Gerhard Schröder bekommt wegen seiner Russland-Nähe weniger Privilegien als Altkanzler. Hätte das auch Auswirkungen für Ex-Kanzlerin Angela Merkel?
Nur noch Personenschutz für Deutschlands Ex-Kanzler Schröder? Nachdem die Unionsfraktion im Bundestag dem SPD-Altkanzler am liebsten jegliche Privilegien streichen will, haben sich die Regierungsparteien auf eine mildere Lösung verständigt. Und dennoch könnte der Vorschlag auch Auswirkungen auf Angela Merkel haben.
Welche Leistungen erhalten Schröder und Merkel aufgrund ihrer Kanzlerschaft?
Schröder und Merkel haben als ehemalige Regierungsmitglieder verschiedene Versorgungsansprüche, die im sogenannten "Bundesministergesetz" geregelt sind.
Übergangsgeld: Nach Beendigung der Kanzlerschaft wird drei Monate lang das vollständige Gehalt weiter gezahlt, dann folgen 21 Monate Anspruch auf die Hälfte des Geldes.
Ruhegehalt: Dieses beträgt rund 35 Prozent vom Gehalt des derzeitigen Regierungschefs Olaf Scholz und bedeutet für Gerhard Schröder demnach aktuell über 7.000 Euro Pension pro Monat.
Zudem erhalten Schröder und Merkel Bundesgelder für Reisen und Mitarbeitende. Angela Merkel wurden dafür neun Mitarbeitende bewilligt. Das sind zwei mehr als Schröder nach seiner Kanzlerschaft 2005 hatte - und vier mehr als zuletzt für ihn arbeiteten.
„Von ganz unten“
Gerhard Schröder wird am 7. April 1944 im Dorf Mossenberg in Nordrhein-Westfalen geboren. Sein Vater stirbt im Krieg. Mit Mutter, Großmutter und Halbgeschwistern wächst er in einfachsten Verhältnissen auf.
Quelle: Privatarchiv G. Schröder/Prof. G. Schöllgen
„Acker“
Als Jugendlicher spielt Schröder (hinten, Mitte) leidenschaftlich Fußball. Seine Mannschaft beim TuS Talle nennt den schussstarken Stürmer „Acker“.
Quelle: Privatarchiv G. Schröder/Prof. G. Schöllgen
„Ich will da rein!“
Mit 19 tritt Schröder in die SPD ein – und steigt dort schnell auf. Er wird Juso-Vorsitzender und zieht 1980 in den Bundestag ein. Sein Ziel ist klar: „Ich will da rein!“, soll er gerufen haben, als er nach einer Kneipentour am Zaun des Kanzleramts rüttelte.
Quelle: ap
„Ich bin bereit.“
1990 wird Schröder, hier mit seiner dritten Ehefrau Hiltrud, genannt Hillu, Ministerpräsident von Niedersachsen – das Kanzerlamt fest im Blick. Nachdem seine SPD-Rivalen Lafontaine und Scharping 1990 und 1994 als Kanzlerkandidaten gescheitert sind, schlägt 1998 seine Stunde ...
Quelle: dpa
„Hol mir mal ʼne Flasche Bier!“
… und Schröder wird zum siebten deutschen Bundeskanzler gewählt. Als Zigarre rauchender „Spaßkanzler“ im Brioni-Anzug prägt er einen neuen Stil.
Quelle: reuters
„‚Nein‘ zum Krieg“
Mit dem Kosovo-Einsatz und dem „Nein“ zu einer deutschen Beteiligung am Irak-Krieg setzt er außenpolitische Akzente. Sein wichtigstes innenpolitisches Vermächtnis sind die Arbeitsmarktreformen der Agenda 2010, die bis heute umstritten sind und 2005 zu seiner Wahlniederlage beitragen.
Quelle: dpa
„… ein lupenreiner Demokrat“
Kurz nach dem Ende seiner Kanzlerschaft wird Schröder Vorsitzender des Aktionärsausschusses von Nord Stream, der Betreibergesellschaft der Ostseepipeline, deren Bau er als Kanzler auf den Weg gebracht hatte. Hauptanteilseigner: das russische Unternehmen Gazprom. Der Altkanzler gerät in die Kritik. Ebenfalls umstritten ist seine Freundschaft zum russischen Präsidenten Wladimir Putin.
Quelle: reuters
Die Personal- und Reisekosten von Schröder betrugen 2021 fast 420.000 Euro. Insgesamt hat der Bund nach eigenen Angaben seit 2016 mehr als drei Millionen Euro für seine Ausstattung bezahlt. Über die Zahlungen für Angela Merkel liegen noch keine Informationen vor.
Dazu kommen die Kosten für Büroräume und -ausstattung, sowie der Schutz des Altkanzlers und der Altkanzlerin durch das Bundeskriminalamt.
Welche Privilegien sollen jetzt fallen?
Die Unionsfraktion im Bundestag möchte Altkanzler Schröder am liebsten das Ruhegehalt streichen. Die Begründung: Schröder schade dem internationalen Ansehen Deutschlands, habe sich trotz des Ukraine-Kriegs noch immer nicht vom russischen Präsidenten Wladimir Putin distanziert und halte auch an seinen Posten in verschiedenen russischen Energieunternehmen fest.
Die Ampel-Regierung geht mit ihrem Vorschlag nicht ganz so weit: Sein Ruhegehalt und den Personenschutz soll Schröder behalten dürfen. Büro und Mitarbeitende werden aber gestrichen. Am Donnerstag hat der Haushaltsausschuss im Bundestag einen entsprechenden Antrag beschlossen.
Was bedeutet das für Merkel?
Die Bedeutung für Altkanzlerin Merkel hänge davon ab, was sie künftig tun wird, sagt ZDF-Korrespondent Daniel Pontzen in Berlin.
Denn in dem Ampel-Beschluss steht: Die Ausstattung für ehemalige Bundeskanzlerinnen und Bundeskanzler solle "künftig nicht mehr statusbezogen" erfolgen, sondern sich "an den fortwirkenden Verpflichtungen aus dem Amt orientieren."
Nach der "fortwirkenden Verpflichtung aus dem Amt". Was bedeutet das? ZDF-Korrespondent Daniel Pontzen dazu.
18.05.2022 | 00:59 min
"Was das dann allerdings konkret bedeutet, also ob sie diese üppige Ausstattung mit bis zu neun Mitarbeitenden komplett behalten dürfte, wenn sie - ich sag mal - nur zwei Schirmherrschaften im Jahr übernimmt - das muss noch konkret festgelegt werden", so ZDF-Korrespondent Pontzen.
Würden Neuregelungen auch für Angela Merkel gelten? Daniel Pontzen erklärt, worauf es dabei ankommt.
18.05.2022 | 00:54 min
Warum genießen ehemalige Bundeskanzler überhaupt Privilegien?
Die Zuwendungen für ein Büro und Mitarbeitende sind nach der Kanzlerschaft - anders als das Ruhegehalt - freiwillige Zahlungen des Bundes. Sie unterliegen der Tradition und dem Gedanken, dass sie so weiterhin im "Bundesinteresse" agieren können, wie es etwa bei der Bewilligung der Mittel für Ex-Kanzlerin Angela Merkel als Begründung heißt.
Den Umfang der Ausstattung regelt der sogenannte Maßgabebeschluss der Haushälter. Er muss jedes Jahr aufs Neue vom Bundestag genehmigt werden. Bis vor wenigen Jahren gab es auch keinerlei verbindliche Regeln, wie groß die Zuwendungen sein sollen. Erst seit 2019 gilt, dass ehemalige Bundeskanzler nicht mehr als fünf Mitarbeitende beschäftigen sollten.
Der damalige Regierungssprecher Steffen Seibert verteidigte die Ansprüche der Kanzlerin mit der "langjährigen Staatspraxis", um bei der "Erfüllung der nachwirkenden Amtspflichten zu unterstützen." Es ginge nicht um private Tätigkeiten oder Tätigkeiten, die auf Einkünfte gerichtet sind, betonte Seibert.
Was kann Schröder rechtlich dagegen tun?
Die Ampel-Koalitionäre befürchten, der Vorgang könne wie eine politisch willkürliche Lex Schröder wirken und damit rechtlich angreifbar sein. Es dürfe nicht der Eindruck entstehen, der Altkanzler werde für eine umstrittene Meinung bestraft.
Kann Ex-Kanzler Schröder gegen die Streichung vorgehen? ZDF-Rechtsexpertin Sarah Tacke ordnet die Frage juristisch ein.
18.05.2022 | 00:51 min
Die Parlamentarische Geschäftsführerin der SPD-Fraktion, Katja Mast, verteidigte das Vorgehen, das Ruhegehalt Schröders unangetastet zu lassen. Beim Gehalt gehe es um Eigentumsansprüche, sagte Mast am Mittwoch in Berlin. "Deswegen ist das höchst bedenklich verfassungsrechtlich."
Anmerkung der Redaktion: Der Artikel wurde am 19. Mai nach dem Beschluss des Haushaltsausschusses für den Ampel-Plan entsprechend aktualisiert.