: Scholz: Drei AKWs bleiben vorerst in Betrieb

17.10.2022 | 17:12 Uhr
Kanzler Scholz spricht ein Machtwort: Im Streit in der Ampel-Koalition um die Verlängerung von AKW-Laufzeiten macht er von seiner Richtlinienkompetenz Gebrauch.

Nach wochenlangem Streit hat Kanzler Scholz ein Machtwort gesprochen: Die drei verbliebenen Atomkraftwerke sollen bis zum 15. April 2023 weiterlaufen können.

18.10.2022 | 02:35 min
Die Energiekrise hat die Debatte um die Laufzeiten für Atomkraftwerke neu angefacht und sorgte für Streit innerhalb der Ampel-Koalition. Einigungsversuche scheiterten. Nun hat Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) eine Entscheidung gefällt. Er machte dabei Gebrauch von Paragraph 1 der Geschäftsordnung der Bundesregierung - der sogenannten Richtlinienkompetenz.
Die drei noch in Betrieb befindlichen Atomkraftwerke sollen noch bis zum 15. April in Betrieb bleiben. Auf Basis seiner Richtlinienkompetenz ordnete Scholz an, die gesetzliche Grundlage zu schaffen, um die Kernkraftwerke Isar 2, Neckarwestheim 2 sowie Emsland über den 31. Dezember hinaus bis längstens zum 15. April 2023 zu betreiben.

Was bedeutet die Richtlinienkompetenz?

Das Wort "Richtlinienkompetenz" kann man in Artikel 65 des Grundgesetzes lesen. Dort ist festgelegt, dass der Bundeskanzler oder die Bundeskanzlerin die Richtlinien der Politik bestimmt und dafür die Verantwortung trägt. Er oder sie hat dafür die "Kompetenz", die "Zuständigkeit".

Der Regierungschef hat die Verantwortung, dass seine Regierung möglichst gemeinsam Entscheidungen trifft. Wenn sich seine Ministerinnen und Minister im Kabinett über eine wichtige politische Frage aber nicht einigen können, dann hat er die Kompetenz, die finale Entscheidung zu treffen. 

Quelle: bpb

Tagelang hatten vor allem FDP und Grüne darum gestritten, ob und wie lange die drei noch laufenden Atomkraftwerke weiter betrieben werden sollen. Die Grünen hatten am Wochenende auf einem Parteitag beschlossen, nötigenfalls einen sogenannten Streckbetrieb für die Meiler Isar 2 und Neckarwestheim 2 bis Mitte April 2023 mitzutragen.

Lindner: Wichtige Entscheidung für Netzstabilität und Stromkosten

FDP-Chef und Bundesfinanzminister Christian Lindner begrüßte die Entscheidung von Bundeskanzler Olaf Scholz.
Es ist im vitalen Interesse unseres Landes und seiner Wirtschaft, dass wir in diesem Winter alle Kapazitäten der Energieerzeugung erhalten.
Christian Lindner
Die weitere Nutzung des Kernkraftwerks Emsland sei dabei "ein wichtiger Beitrag für Netzstabilität, Stromkosten und Klimaschutz".
Lindner lobt Entscheidung des Kanzlers zu AKWs
Lindner: "Der Vorschlag findet daher die volle Unterstützung der Freien Demokraten. Die gesetzlichen Grundlagen können wir sofort gemeinsam schaffen. Auch für den Winter 2023/2024 werden wir gemeinsam tragfähige Lösungen erarbeiten. Darauf können sich die Menschen nach der heutigen Entscheidung verlassen."

Grüne reagieren zurückhaltend auf AKW-Anordnung

Die Grünen-Führung reagierte reserviert auf die Scholz-Entscheidung. "Das AKW Emsland ist für die Netzstabilität nicht erforderlich", sagte die Co-Vorsitzende der Partei, Ricarda Lang, der Deutschen Presse-Agentur in Berlin. "Entsprechend halten wir den Weiterbetrieb für nicht notwendig."

Energieffizienz steigern, Kohleausstieg bis 2030

Parallel zum Weiterbetrieb der AKWs soll ein Gesetz zur Steigerung der Energieeffizenz erarbeitet werden, so Scholz.
Die Verlängerung des Betriebs von Kohlekraftwerken in Nordrhein-Westfalen bis 2024 soll gesetzgeberisch umgesetzt werden. Am Kohleausstieg bis 2030 will Scholz festhalten. Um die Versorgungssicherheit zu gewährleisten, sollen neue Gaskraftwerke gebaut werden, die Wasserstoff verbrennen können.

"Kanzler-Machtwort in letzter Minute"

Damit hätten sowohl die Grünen als auch die FDP eine Kröte zu schlucken, schätzt ZDF-Korrespondent Theo Koll die Entscheidung von Scholz ein. Es seien Zumutungen für beide "Streithähne" innerhalb der Regierungskoalition. Die FDP müsse akzeptieren, dass schon im April bei den AKWs Schluss sein soll und die Grünen, dass drei AKWs weiterlaufen.
Beide Parteien müssen Positionen aufgeben, die Grünen aber mehr als die Liberalen.
Theo Koll, ZDF-Korrespondent
Das Gesetz zur Energieeffizienz und der im Gesetz festgehaltene Kohleausstieg 2030 "dürften dann das Entgegenkommen an die Grünen sein", so Koll. "Das Ganze könnte die Schmerzbalance gerade so noch halten", betont er. Olaf Scholz habe den AKW-Streit zwischen FDP und Grünen viel zu lange laufen lassen.
Das Kanzler-Machtwort kommt jetzt in letzter Minute.
Theo Koll, ZDF-Korrespondent
Quelle: ZDF, dpa, Reuters

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