch des Unterwasservulkans bei Tonga war weltweit messbar. Sein Potenzial sei nicht unbekannt, die Überwachung aber auch mit Satelliten schwierig, so GFZ-Geologe Dahms.ZDFheute: Die Eruption des Vulkans Hunga Tonga-Hunga Ha’apai bei Tonga war gewaltig. Was sagen die Daten über das Ausmaß?
Torsten Dahm: Der Ausbruch war in Bezug auf die Explosivität sehr stark und nahezu vergleichbar mit dem explosiven Ausbruch des Pinatubo-Vulkans auf den Philippinen 1991. Das sehen wir z.B. an der Stärke der Signale, die weltweit aufgezeichnet werden konnten. So wurde an dem Vulkan im Pazifik die Atmosphäre zu Eigenschwingungen angeregt, welche auf Messinstrumenten der Observatorien in Europa und Deutschland messbar waren.
Vergleichbare Beobachtungen hatte es das letzte Mal vor etwa 30 Jahren bei dem Pinatubo-Ausbruch gegeben. Bei dem Tonga-Hunga-Ausbruch wurde dann aber zusätzlich noch eine Tsunami-Welle angeregt, die lokal auf den Nachbarinseln teilweise zu starken Zerstörungen geführt hat.
Professor Dr. Torsten Dahm ...
... leitet am Deutschen GeoForschungsZentrum (GFZ) in Potsdam die Sektion "Erdbeben- und Vulkanphysik" und ist Professor für Geophysik und Seismologie an der Universität Potsdam. Schwerpunkt seiner Arbeit sind Fragen zum Entstehen und Verlauf von Erdbeben und Vulkanausbrüchen, zum Abschätzen der Gefahr solcher Extremereignisse inklusive Tsunamis und zu Möglichkeiten der Frühwarnung, um das Risiko dieser Naturgefahren zu reduzieren.
ZDFheute: Aus geologischer Sicht: Was genau ist denn da eigentlich passiert?
Dahm: Der Hunga Tonga-Hunga Ha‘apai war bereits im Dezember 2021 aktiv und hatte kleinere Ausbrüche erzeugt. Nach einer kurzen Ruhephase im Januar kam es dann am Freitag und vor allem am Samstag, den 15. Januar, zu einem explosiven Ausbruch, wodurch Aerosole und vulkanische Ascheteilchen bis in fast 30 Kilometer Höhe gelangt sind. Teile der Vulkaninsel sind dadurch zerstört worden.
Wie der Tsunami genau angeregt wurde, ist noch Gegenstand der Untersuchungen - entweder durch die Wucht der Explosion, aber es könnte zusätzlich auch eine Flanke des Vulkans abgerutscht sein. Hier wird voraussichtlich erst die Vermessung des Seebodens am Hang des Vulkans Gewissheit bringen.
Dass der Tonga-Hunga-Vulkan allerdings das Potenzial hat, große und explosive Ausbrüche zu erzeugen, war nicht unbekannt.
Das zeigten bereits vorher Untersuchungen der Morphologie des etwa 1.800 Meter hohen untermeerischen Vulkanbergs mit tiefen Einsturzkratern, welche auf ähnlich starke Ausbrüche in der Vergangenheit schließen lassen.
ZDFheute: Hatte die Eruption Auswirkungen auf die Atmosphäre - oder hat sie langfristig Auswirkungen auf das Klima?
Dahm: Der Ausbruch des Pinatubo in 1991 hatte eine messbare kurzzeitige Erniedrigung der mittleren Temperatur auf der nördlichen Halbkugel von etwa 0,5 Grad hervorgerufen. Ob der jetzige Ausbruch einen ähnlichen Effekt haben wird, ist noch offen. Die ersten Abschätzungen vermuten eher nicht, da die Eruption im Vergleich zu Pinatubo kürzer war und vermutlich weniger Aerosole in die Stratosphäre gebracht hat.
ZDFheute: Ist mit einem weiteren Ausbruch zu rechnen?
Dahm: Das kann man nicht sicher sagen. Letztlich wissen wir noch zu wenig über das magmatische System unter dem Vulkan.
ZDFheute: Wie gut ist der Vulkan Hunga Tonga-Hunga Ha’apai erforscht? Oder generell formuliert: Wie gut sind die geografischen Aktivitäten in der Gegend zu überwachen oder bestenfalls vorherzusagen?
Dahm: Die lokale Überwachung ist in der Subduktionszone bei Tonga schwieriger im Vergleich zu anderen Vulkanen an Land - vor allem weil der Vulkan im Meer liegt und daher nur wenige benachbarte Inseln für ein seismisches Überwachungsnetz zur Verfügung stehen.
Die Überwachung von Satelliten aus wird zwar heutzutage immer mehr genutzt und einbezogen, diese kann ein Messnetz mit lokalen Stationen allerdings nicht ersetzen.
ZDFheute: In welchen Ecken der Erde gibt es noch solche Unterwasservulkane, die solche Ereignisse auslösen können?
Dahm: Es gibt weltweit viele Tausende von Vulkanen unter Wasser. Über ihre Aktivität und die damit verbundenen Gefahren wissen wir noch zu wenig. So hatte uns ein Ausbruch nahe der Komoren-Insel Mayotte zwischen Afrika und Madagaskar in 2018, bei dem sich innerhalb von wenigen Monaten ein neuer Vulkanberg unter Wasser gebildet hatte, völlig überrascht. Dieser Ausbruch war sehr intensiv, aber zum Glück nicht explosiv wie der jetzige Ausbruch des Tonga-Hunga Ha‘apai.
Die Fragen stellte Kai-Martin Müller-Haeseler