: Zwei Atomkraftwerke bleiben als Reserve

05.09.2022 | 18:00 Uhr
"Einsatzreserve bis Mitte April 2023": Anders als im Atomausstieg festgehalten, sollen laut Habeck zwei der drei laufenden deutschen Atomkraftwerke weiter zur Verfügung stehen.

Wirtschaftsminister Habeck hält am Atomausstieg fest, will aber eine Reserve bereithalten.

05.09.2022 | 09:12 min
Zwei der drei verbliebenen Atomkraftwerke in Deutschland sollen laut Bundeswirtschaftsministerium auch künftig als Notreserve zur Verfügung stehen. Das kündigte Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) zur Vorstellung des Stresstests an. Das Ergebnis bedeute, dass man "für den Notfall für den Winter 22/23 eine neue zeitlich und inhaltlich begrenzte AKW-Einsatzreserve aus den beiden südlichen Atomkraftwerken Isar 2 und Neckarwestheim" schaffe.
Die Entscheidung sei nach Auswertung der Ergebnisse eines Stresstests zum Strombetrieb des Bundeswirtschaftsministeriums erfolgt. Der Test legt in zwei von drei geprüften Szenarien den Weiterbetrieb der Reaktoren Isar 2 und Neckarwestheim 2 zumindest nahe. Das dritte verbliebene AKW Emsland in Niedersachsen werde jedoch nicht über den Winter gebraucht.
Es ist weiterhin sehr unwahrscheinlich, dass es zu Krisensituationen und Extremszenarien kommen wird. Aber als Minister, der für die Versorgungssicherheit zuständig ist, tue ich alles, was nötig ist, um die Versorgungssicherheit vollumfänglich zu gewährleisten.
Robert Habeck, Bundeswirtschaftsminister

Zwei von drei AKW gehen in den Streckbetrieb, glaubt ifo-Energieexpertin Prof. Pittel. Die Atomkraft-Debatte sei damit aber noch nicht ausgestanden, auch 2023 drohten Knappheiten.

05.09.2022 | 10:04 min

AKW sollten zum Jahresende vom Netz gehen

Nach derzeitiger Rechtslage würden die letzten drei deutschen Atomkraftwerke eigentlich zum Jahresende vom Netz genommen. Bundeswirtschafts- und Bundesumweltministerium hatten im März nach einer Prüfung einen möglichen Weiterbetrieb verworfen. Wegen der angespannten Lage auf den Energiemärkten und ausbleibender russischer Gaslieferungen entschloss sich die Ampel-Regierung zu einem weiteren Stresstest zur Sicherheit der Energieversorgung. Habeck unterstrich dazu:
Alle drei derzeit in Deutschland noch am Netz befindlichen Atomkraftwerke werden planmäßig Ende 2022 regulär vom Netz gehen.
Robert Habeck
Lediglich die Einsatzreserve würde sich offen gelassen. Neue Brennelemente würden nicht geladen und Mitte April 2023 sei auch für die Reserve Schluss.

Eon will Isar 2 für Reservebetrieb überprüfen

Der Energieversorger Eon sieht eine technische und organisatorische Prüfung des Kernkraftwerks Isar 2 als notwendig an. Bei dem von der Bundesregierung vorgestellten Plan werde es in allererster Linie darauf ankommen, zu prüfen, ob und wie er technisch und organisatorisch machbar sei, teilte Eon am Montagabend mit. Kernkraftwerke seien in ihrer technischen Auslegung keine Reservekraftwerke, die variabel an- und abschaltbar seien.

Darüber hinaus versicherte Eon, dass das Kernkraftwerk Isar 2 auch bei einem Weiterbetrieb über den 31. Dezember hinaus alle sicherheitsrelevanten Anforderungen erfülle und "zu den sichersten Anlagen der Welt gehört".

EnBW prüft, ob Neckarwestheim betriebsbereit bleiben kann

Der Energiekonzern EnBW will prüfen, ob sein Kernkraftwerk Neckarwestheim über das Jahresende hinaus betriebsbereit gehalten werden kann. Für eine Betriebsbereitschaft müssten schnellstmöglich die gesetzlichen Rahmenbedingungen geschaffen werden, erklärte das Unternehmen am Montag in Karlsruhe.

"Darüber hinaus müssen von der Bundesregierung, möglichst im Austausch mit den Kraftwerksbetreibern, die Details der beschlossenen Vorgehensweise konkretisiert beziehungsweise geklärt werden", hieß es.

Quelle: dpa

FDP und Union für Verlängerung - SPD weiter kritisch

Im Zuge des Kriegs in der Ukraine und der Energiekrise waren Forderungen nach einer Laufzeitverlängerung von der Union und auch der FDP immer lauter geworden. Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) hatte den Weiterbetrieb der drei noch produzierenden Atomkraftwerke gefordert - unabhängig Ergebnis des zweiten Stresstests. Lindner sagte der "Süddeutschen Zeitung".
In diesen Zeiten sollten alle Möglichkeiten genutzt werden, den Strompreis für die Menschen und die Betriebe zu reduzieren.
Christian Lindner (FDP), Bundesfinanzminister
Die SPD-Vorsitzende Saskia Esken bekräftigte das Nein ihrer Partei zu einer generellen Laufzeitverlängerung. Die Entscheidung zum Ausstieg aus der Atomenergie vor mehr als 20 Jahren sei nach wie vor richtig, so Esken. Wenn der Stresstest aber die Notwendigkeit eines sogenannten Streckbetriebs über wenige Wochen ergebe, "dann sind wir auch einverstanden, wenn das gemacht wird".

Uwe Stoll von der Gesellschaft für Anlagen- und Reaktorsicherheit kritisiert, eine Reserve mache keinen Sinn. Entweder schalte man die Reaktoren ab oder gehe in den Streckbetrieb.

05.09.2022 | 09:47 min

Union: AKW-Entscheidung von Habeck fataler Fehler

Die Spitze der Unionsfraktion kritisierte die Entscheidung der Bundesregierung, zwei der drei verbliebenen Atomkraftwerke als Notreserve bis Mitte April vorzuhalten, als fatalen Fehler und parteipolitisch motiviert. So sagte der stellvertretende Unionsfraktionschef Jens Spahn (CDU):
Diese drei Kernkraftwerke könnten in dieser Krise sicher, verlässlich und bezahlbar Energie, Strom für Deutschland liefern. Und das sollten sie auch mindestens noch in den nächsten zwei Wintern tun.
Unionsfraktionschef Jens Spahn
Spahn nannte es bemerkenswert, dass das Kernkraftwerk im niedersächsischen Emsland anscheinend für einen Weiterbetrieb gar nicht in Betracht gezogen werde, obwohl es das neueste aller noch in Deutschland laufenden Kernkraftwerke sei. In Niedersachsen sei am 9. Oktober Landtagswahl. Die Grünen "schalten lieber klimaneutrale Kernkraftwerke ab und lassen dafür den Klimakiller Kohle in Zweifel mehr laufen. Damit geht bei den Grünen die Ideologie der Partei vor den Interessen unseres Landes".
Auch CDU-Vorsitzender Friedrich Merz hatt den Weiterbetrieb der drei noch am Netz befindlichen Atomkraftwerke bereits im Vorfeld gefordert und eine Einstufung der Atommeiler in eine Notreserve als völlig ungenügend bezeichnet. "Volle Leistung dieser Kraftwerke am Netz und am Markt", sagte er vor der Sitzung der Unions-Bundestagsfraktion. Die Regierung müsse zudem neue Brennstäbe bestellen, damit die Atommeiler noch drei bis vier Jahre laufen könnten. Der Strom werde dringend gebraucht.
Quelle: AFP, AP, Reuters, dpa

Mehr zur Atomkraft in Deutschland