: Wie sicher ist Twitter noch?

von Carolin Wolf
26.11.2022 | 17:17 Uhr
Es sind chaotische Zustände, die beim Kurznachrichtendienst Twitter herrschen. Während Elon Musk von "Twitter 2.0" spricht, befürchten Experten gravierende Sicherheitsrisiken.
Elon Musk will nach seiner Übernahme den Kurznachrichtendient Twitter revolutionieren. Experten befürchten keinen guten Ausgang für die Plattfomsicherheit.Quelle: dpa
Mit der Übernahme von Twitter will Multimilliardär Elon Musk den Kurznachrichtendienst reformieren - bisher jagt allerdings eine negative Schlagzeile die andere. Inzwischen alarmiert die strukturlose Umwälzung der Plattform mit Massenentlassungen und tiefgreifenden Veränderungen auch Sicherheitsexperten und Politik.
Ranghohe Politiker in den USA fordern inzwischen eine Prüfung der jüngsten Vorgänge bei Twitter. In einem Schreiben mehrerer Senatoren an die Verbraucherschutzbehörde heißt es etwa, dass man ohne Rücksicht auf Nutzer vorgehe. Und weiter:
In den vergangenen Wochen hat der neue Twitter-Chef Elon Musk alarmierende Schritte unternommen, die die Integrität und Sicherheit der Plattform untergraben haben.

Twitter: Zustände wie im "Wilden Westen"

So feuerte Musk bereits an seinem ersten Tag die Führungsriege der Plattform. Eine beispiellose Entlassungswelle folgte, in der rund die Hälfte der Belegschaft ihren Job verlor oder freiwillig ging - darunter leitende Mitarbeiter für Plattformsicherheit und Datenschutz.
Auch die Zusammenarbeit mit Auftragnehmern, die für die Content-Moderation (Herausfiltern von rechtswidrigen und obszönen Inhalten) zuständig waren, wurde beendet.
Wenn man sich das von außen anschaut, ist das schon sehr schockierend!
Kevin Borgolte, IT-Sicherheitsexperte
Dieses Vorgehen verdeutliche, wie die Sicherheit und Privatsphäre bei Twitter immer weiter in den Hintergrund rückten, sagt Kevin Borgolte, Professor für Software Security an der Universität Bochum.
Zumal die freigewordenen Stellen seiner Ansicht nach nicht zwangsläufig "brauchbar" nachbesetzt werden könnten. Denn Gegenwind von denjenigen, die neu eingestellt werden, auch im Sicherheitsbereich, erwartet Borgolte nicht. Musk habe ganz klar kommuniziert, dass es nur seinen Weg gebe.
Das wird ein bisschen wie im Wilden Westen werden.
Kevin Borgolte, IT-Sicherheitsexperte

Blauer Haken keine Hilfe mehr

Ein weiteres Risiko sieht Borgolte in dem Vorhaben, die blauen Verifikations-Haken per Abo-Zahlung anzubieten. Zuvor erhielt man diesen Haken erst nach einer Identitätsprüfung. Als die neue Abo-Funktion kurzzeitig verfügbar war, wurden einige glaubwürdig wirkende Fake-Accounts angelegt, auf denen falsche Stellungnahmen verbreitet wurden. Daraufhin wurde das Abo zunächst auf Eis gelegt.
Der blaue Haken habe den Usern eindeutig gezeigt, ob ein Account Autorität habe oder nicht, erklärt Borgolte. Damit sei es einfach gewesen, wahre Inhalte zu erkennen. Das sei jetzt nicht mehr der Fall und führe beispielsweise zu mehr Desinformation.
Das macht es viel schwieriger für Endnutzer festzustellen, was wirklich wahr ist oder nicht.
Kevin Borgolte, IT-Sicherheitsexperte

Comeback gesperrter User auf Twitter

Zudem sieht Borgolte auch in der Reaktivierung von zuvor gesperrten Accounts ein Problem. Musk ließ erst am Mittwoch darüber abstimmen, ob ihnen grundsätzlich eine "Amnestie" angeboten werden sollte.
Zuvor entsperrte er bereits die Konten der extrem rechten US-Abgeordneten Marjorie Taylor Greene und des ehemaligen US-Präsidenten Donald Trump.
Elon Musk lässt über Generalamnesie abstimmen
Kritiker befürchten jetzt, dass sich Twitter zu einem Ort für extreme Ansichten, Hassrede und Verschwörungstheorien entwickeln könnte. Unklar ist zudem, ob Twitter jetzt noch seinen gesetzlichen Verpflichtungen nachkommen kann, solche Bedrohungen zu löschen.

Sicherheitsbedenken nichts Neues

Sicherheitsbedenken habe es allerdings schon vor der Übernahme durch Musk gegeben, sagt Borgolte. Erst vor wenigen Monaten erhob der ehemalige Twitter-Sicherheitschef Peiter Zatko schwere Vorwürfe gegenüber dem Management und reichte Beschwerde bei der US-Börsenaufsicht ein. Zatko bezeichnete Twitter als
tickende Bombe an Sicherheitsschwachstellen
Peiter Zatko, Ex-Sicherheitschef von Twitter
Generell sollte man Inhalte im Internet immer hinterfragen, insbesondere auf Twitter, empfiehlt Borgolte. Wenn möglich sollte man sich auch nicht nur bei Twitter, sondern bei anderen Quellen informieren und sich in Richtung Medien orientieren, die Inhalte fundiert recherchieren.
Man sollte sich fragen: Macht das Sinn? Ist das wirklich so? Ist das die einzige Quelle?
Kevin Borgolte, IT-Sicherheitsexperte

Andere Dienste als Alternative?

Seit der Musk-Übernahme verzeichnet etwa der Kurznachrichtendienst Mastodon steigende Zahlen. Mehrere deutsche Ministerien, wie das Auswärtige Amt, haben dort inzwischen auch einen Account.
Bei Twitter gehe es aber genauso wie bei anderen sozialen Plattformen um das eigene Netzwerk, so Borgolte. Daher stelle sich vor einem Umzug immer die Frage, wie viele Menschen aus dem eigenen Netzwerk bereits dort sind. Viele aus seiner Community seien beispielsweise auf andere Dienste ausgewichen, würden jetzt aber auf zwei Plattformen posten.

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