: Deutsche Banken verdienen an Katars Bauboom

von Jutta Sonnewald
07.11.2022 | 12:13 Uhr
Einer neuen Studie zufolge haben insbesondere deutsche Finanzinstitutionen vom WM-Bauboom in Katar profitiert. Und das trotz prekärer Arbeitsbedingungen im Land.
Eine Studie hat aufgedeckt, dass deutsche Finanzinstitute den WM-Bauboom in Katar mitfinanziert haben.Quelle: dpa
Am 20. November beginnt die erste Winter-Fußball-WM in Katar. Für das sportliche Großereignis im Wüstenstaat haben rund 30.000 Arbeitsmigrant*innen vor allem aus Nepal, Indien, Bangladesch und Ostafrika unter anderem acht hochmoderne Stadien erbaut, Luxushotels, fünfspurige Straßen und eine nagelneue Metro. Für diese Projekte wurden Milliarden von US-Dollar ausgegeben. Die involvierten Unternehmen haben Millionengewinne erzielt.
Dabei leben die Wanderarbeiter*innen in Katar unter prekären Bedingungen. Auch die Arbeitsbedingungen, vor allem im Bau- und Gastgewerbe, sind desaströs und verstoßen gegen Arbeitsrecht. Menschenrechtsorganisationen, Gewerkschaften und internationale Medien kritisieren das schon seit der Vergabe der WM an das Emirat vor 12 Jahren.

Deutsche Geldgeber für WM-Bauten

Eine heute veröffentlichte Studie des Netzwerkes Fair Finance International (FFI), einem Bündnis mit über 100 zivilgesellschaftlichen Mitgliedern, deckt auf, wie insbesondere deutsche Firmen den WM-Bauboom in Katar finanzierten, davon profitierten und dabei die Ausbeutung, Entrechtung und den Tod von Arbeitsmigrant*innen ignorierten.

Die Fußball-WM in Katar steht seit der Vergabe in der Kritik. Der Golfstaat inszeniert sich seither als perfekter Gastgeber. Doch die Wahrheit sieht anders aus.

12.12.2021 | 07:59 min
Thomas Küchenmeister, geschäftsführender Vorstand der Berliner NGO Facing Finance, die das FFI-Bündnis in Deutschland koordiniert, kritisiert:
Besonders deutsche Finanzinstitute haben die für Arbeitsmigrant*innen ausbeuterischen und gar tödlichen Geschäftsmodelle mit ihren Finanzierungen häufig erst ermöglicht, ...
Thomas Küchenmeister, Facing Finance
... wohlwissend um die menschenrechtliche Situation in Katar und die für Arbeits- und Menschenrechtsverletzungen bekannten Zustände in der Bau- und Gastgewerbebranche."

Milliarden US-Dollar von deutschen Banken

Die deutschen Finanzinstitute Deutsche Bank, DZ Bank, Commerzbank, Allianz und die in Deutschland tätige französische AXA-Versicherungsgruppe finanzierten laut der FFI-Studie Unternehmen im Bau- und Gastgewerbe in Katar mit mindestens 17 Milliarden Dollar. Zudem investierten sie weitere 6,4 Milliarden US-Dollar in deren Geschäftsmodelle, die oft Arbeits- und Menschenrechte nicht genug beachten.
Allein die Deutsche Bank und ihre Tochterunternehmen sollen laut FFI-Studie den Bauboom in Katar mit mehr als 15 Milliarden US-Dollar unterstützt haben - durch Finanzierungen von Unternehmen des Bau- und Gastgewerbes im Emirat und durch die Platzierung von Staatsanleihen zugunsten der katarischen Regierung. Damit konfrontiert, antwortet die Deutsche Bank dem ZDF:
Mit Verweis auf unsere internen Richtlinien und Prozesse weisen wir die Vorwürfe, dass die Deutsche Bank wissentlich Projekte mit belegbarem Bezug zu Menschenrechtsverletzungen finanziere, klar zurück.
Deutsche Bank

Blieben ethische Kriterien außen vor?

Die Allianz, die laut FFI-Studie über 4 Milliarden US-Dollar in ausgewählte, in Katar aktive Unternehmen im Bau- und Gastgewerbesektor investiert haben soll, verweist - wie auch alle anderen vom ZDF angeschriebenen Finanzinstitute - auf ihre sogenannten ESG-Kriterien. Diese sollen ökologische, soziale und ethische Kriterien berücksichtigen und Projekte ausschließen, die gegen Menschenrechte verstoßen. Thomas Küchenmeister von Facing Finance sagt dazu:
"Man darf die Wirksamkeit der ESG-Richtlinien der untersuchten Finanzdienstleister bezweifeln, wenn diese offensichtlich ohne Auflagen zulassen, dass in Katar aktive Unternehmen der Bau- und Gastgewerbebranche sowie der Staat Katar selber mit Riesensummen in die Lage versetzt werden, die bekannterweise häufig ausbeuterischen und menschenrechtsfeindlichen Bauprojekte im Vorfeld der Fußball-WM umsetzen zu können."
Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International forderte den Fußball-Verband FIFA auf, einen eigenen Entschädigungsfonds in Höhe von mindestens 440 Millionen Euro einzurichten für Arbeitsmigrant*innen, die auf Baustellen im Gastgeberland zu Schaden gekommen sind oder getötet wurden.

Tausende Arbeiter sollen auf den WM-Baustellen gestorben sein. Amnesty International und andere Organisationen fordern nun einen Entschädigungsfonds in Höhe von 440 Mio. Dollar.

23.09.2022 | 02:31 min
Die FIFA hat sich bislang noch nicht offiziell zu einem solchen Fonds in Katar verpflichtet, obwohl mindestens sieben nationale Fußballverbände, die WM-Sponsoren Adidas, Coca-Cola, McDonald’s und Budweiser und ehemalige Spieler*innen einen solchen Fonds ausdrücklich befürworten.
Auf die Frage, ob sich deutsche Finanzinstitute an einem solchen Entschädigungsfonds für Opfer beteiligen würden, hat keine der fünf vom ZDF angeschriebenen Finanzinstitute reagiert.
Quelle: ZDF

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