: Bachmut gefallen - Russen überfallen Russland

von Christian Mölling und András Rácz
27.05.2023 | 06:48 Uhr
Letztlich ist Bachmut komplett in russischer Hand. Derweil versucht Prigoschin, seine Wagner-Gruppe zu retten. Und rechte Milizen überfallen Belgorod. Die Woche im Rückblick.
Mussten abziehen: Ukrainische Bodentruppen in der Nähe von BachmutQuelle: epa
Nach fast zehnmonatiger Belagerung haben sich am 21. Mai die letzten ukrainischen Verteidiger aus Bachmut zurückgezogen. Kämpfer der russischen Gruppe Wagner nahmen auch die letzten Häuserblocks am Westrand der Stadt ein.
Während der Belagerung wurde Bachmut vollständig zerstört. Kein einziges Wohngebäude blieb unversehrt, 95 Prozent der Zivilbevölkerung mussten die Stadt verlassen. Die ukrainischen Streitkräfte zogen sich auf ihre gut vorbereiteten Verteidigungsstellungen westlich der Stadt, im Außenbezirk Iwaniwske und auch weiter westlich in Chasiv Jar, zurück.

Dr. Christian Mölling ...

Quelle: DGAP
... ist Forschungsdirektor der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP) in Berlin und leitet dort das Programm Sicherheit, Verteidigung und Rüstung. Er forscht und publiziert seit über 20 Jahren zu den Themenkomplexen Sicherheit und Verteidigung, Rüstung und Technologie, Stabilisierung und Krisenmanagement. Für ZDFheute analysiert er regelmäßig die militärischen Entwicklungen im Ukraine-Konflikt.

Dr. András Rácz ...

Quelle: DGAP
... ist Associate Fellow im Programm Sicherheit und Verteidigung der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP) in Berlin. Er forscht und publiziert zu Streitkräften in Osteuropa und Russland und hybrider Kriegsführung.

Russland gruppiert Militär neu

Seit dem 26. Mai scheinen russische Kräfte nun nicht mehr zu versuchen, weiter nach Westen vorzudringen. Stattdessen versuchen sie, ihre Kräfte neu zu gruppieren und aufzufüllen - indem sie die Gebäude von Bachmut als Verteidigungsstellungen nutzen.
Darüber hinaus beabsichtigt die Wagner-Gruppe, die Kontrolle über die Stadt an die reguläre russische Armee zu übergeben. Daher müssen sie eine heikle Operation durchführen: Die Wagner-Truppen aus der Frontlinie verlegen und ihre Stellungen mit russischen regulären Soldaten auffüllen.
Das schlechte, wolkenverhangene und regnerische Wetter, das in den kommenden Tagen in der Region vorherrschen wird, wird Russland wahrscheinlich nutzen, um diesen Wechsel in Bachmut zu vollziehen.

Über die Lage im seit Monaten umkämpften Ort in der Ostukraine gab es zuletzt widersprüchliche Angaben von beiden Kriegsparteien. Die Kämpfe forderten wohl zehntausende Todesopfer.

25.05.2023 | 01:42 min

Wagnerchef malt düsteres Bild über die Lage in Russland

Der Eigentümer der Wagner-Gruppe, Jewgeni Prigoschin, gab am 22. Mai ein langes Interview, in dem er behauptete, Russland habe seine militärischen Ziele nicht erreicht. Er übte erneut heftige Kritik an Verteidigungsminister Schoigu und dem russischen Militärapparat.
Er erklärte, dass, sollten die gegenwärtigen negativen Trends anhalten, dies sogar zu einem "1917-Stil" in Russland führen könnte. Dieses wütende und vulgäre Interview war wahrscheinlich Teil von Prigoschins Bemühungen, eine Zusammenarbeit des russischen Verteidigungsministeriums mit der Wagner-Gruppe politisch unmöglich zu machen. Das würde Prigoschin in die Lage versetzen, den Rest der Wagner-Gruppe aus dem Kampf herauszuholen und sie so zu retten.

Wagner-Chef Prigoschin nutze den Krieg in der Ukraine, um sich sein Geschäft zu sichern, so Russland-Expertin Magarete Klein. Wagner sei mittlerweile zu einer Marke geworden.

05.05.2023 | 07:52 min

Überfall auf russisches Gebiet

Ab dem 22. Mai drangen zwei Einheiten, die sich aus russischen Staatsbürgern zusammensetzten, in einem Überraschungsangriff in die russische Region Belgorod ein. Sie eroberten einige kleine Dörfer und die Kleinstadt Grayvoron, nahmen einige russische Grenzsoldaten mitsamt ihrer Ausrüstung gefangen und kehrten am Ende der Woche in die Ukraine zurück.
Beide Formationen, d.h. die Legion "Freiheit für Russland" und das russische Freiwilligenkorps, haben rechtsextremem Hintergrund und sind als integraler Bestandteil des ukrainischen Militärs anzusehen.

Solch waghalsige Aktionen seien schwer zu besetzen, daher greife man "auf diese Elemente zurück", sagt Militärexperte Gressel bei ZDFheute live. Die Außenwirkung sei der Ukraine dabei vermutlich egal.

25.05.2023 | 07:47 min

Milizen mit rechtsextremem Hintergrund

Russischer Freiwilligenkorps

Das "Russische Freiwilligenkorps" trat im März mit der Behauptung in Erscheinung, in der Grenzregion Brjansk erstmals nach Russland eingedrungen zu sein. Angeführt wird es von Denis Nikitin (eigentlich Kapustin), einer bekannten Figur in der Hooligan- und rechtsextremen Szene. Der gebürtige Russe Kapustin hatte seinen Wohnsitz nach Angaben des Landesverfassungsschutzes fast 20 Jahre lang in Nordrhein-Westfalen, seine Aufenthaltserlaubnis erlosch aber 2019. Demnach lebt er seit 2019 in der Ukraine. Russland stuft ihn als "Terroristen" ein. Zu Kriegsbeginn habe Kapustin auf seinem Kanal im Onlinedienst Telegram auf Deutsch und Englisch dazu aufgefordert, in die Ukraine zu kommen, um an der Seite Kiews zu kämpfen, heißt es im Verfassungschutzbericht 2022.

Der Gründer der rechtsextremistischen Kampfsportmarke "White Rex" tauchte schon in den Jahren zuvor in den Berichten der Behörde mit seinem Label als Organisator von Kampfsport-Veranstaltungen auf: Mit "White Rex" sei er "europaweit aktiv" und habe "maßgeblich dazu beigetragen, "die rechtsextremistische Kampfsportszene zu professionalisieren", schreibt die nordrhein-westfälische Behörde etwa im Jahr 2019. Kapustin habe auch Kampfsporttrainings in Deutschland und anderen europäischen Ländern angeleitet.

"Freiheit Russlands"

Auch die zweite am Angriff in Belgorod beteiligte Miliz, die Anfang 2022 gegründete Truppe "Freiheit Russlands", wird von Moskau als "terroristisch" eingeordnet. Ihr politischer Anführer ist der ehemalige russische Parlamentsabgeordnete Ilja Ponomarjow, der 2014 als einziger gegen die Annexion der Krim gestimmt hatte und anschließend in die Ukraine auswanderte.

In der Berichterstattung der ukrainischen Medien über den jüngsten Angriff in Belgorod stand ein Vertreter der Miliz mit Decknamen "Caesar" im Vordergrund. Die Nachrichtenagentur AFP hatte ihn im Dezember an der Ostfront der Ukraine interviewt. Er kämpfe "gegen das Regime von Wladimir Putin", sagte er damals und bezeichnete sich als russischen Patrioten und "rechten Nationalisten". Er stamme aus St. Petersburg und sei Physiotherapeut. Das russische Investigativ-Portal Agentstvo rechnet ihn der rechtsextremen nationalistischen Szene zu.

Beide Gruppen geben an, über hunderte Kämpfer zu verfügen.

Quelle: AFP

Der Überfall war zwar von minimaler militärischer Bedeutung, aber von enormer politischer und informationeller Relevanz. Er ermöglichte es der Ukraine, die öffentliche Aufmerksamkeit von dem Verlust von Bachmut abzulenken; gleichzeitig erschwerte er aufgrund der umfangreichen internationalen Berichterstattung die Bemühungen Russlands, die Übernahme von Bachmut als strategischen Erfolg darzustellen.

Ukraine setzt Gegenmaßnahmen fort

Die Ukraine setzte ihre Schläge gegen die russischen Streitkräfte sowohl in den besetzten Gebieten als auch innerhalb Russlands fort. Mehrere Militärdepots, Industrieanlagen und Kommandoposten wurden getroffen.
Ausgehend von visuellen Beweisen, hat die Ukraine begonnen, Artillerie-Drohnenangriffe auch auf die russische Artillerie entlang der Frontlinie zu konzentrieren. Dies ist höchstwahrscheinlich bereits Teil einer Reihe von Vorbereitungsmaßnahmen für die bevorstehende Gegenoffensive.

Bei einem russischen Raketenangriff auf eine Klinik in Dnipro sind nach Angaben ukrainischer Behörden zwei Menschen gestorben. Mehr als 20 wurden verletzt, darunter zwei Kinder.

26.05.2023 | 00:19 min

Russisches Aufklärungsschiff wahrscheinlich beschädigt

Am 25. Mai wurde ein russisches Aufklärungsschiff, die Iwan Khurs, von mindestens einer ukrainischen Marinedrohne getroffen. Es ist noch nicht möglich, den Schaden an den russischen Schiffen zu beurteilen.
Die Tatsache, dass die Iwan Khurs in der Nähe des Bosporus unterwegs war, deutet jedoch darauf hin, dass die ukrainischen Marinedrohnen eine Reichweite haben, die es ihnen ermöglicht, fast das gesamte Schwarze Meer abzudecken.
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