: Wenn es nur noch um Profit im Weltraum geht

von Harald Lesch
26.03.2023 | 07:00 Uhr
Im Weltall bahnt sich ein Space Race 2.0 an. Doch statt politischer Vorherrschaft wie bei der Mondlandung ist wirtschaftlicher Nutzen der Treiber - was nicht nur Gutes verheißt.

Im Kalten Krieg wurde der Begriff Wettlauf gerne mit Weltraum kombiniert. Damals wetteiferten die UdSSR und die USA um die Vormachtstellung im All. Das Wettrennen gipfelte schließlich in der Frage: Wer ist der erste Mensch auf dem Mond? Die Antwort kennen wir seit dem 21.7.1969, sein Name: Neil Armstrong aus Wapakoneta in Ohio.

Terra-X-Kolumne auf ZDFheute

In der Terra-X-Kolumne auf ZDFheute beschäftigen sich ZDF-Wissenschaftsjournalistinnen und -journalisten wie Harald Lesch, Mirko Drotschmann und Jasmina Neudecker sowie Gastexpert*innen jeden Sonntag mit großen Fragen der Wissenschaft - und welche Antworten die Forschung auf die Herausforderungen unserer Zeit bietet.
Nach diesem Meilenstein flachte das öffentliche Interesse ab, die Begeisterung der Massen im ersten Space Age ließ allmählich nach. Der Wettlauf im All hingegen ging weiter, eigentlich war nichts entschieden, nur weil die Amerikaner die ersten auf dem Mond waren. Platz für unzählige Satelliten und Sonden gab es schließlich allemal.

Die Funksignale des sowjetischen "Sputnik" liefen am 4. Oktober 1957 um die ganze Welt. Zum ersten Mal war gelungen, einen Satelliten in eine Erdumlaufbahn zu schießen.

04.10.2017 | 05:48 min

Eroberung des erdnahen Weltraums

Und heute? Herrschen andere Zeiten in der Raumfahrt. Forschung und internationale Kooperation stehen im Vordergrund - man denke bloß an die Internationale Raumstation ISS oder Weltraumteleskope wie das James Webb Space Teleskop. Ob mit Besatzung oder ohne, und auch wenn seither kein Mensch mehr einen Fuß auf den Mond gesetzt hat: Seit den 60er Jahren ist das Klima in der Raumfahrt ein anderes geworden. Wir haben jede Menge Technik - und auch Menschen - in den erdnahen Weltraum gebracht. Auch um zu überwachen und zu spionieren, aber vor allem, um zu kommunizieren und die Erde und den Kosmos gleichermaßen besser zu verstehen.
Richten wir unsere Instrumente vom All auf die Erde, dann beobachten wir Veränderungen auf unserem Planeten, für die wir maßgeblich verantwortlich sind - und im besten Fall ziehen wir Schlüsse daraus. Schauen wir hinaus in die unendlichen Weiten, so lernen wir viel über das Universum als Ganzes, seine Galaxien, Sterne und sogar weit entfernte Planetensysteme.
Aber unlängst geht es dort oben nicht mehr bloß um kosmische Erkenntnisse. Sondern um Geld und Macht.

Die Raketen-Branche steht vor einem Boom. In den endlosen Weiten der arktischen Landschaft auf Andøya will Norwegen ein neues Spacecenter errichten.

25.01.2022 | 05:46 min

Unternehmer wittern Profit aus dem All

"Es ist ein Charakteristikum des Spätkapitalismus, dass er sämtliche Lebensbereiche ökonomisiert", schrieb Karl Marx in "Das Kapital". Lieber Karl, er hat nun sämtliche Lebensbereiche hier auf der Erde ökonomisiert.
Bleibt: das Weltall. Ein ganz anderes Kaliber als unsere Lebensbereiche hier unten. Es verbindet sich mit uns eigentlich nur durch die allgemeingültigen Naturgesetze. Und trotzdem wittern Einzelunternehmer und Staaten dort die nächste Quelle des Profits.

Risikokapitalismus passt nicht in den Weltraum

Und jetzt kommt das Paradoxe: Wissenschaft und Forschung, das bedeutet, sich dem Ungewissen, dem Unbekannten anzunehmen, Annahmen und Hypothesen aufzustellen, sie zu überprüfen und zu erforschen - und ergebnisoffen das anzunehmen, was Evidenz, was Daten, was Naturkonstanten ausspucken. Ob nun Hypothesen bestätigt oder widerlegt wurden, beides bringt unseren Erkenntnisgewinn voran.
Wirtschaft, das bedeutet, Risikomanagement zu betreiben, das Bekannte auszunutzen, Prognosen zu erstellen und auf aussichtsreiche Unterfangen zu setzen - denn das Ergebnis muss Profit sein. Risiko wird dann eingegangen, wenn hohe Ausbeute lockt. Gewinn und Verlust sind die Richter des Kapitalismus.

Privatbesitz im Weltall? Eigentlich ist die Rechtslage klar: der Weltraum gehört uns allen. Trotzdem beanspruchen immer mehr Länder Rohstoffe auf fremden Planeten für sich.

22.01.2021 | 06:14 min

Wirtschaft ohne Schwerkraft?

Das Weltall jedoch steckt voller Ungewissheiten. Allein dort oben hinzukommen bedeutet, ein immenses Risiko einzugehen. A Million Ways to Die in Space könnte man sagen. Und trotzdem haben die Kapitalisten längst Ziele ins Auge gefasst, die wie Sci-Fi klingen. Die Wirtschaft, so der Plan, soll sich loslösen, frei werden von einer der wenigen letzten Grenzen: der Schwerkraft der Erde.
Die Konsequenzen einer freigelassenen Wirtschaft kennen wir inzwischen hinlänglich. Unsere auf Profit ausgerichtete Lebensweise hat den Planeten Erde und vor allem seine Biosphäre in weiten Teilen ruiniert. Klimawandel, Artensterben und Umweltschäden sind die Motorsägen, mit denen wir den Ast, auf dem wir leben, gerade absägen.

Wem gehört eigentlich der Mond? Ein US-Amerikaner verkauft seit Jahrzehnten Grundstücke auf dem Mond - darf er das?

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Bezos will Schwerindustrie im All erledigen

Also: Könnten wir im Weltraum nicht einfach weitermachen? Wir bohren Mond und Asteroiden an, suchen nach Ressourcen, die wir dort abbauen können, und wenn alle Stricke reißen, dann ziehen wir auf den Mars um. Der Lautsprecher Elon Musk verrät uns, wann bereits eine Million Menschen in Kolonien auf dem Mars leben werden und sein Unternehmen wird sie hinbringen, all inclusive, nur ohne Rückticket.
Andere planen nicht so weit, dafür mit mehr Luxus: Weltraumtourismus soll das neue It-Ding werden, erst in den Erdorbit, dann sogar bis zum Mond. Jeff Bezos, Chef von Amazon, indes will Ballast loswerden, die gesamte Schwerindustrie sollte, wenn es nach ihm ginge, ab ins All.

Captain Kirk alias William Shatner wagt als Weltraumtourist den Flug ins All. In der westtexanischen Wüste hebt der 90-jährige an Bord der New Shepard ab, um für sich aus Fiktion Wirklichkeit werden zu lassen.

14.10.2021 | 03:05 min

Weltall noch ein fast rechtsfreier Raum

Mal abgesehen davon, dass das Vakuum des Weltalls jede Art von Baumaschinenbetrieb erschwert, die Mikrogravitation auf Asteroiden schon Bruce Willis und seine Crew fast umgebracht hat und wir von der Strahlungsbelastung für menschliche Crews noch gar nicht gesprochen haben, sollten wir uns eines klar machen: Noch ist der Weltraum ein fast rechtsfreier Raum, jeder mit nur genügend Geld und Ressourcen kann machen, was er will.
Und mit Blick auf die Reihe der alten weißen Unternehmer-Männer, die in diesem neuen Space Race wetteifern, muss das nicht einmal gegendert werden. Wir haben schon oft gelernt, wozu rechtsfreie Räume führen können - zu Katastrophen für uns alle.

Weltraum darf nicht Willkür einzelner überlassen werden

"Spaßverderber", denken Sie jetzt. Bedeutet das, wir sollten die Finger vom Weltraum lassen? Sicher nicht! Die Neugierde für das, was dort draußen liegt, die uns bis zum Mond und zurückgebracht hat, sorgte für bedeutende Erkenntnisse über uns, unseren Planeten und unseren Platz im Universum. Und auch für wirtschaftlichen Nutzen ist da Raum. Aber die W-Fragen, wie, wo und vor allem warum - das darf nicht der Willkür einzelner überlassen werden. Dafür braucht es Gesetze, Regelungen, Kontrollinstanzen und Vernunft.

Immer mehr Nationen drängen in den Weltraum. Was sind die Ziele, wer macht das Rennen, und finden wir endlich außerirdisches Leben? Harald Lesch zeigt die Tragweite des neuen Wettlaufs im All.

21.03.2023 | 29:09 min

Harald Lesch ...

... ist Astrophysiker und Moderator für Terra X und Leschs Kosmos, erklärt für das ZDF die Welt. Besonders interessiert ist er an komplexen Systemen und deren Auswirkungen auf unsere Gesellschaft. Und an Boule, Schach und Klavier. Seit 2016 ist er mit "Terra X Lesch & Co." auch als Youtuber aktiv.

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