: Bolsonaro: Werde "Verfassung respektieren"

02.11.2022 | 00:34 Uhr
Brasiliens Präsident Bolsonaro hat sich erstmals nach der Wahl geäußert. Seine Niederlage räumte er zwar nicht explizit ein, sagte aber, er werde die "Verfassung respektieren".
Ein klares Eingeständnis der eigenen Niederlage sieht anders aus. Als sich Brasiliens rechter Präsident Jair Bolsonaro zwei Tage nach der Wahl endlich vor die Mikrofone stellt, noch immer keine klaren Worte. Er dankt seinen Wählern und versichert, sich an die Verfassung zu halten.
Kein Wort aber zum Sieg seines linken Herausforderers Luiz Inácio Lula da Silva. Kein Wort, um seine aufgebrachten Anhänger zu zügeln. Nach gerade mal zwei Minuten verlässt Bolsonaro das Rednerpult in seiner Residenz Palácio da Alvorada in Brasília wieder.

Bolsonaro stimmt Machtübergabe zu - aber streut weiter Zweifel

Sein Kabinettschef darf danach noch eine Selbstverständlichkeit verkünden. "Präsident Jair Bolsonaro hat uns auf der Grundlage des Gesetzes ermächtigt, den Prozess der Machtübergabe einzuleiten", sagt Ciro Nogueira am Dienstag. Allerdings ist das Verfahren zum Regierungswechsel ohnehin gesetzlich geregelt, die Zustimmung der scheidenden Regierung braucht es überhaupt nicht.
Lula kam bei der Wahl am Sonntag auf 50,90 Prozent, Bolsonaro auf 49,10 Prozent - es ist der wohl knappste Wahlausgang in Brasilien seit der Rückkehr des Landes zur Demokratie Ende der 1980er Jahre.
Zwar zweifelt Bolsonaro das Wahlergebnis nicht ausdrücklich an, aber wieder streut er Zweifel, dass bei der Abstimmung alles mit rechten Dingen zugegangen ist.
Die aktuellen Demonstrationen sind das Ergebnis von Empörung und einem Gefühl der Ungerechtigkeit über die Art und Weise, wie der Wahlprozess durchgeführt wurde.
Jair Bolsonaro
Bolsonaro zeigt Sympathien für die Proteste und Straßenblockaden seiner Anhänger. "Friedliche Demonstrationen werden immer willkommen sein, aber unsere Methoden können nicht die der Linken sein, die der Bevölkerung schon immer geschadet haben, wie das Eindringen in Eigentum, die Zerstörung von Kulturgütern und die Einschränkung des Rechts zu kommen und zu gehen."

Nach Lulas Wahlsieg Straßenblockaden in weiten Teilen des Landes

Mehr als 220 Straßenblockaden von Bolsonaro-Anhängern registrierten die Behörden am Dienstag. Der Präsident des Obersten Wahlgerichts, Alexandre de Moraes, wies die Polizei schließlich an, die Straßensperren abzuräumen. Teilweise ging die Polizei mit Tränengas gegen die Demonstranten vor.
"Die Wahlen sind vorbei, wir leben in einem demokratischen Land. Keine Demonstration wird die brasilianische Demokratie zum Rückzug zwingen", so der Gouverneur von São Paulo, Rodrigo Garcia.

Lula appelliert nach Wahlsieg an Bevölkerung

Die Proteste zeigen, wie polarisiert das größte Land Lateinamerikas ist. Das Land ist praktisch in zwei Lager gespalten. Nach seinem Wahlsieg schlug Lula versöhnliche Töne an.
Es ist an der Zeit, die Familien wieder zusammenzuführen und die Bande der Freundschaft wiederherzustellen. Niemand ist daran interessiert, in einem geteilten Land zu leben, in einem permanenten Kriegszustand.
Luiz Inácio Lula da Silva
Den Wahlkampf hatten beide Kandidaten mit harten Bandagen geführt. Wochenlang überzogen sie sich mit Beleidigungen, Anschuldigungen und Falschinformationen. "Ich bin hier, um dieses Land in einer sehr schwierigen Situation zu regieren. Aber ich bin zuversichtlich, dass wir mit Hilfe des Volkes einen Ausweg finden werden, damit dieses Land wieder demokratisch und harmonisch leben kann", sagte Lula bei seiner Siegesrede.

Brasilien unter Bolsonaro politisch zunehmend isoliert

Viele seiner Anhänger verbinden Lula mit den goldenen Zeiten Brasiliens. Während seiner Amtszeit von 2003 bis 2010 modernisierte der "Präsident der Armen" die größte Volkswirtschaft Lateinamerikas und verbesserte die Lebensbedingungen von Millionen armer Brasilianer. Allerdings blühte während seiner Regierungszeit auch die Vetternwirtschaft. Lula selbst saß eineinhalb Jahre wegen Korruption und Geldwäsche im Gefängnis - das Urteil wurde später aus formalen Gründen aufgehoben.
Der 77-Jährige tritt Anfang kommenden Jahres als erster demokratisch gewählter Präsident Brasiliens eine dritte Amtszeit an. Die Erwartungen an den Staatschef sind enorm.
Bolsonaro hatte das Land etwa mit seiner Verweigerungshaltung beim Umweltschutz und seiner Corona-Politik zuletzt isoliert. Lula will Brasilien auf dem internationalen Parkett nun rehabilitieren. "Brasilien ist zurück. Das Land ist zu groß, um zum Paria der Welt herabgestuft zu sein", sagt Lula.
Quelle: dpa, Denis Düttmann und Martina Farmbauer

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