: Von der Leyen vom EU-Parlament wiedergewählt

18.07.2024 | 18:16 Uhr
Ursula von der Leyen ist mit 401 Stimmen erneut zur EU-Kommissionspräsidentin gewählt worden. In ihrer Rede warb sie für E-Fuels, Grenzschutz und mehr Verteidigung.

Das EU-Parlament hat Kommissionspräsidentin von der Leyen mit überraschend deutlicher Mehrheit für fünf weitere Jahre im Amt bestätigt. Sie erhielt 401 der möglichen 719 Stimmen.

18.07.2024 | 01:45 min
Ursula von der Leyen hat sich eine zweite Amtszeit als EU-Kommissionspräsidentin gesichert. Sie erhielt 401 von 707 abgegebenen Stimmen. Gegen von der Leyen stimmten 284 Abgeordnete, bei 15 Enthaltungen und sieben ungültigen Stimmzetteln. Sie brauchte mindestens 360 Stimmen.
"Noch fünf weitere Jahre", kommentierte von der Leyen auf X ihre Wiederwahl.
Ich kann kaum in Worte fassen, wie dankbar ich für das Vertrauen aller Abgeordneten bin, die für mich gestimmt haben.
Ursula von der Leyen, EU-Kommissionspräsidentin

Mehr Stimmen für von der Leyen als vor fünf Jahren

Ihr Ergebnis fiel besser aus als bei ihrer ersten Wahl vor fünf Jahren, als sie mit einer knappen Mehrheit von neun Abgeordneten ins Amt gewählt wurde.
Die Präsidentschaft der EU-Kommission gilt als die mit Abstand wichtigste Position in Brüssel. Von der Leyen sind rund 32.000 Mitarbeiter unterstellt, die unter anderem Vorschläge für neue EU-Gesetze machen und die Wahrung der Europäischen Verträge überwachen. Zudem sitzt die Kommissionspräsidentin bei fast allen großen internationalen Gipfeltreffen wie G7 oder G20 als EU-Repräsentantin mit am Tisch. Vom US-Magazin "Forbes" wurde von der Leyen deswegen bereits mehrfach zur "mächtigsten Frau der Welt" gekürt.

Rund fünf Wochen nach der Wahl hat das neu gewählte Parlament in Straßburg seine Arbeit aufgenommen.

16.07.2024 | 04:17 min

Glückwünsche zur Wiederwahl, aber auch Kritik

Die CDU/CSU-Gruppe im Europäischen Parlament gratulierte von der Leyen auf X. Ihre Wiederwahl sei das "richtige Signal in weltpolitisch herausfordernden Zeiten".
Post der CDU/CSU-Gruppe im Europaparlament
Auch Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) gratulierte der wiedergewählten Kommissionspräsidentin. Die Wahl sei "ein klares Zeichen für unsere Handlungsfähigkeit in der Europäischen Union, gerade in schwierigen Zeiten", schrieb Scholz auf X. Die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) schrieb, ebenfalls auf X: "Deine Wahl ist eine gute Nachricht für Europa. Denn in diesen stürmischen Zeiten braucht es eine echte Herzenseuropäerin an der Spitze der EU-Kommission. Lass uns Europa gemeinsam stärker & handlungsfähiger machen."
Das Bündnis Sahra Wagenknecht kritisierte dagegen die Entscheidung: "Das BSW hat gegen Ursula von der Leyen gestimmt", erklärte Parteigründerin Sahra Wagenknecht. Sie kritisierte, dass die CDU-Politikerin die Ukraine militärisch unterstütze und den Krieg im Gazastreifen nicht ausreichend kritisiere. Besonders aber attackierte Wagenknecht den "Green Deal" für mehr Klimaschutz. Dieser lege "eine Axt an den Wohlstand der Menschen, insbesondere in Deutschland", meinte die BSW-Vorsitzende.

Stimmen der rechten Meloni-Partei nicht entscheidend

Vor der Wahl war spekuliert worden, ob von der Leyen auch auf Stimmen aus der rechten Fratelli d'Italia der italienischen Ministerpräsidentin Giorgia Meloni angewiesen sein wird. Auf das Abstimmverhalten der Abgeordneten gibt es nach der Wahl nur vereinzelte Hinweise. Die Partei selbst schrieb auf der Onlineplattform X, sie werde "niemals Teil einer Mehrheit sein, zu der Sozialisten und Grüne gehören". Die Haltung der Partei ist für die Abgeordneten zwar nicht bindend. Doch einzelne Mitglieder der Fratelli d’Italia wie Sergio Berlato und Denis Nesci betonten bei X selbst explizit, von der Leyen nicht gewählt zu haben.
Selbst, wenn die EU-Delegation der Fratelli d’Italia für von der Leyen gestimmt hätte, wäre das nicht entscheidend gewesen.
Gunnar Krüger, ZDF-Korrespondent
Die wiedergewählte Kommissionspräsidentin habe 40 Stimmen mehr als die mindestens benötigte Anzahl von 360 Stimmen erhalten. Die Meloni-Partei ist mit 23 Abgeordneten im EU-Parlament vertreten.

"Wenn von der Leyen nicht die Mehrheit bekommt, wäre die EU in einer institutionellen Krise", so ZDF-Korrespondentin Isabelle Schaefers vor der Abstimmung.

18.07.2024 | 02:19 min

Von der Leyen spricht sich für Ausnahme bei E-Fuels aus

Ursula von der Leyen hatte kurz vor ihrer Wahl in einer Rede noch einmal ihre Standpunkte und Vorhaben klargemacht. Dabei sprach sie sich etwa für Ausnahmen für sogenannte E-Fuels aus. Um die EU-Klimaziele zu erreichen, sei ein technologieneutraler Ansatz erforderlich, bei dem die synthetischen Kraftstoffe eine Rolle spielten, heißt es in den politischen Leitlinien der CDU-Politikerin für die kommenden fünf Jahre.
Die EU hat eigentlich beschlossen, dass ab 2035 nur noch Neuwagen zugelassen werden sollen, die im Betrieb kein klimaschädliches CO2 ausstoßen. Die Bundesregierung hatte sich auf Drängen der FDP dafür eingesetzt, dass es Ausnahmen für E-Fuels geben soll. In von der Leyens Leitlinien heißt es nun konkret, dass sie einen technologieneutralen Ansatz durch eine gezielte Änderung des entsprechenden EU-Gesetzes erreichen will.

Scharfe Kritik an Orban

Kämpferisch gab sich von der Leyen auch in Bezug auf die Entschlossenheit der Staatengemeinschaft gegenüber Russland. Dabei griff sie auch EU-Verbündete an. "Russland setzt darauf, dass Europa und der Westen weich werden", erklärte sie. "Und einige in Europa spielen mit." Von der Leyen übte Kritik an der Reise von Ungarns Ministerpräsident Viktor Orban, bei der es sich um eine "Beschwichtigungsmission" gehandelt habe. Doch die Unterstützung der EU für die Ukraine sei dauerhaft.
Wir müssen der Ukraine alles geben, was sie braucht, um Widerstand zu leisten und siegreich daraus hervorzugehen.
Ursula von der Leyen, EU-Kommissionspräsidentin

Nach der Boykott-Entscheidung auf die Alleingänge Orbans ist "das Tischtuch zwischen der Kommission und Ungarn zerschnitten", so ZDF-Korrespondent Ulf Röller.

16.07.2024 | 01:57 min

Von der Leyen will Grenzschutz deutlich stärken

Von der Leyen schlug vor der Abstimmung den Ausbau der Grenzschutzbehörde Frontex vor. Die Behörde mit Sitz in Warschau solle künftig 30.000 Beamte haben. Zuletzt waren 10.000 Beamte bis 2027 vorgesehen. Die Behörde soll nach von der Leyens Angaben zudem mit "modernster Überwachungstechnologie" ausgestattet werden. Sie schlug zudem ein "neues gemeinsames System zur Rückführung" von Einwanderinnen und Einwandern vor und erklärte, die Zusammenarbeit mit "Transit- und Herkunftsländern" vertiefen zu wollen.

Kaum ein Thema spaltet Europa so sehr wie die Migration. 2015 herrschte Willkommenskultur, seitdem schwenkt die EU zu einem härteren Umgang mit Geflüchteten.

16.05.2024 | 45:19 min

Kampf gegen Extremisten

Leidenschaftlich warb von der Leyen auch für einen entschlossenen Kampf gegen Demagogen und Extremisten. Europa könne nicht weltweit Diktatoren und Demagogen kontrollieren. Aber es könne sich entscheiden, seine eigene Demokratie zu schützen und in die Sicherheit und Verteidigung dieses Kontinents zu investieren, sagte die CDU-Politikerin vor den Abgeordneten des Europäischen Parlaments.
Sie sei bereit, den Kampf mit allen demokratischen Kräften im Europaparlament anzuführen. Sie werde niemals akzeptieren, dass Demagogen und Extremisten die europäische Lebensweise zerstörten.

In vielen Hauptstädten Europas ist man über den ausgebliebenen Rechtsruck in Frankreich erleichtert. Im EU-Parlament machen die Rechten klar: Mit ihnen wird zu rechnen sein.

08.07.2024 | 02:50 min

Mehr Wettbewerb und Perspektiven für Bauern

Außerdem kündigte von der Leyen für den Fall ihrer Wiederwahl durch das Parlament unter anderem Initiativen für mehr Wettbewerbsfähigkeit und Maßnahmen für faire Einkommen für Landwirte an. Von der Leyen sagte, man befinde sich in einer Zeit großer Angst und Unsicherheit. Sie sei aber überzeugt, dass ein starkes Europa den Herausforderungen gewachsen sei.

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Quelle: ZDF
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Quelle: Reuters, AFP, dpa, ZDF

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