: Warum die CDU in der Hauptstadt vorne liegt

von Forschungsgruppe Wahlen
12.02.2023 | 21:01 Uhr
Bei der Wiederholungswahl in Berlin profitiert die CDU von viel Kritik am Senat und einer schwachen Bürgermeisterin - das zeigt die Analyse der Forschungsgruppe Wahlen.
Kai Wegner, Wahlgewinner von der CDU, und Franziska Giffey, deren SPD bei der Berlin-Wahl deutliche Verluste hinnehmen musste.Quelle: dpa
Bei der Wiederholungswahl zum Berliner Abgeordnetenhaus wird die CDU nach deutlichen Zugewinnen erstmals seit über zwei Jahrzehnten wieder stärkste Partei. SPD, Grüne und Linke haben im Vergleich zu 2021 Verluste, die AfD legt etwas zu, die FDP verliert und rutscht unter die Fünf-Prozent-Hürde.

Wahlergebnis: CDU profitiert ohne viel eigenes Zutun

Überlagert war die stark landespolitisch geprägte Wahl von heftiger Kritik am Senat. Allerdings gibt es auch Zweifel am Mehrwert möglicher Alternativen. Neben SPD und Grünen kann die CDU inhaltlich und personell ebenfalls nur bedingt überzeugen, profitiert aber von der Unzufriedenheit mit Rot-Grün-Rot, der Schwäche der FDP und einem spezifischen Mobilisierungserfolg. Bei geringerer Wahlbeteiligung - 2021 war parallel Bundestagswahl - ist die CDU in der relativ beteiligungsstarken Generation 60plus besonders stark.

Wer wählte wen: Starkes Altersgefälle

So wird die CDU von 38 Prozent der ab 60-Jährigen gewählt, schafft mit 31 Prozent aber auch bei den 45- bis 59-Jährigen ein gutes Ergebnis. Bei den 30- bis 44-Jährigen werden die Grünen mit 26 Prozent stärkste Partei vor CDU, Linke und SPD (21, 14 bzw. 13 Prozent). Bei den unter 30-Jährigen bleibt neben den Grünen auch die Linke relativ stark (25 bzw. 20 Prozent), CDU und SPD erzielen hier weiterhin nur wenig Zuspruch (13 bzw. zehn Prozent).
Wer wählte die CDU nach AlterQuelle: Forschungsgruppe Wahlen

Spitzenkandidat*innen: Giffey ohne Zugkraft

Mitverantwortlich für das schwache SPD-Ergebnis ist eine Spitzenkandidatin, die weit weniger Zugkraft entfaltet als andere Länder-Regierungschefs. Nur 51 Prozent bescheinigen Franziska Giffey als Bürgermeisterin gute Arbeit. Beim Ansehen verfehlt Giffey klar das Niveau ihrer Amtsvorgänger Michael Müller oder Klaus Wowereit und liegt auf der +5/-5-Skala mit 0,4 (2021: 0,9) nur knapp vor Kai Wegner (CDU), der - wie alle Berliner CDU-Kandidaten seit 2001 - mit 0,3 (2021: 0,1) ebenfalls schwach bleibt.
Als Regierende*n Bürgermeister*in wünschen sich 32 Prozent Franziska Giffey, 27 Prozent Kai Wegner und nur 15 Prozent Bettina Jarasch (Grüne), die beim Image auf minus 1,3 (2021: 0,1) abstürzt.
Wen hätten Sie am liebsten als Regierende*n Bürgermeister*in?Quelle: Forschungsgruppe Wahlen

Senat und Opposition: Berlin-typisch schwach

Sehr kritisch sehen die Berliner/innen die Leistungen des Senats, der auf der +5/-5-Skala nur minus 0,4 erreicht. Nur selten gab es für Regierungspolitik schlechtere Noten. Dabei unterschieden die Befragten jedoch klar zwischen SPD (0,3), Linke (minus 0,5) und auffällig schwachen Grünen (minus 1,0).
Berlin-typisch ist aber auch eine schwache Opposition, in der CDU (0,1) und FDP (minus 0,4) blass bleiben und die AfD (minus 3,1) miserabel bewertet wird. Nur 29 Prozent glauben, dass die CDU - würde sie regieren - ihre Sache besser machen würde (schlechter: 26 Prozent; kein Unterschied: 40 Prozent).
Bewertung von Senat und OppositionQuelle: Forschungsgruppe Wahlen

Top-Themen: Wohnungsmarkt und Verkehr

Bei den in Berlin wichtigsten Themen hat die SPD im Bereich "Wohnungsmarkt" Kompetenzverluste und liegt nur noch knapp vor der CDU und einer hier relativ starken Linken. Die Grünen brechen beim zweiten Top-Thema "Verkehr" heftig ein und werden von der CDU überholt. Daneben punktet die CDU in einer Stadt, in der der Senat für 62 Prozent der Befragten "bei Ausschreitungen und Randale viel zu lange weggeschaut hat", bei "Bekämpfung von Kriminalität".
Bei "Bildung/Schule", "Soziale Gerechtigkeit" oder "Klimaschutz" hat die CDU mehr oder weniger große Defizite. FDP und AfD bleiben inhaltlich gewohnt blass, allerdings nutzen der AfD nach Meinung von 63 Prozent "die Ukraine-Krise und die hohen (Energie-)Preise".
Parteikompetenzen im Bereich ...Quelle: Forschungsgruppe Wahlen

Koalitionen: Durchweg kritische Distanz

Bei einer Wahl mit kaum bundespolitischem Einfluss ist das Ergebnis letztendlich auch Ausdruck von viel Unmut in einer Großstadt mit vielen Problemen, in der im Bundesländer-Vergleich beim Thema "Zukunftsvorbereiung" Rekord-Pessimismus herrscht.
Wie ist Berlin auf die Zukunft vorbereitet, eher ...Quelle: Forschungsgruppe Wahlen
Die Parteien vor Ort haben alle nur partielle Stärken und ein überzeugendes Gesamtpaket fehlt: Neben einer rot-grün-roten Neuauflage gehen die Berliner/innen auch zu sämtlichen anderen denkbaren Koalitionen auf Distanz. 
Eine Koalition aus ... finden:Quelle: Forschungsgruppe Wahlen
Die Zahlen basieren auf einer telefonischen Befragung der Forschungsgruppe Wahlen unter 1.590 zufällig ausgewählten Wahlberechtigten in Berlin in der Woche vor der Wahl sowie auf der Befragung von 17.478 Wähler/innen am Wahltag.

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