: Klartext unter Freunden
Bei der ersten Frage gibt es kurz Verwirrung in dieser Pressekonferenz. Geht es jetzt auf Hebräisch, Deutsch oder Englisch weiter? Annalena Baerbock (Grüne) und Israels Außenminister Yair Lapid klären das schnell. Verständigungsprobleme scheint es keine zu geben. Vielleicht gerade, weil beide freundlichen Klartext sprechen.
Der Siedlungsbau Israels sei mit dem Völkerrecht nicht zu vereinbaren, sagt Baerbock. So deutlich hatte man das von ihrem Vorgänger Heiko Maas nicht gehört. Israels Außenminister Lapid verteidigte den Bau neuer Siedlungshäuser. Und betonte: Es sei okay, Meinungsverschiedenheiten zu haben.
Wir sind uns einig, dass wir uns hier uneinig sind.
Emotionaler Besuch in Yad Vashem
Am Morgen war Baerbock in Yad Vashem, der Holocaust-Gedenkstätte für die sechs Millionen von Nazi-Deutschland ermordeten Juden. Danach sprach sie von der Verpflichtung, die Erinnerung wachzuhalten.
Es ist unsere Verantwortung, unsere Stimme zu erheben gegen Antisemitismus, gegen Hass und Hetze, gegen Ausgrenzung und Gewalt.
Als sie vom Leid der 1,5 Millionen ermordeten jüdischen Kindern spricht, muss die Mutter zweier Töchter, sichtlich bewegt, kurz innehalten.
Die historische Verantwortung Deutschlands für die Sicherheit Israels, die sich daraus ableitet – das ist die eine Seite. Die andere: Die Kritik an Israel, die Baerbock freundlich, aber offen formuliert.
Sei es bei der Siedlungspolitik oder beim Verbot von Nichtregierungsorganisationen durch Israel wegen angeblicher Terrorfinanzierung oder bei der Frage, wie man Irans Atomprogramm begegnet.
Diplomatischer Spagat
Es ist ein Spagat. Und besonders groß ist er beim Thema Waffenlieferungen. Im Januar hat Deutschland den Weg frei gemacht für die Lieferung von drei U-Booten an Israel im Wert von rund drei Milliarden Euro. Kurz vor Ende der Großen Koalition hat diese darüber hinaus umfangreiche Waffenlieferungen an Ägypten freigegeben.
Das alles holt Baerbock bei dieser Nahost-Reise nun ein: Warum erlaubt Deutschland diese Lieferungen, verwehrt sie aber der Ukraine?
Baerbock sieht Deutschland in einer besonderen Verpflichtung gegenüber Israel und verteidigt die Waffenlieferungen. Gegenüber Ägypten aber kündigt sie einen strikteren Kurs für den Export von Rüstungsgütern an.
Zumindest da erhebt Lapid keine Einwände.
Ein kleiner Lichtblick
Vor den Fenstern des Konferenzsaals kämpfen sich da gerade ein paar Sonnenstrahlen durch den Regenhimmel von Tel Aviv und werfen Schlaglichter auf ein aufgewühltes Meer.
So einen kleinen Lichtblick glaubt auch Baerbock zu erkennen beim Nahost-Friedensprozess. Zumindest jedenfalls die Chance ihn im Verbund mit anderen europäischen Staaten wieder voranzubringen.
Baerbock: Besuch auch bei den Palästinensern
Es ist ein dichtes Programm in Israel - und Baerbocks Konvoi rauscht dem Zeitplan mit viel Blaulicht und Sirenengeheul durch die Straßen Tel Avivs hinterher.
Am späten Nachmittag geht es über einen Checkpoint nach Ramallah zum Amtssitz des Präsidenten der Palästinensischen Behörde Mahmoud Abbas.

Israel hat diplomatische Beziehungen mit Bahrain und den VAE aufgenommen. Proteste gab es im Gaza-Streifen und im Westjordanland. Viele Palästinenser sehen die Hoffnung auf einen eigenen Staat schwinden.
16.09.2020 | 02:36 minBaerbock nimmt sich Zeit für die Palästinenser und setzt sich damit auch ab zur Vorgängerregierung und Heiko Maas. Deutschland sieht als einzige Lösung des Nahostkonflikts eine Zweistaaten-Lösung zwischen Israelis und Palästinensern. Auch das hat Baerbock in Tel Aviv gesagt. Auch da ist sie sich mit Israels Regierung nicht einig.
Nach Israel reist sie weiter nach Jordanien und Ägypten. Der Konflikt, so hat Baerbock klargemacht, lasse sich nur im Verbund mit den Nachbarländern irgendwie lösen.
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