: Baerbock-Zitat sorgt für heftige Debatte

von Oliver Klein
01.09.2022 | 20:07 Uhr
Außenministerin Baerbock will die Sanktionen gegen Russland beibehalten, "egal, was meine Wähler denken". Über die Aussage ist eine Debatte entbrannt. Eine Einordnung.
Annalena Baerbock auf der "Forum 2.000 Conference" in Prag.Quelle: Forum 2000
"#Hochverrat" - "#BaerbockRücktritt" - "RegierungRücktritt" und "Volksverräter" schallte es am Donnerstag in den Twitter-Trends - diese Stichwörter gehörten zu den am häufigsten genutzten bei dem Kurznachrichtendienst.
"Gewählter Ministerin ist Wählerwille egal", schrieb die Bundestagsabgeordnete der Linken Żaklin Nastic. Die "sogenannte Außenministerin Baerbock" müsse nun "Angst vor Volksaufständen haben", schrieb die AfD-Fraktion im Baden-Württembergischen Landtag in einer Pressemitteilung. "Ukrainer sind für Baerbock wichtiger 'als Deutschlands Wähler'" titelt die rechte Wochenzeitung "Junge Freiheit".

Was war passiert?

Annalena Baerbock (Grüne) hatte am Mittwoch nach dem informellen Treffen der EU-Außenminister in Prag auf einer Podiumsdiskussion erklärt, warum die Bundesregierung die Sanktionen gegen Russland aufrecht erhält. In diesem Zusammenhang sagte sie:
Wenn ich Menschen in der Ukraine das Versprechen gebe: "Wir stehen mit euch zusammen, so lange, wie ihr uns braucht", dann will ich das auch einhalten - egal, was meine deutschen Wähler denken, ich will gegenüber den Ukrainern Wort halten.
Annalena Baerbock, Außenministerin
(Im Original: "If I give the promise to people in Ukraine: 'We stand with you as long as you need us', then I want to deliver - no matter what my German voters think, but I want to deliver to the people of Ukraine." - hier geht's zum Video mit der Aussage)
Mit dem kleinen Nebensatz "egal, was meine deutschen Wähler denken", hat sich Baerbock offenbar keinen Gefallen getan.
Kritiker sagen nun, die Ministerin habe mit dieser Aussage die Menschen in der Ukraine über alle deutschen Wählerinnen und Wähler gestellt. Dazu wurde der zitierte Satz isoliert in einem Video in den Sozialen Medien verbreitet - oft mit dem Hinweis, dass Baerbock damit gegen das Grundgesetz und ihren Amtseid verstoßen habe.

Außenministerium verteidigt sich, Unterstützung von der CDU

Ein Sprecher des Auswärtigen Amts nannte die Kurzversion des Videos auf Anfrage von ZDFheute "sinnentstellt". Der Beauftragte für strategische Kommunikation des Amts, Peter Ptassek, twitterte, das Video sei "geboostert von pro-russischen Accounts und schon ist das Cyber-Instant-Gericht fertig, Desinformation von der Stange".
Unterstützung erhält Baerbock auch von Seiten der Union. Die stellvertretende CDU-Chefin Karin Prien twitterte: Die Desinformations-Kampagne von extremen Rechten und Linken gegen Baerbock sei "unterirdisch" - "volle Solidarität".
Peter Ptassek vom Auswärtigen Amt bei Twitter

Aus dem Zusammenhang gerissen?

Tatsächlich geht Baerbock kurz nach dem häufig zitierten Satz in ihrem Statement explizit auf die Menschen in Deutschland ein. Baerbock wörtlich: "Wir sind solidarisch mit allen in unserem Land - wie auch mit allen in der Ukraine." Die Bundesregierung schaffe soziale Entlastung für diejenigen, die unter hohen Energiepreisen leiden.
Bei allen Sanktionen müsse man sicherstellen, dass man sie auch so lange durchhalten kann, wie der Krieg dauert, so Baerbock. Das sei auch der Grund dafür, warum es "auf EU-Ebene manchmal schwierig wird" - wenn Deutschland eben weniger harte Sanktionen durchsetzen möchte als andere europäische Länder.

Ob die Ukraine den Krieg gewinnen könne, wisse man nicht, so die Außenministerin. Positiv sei aber, dass Putin bisher kein Sieg über das Land gelungen sei, sagte Annalena Baerbock.

24.08.2022 | 07:08 min

Expertin: "Nochmal gewisse Schärfe reingebracht"

"Was Annalena Baerbock gesagt hat, ist überhaupt nichts Neues - sie hat genau das noch mal erklärt, was sie schon immer gesagt hat", analysiert die Kommunikations- und Politikwissenschaftlerin Professor Andrea Römmele von der Hertie School in Berlin.
"Sie hat es halt knallhart unterstrichen mit diesem Nachsatz 'egal, was meine deutsche Wähler denken' - das hat nochmal eine gewisse Schärfe reingebracht. Aber eine klare Positionierung ist ja erst mal gut." Politische Führung solle sich eben nicht an Umfragen ausrichten, so Römmele. Die ganze Aufregung sei ohnehin in wenigen Tagen auch schon wieder vorbei.

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