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: Lula gewinnt: Zeitenwende in Brasilien

von Tobias Käufer
31.10.2022 | 05:01 Uhr
Knapper als erwartet hat Linkskandidat Lula da Silva in Brasilien die Wahlen gewonnen. Er muss sein Land nun versöhnen und große Versprechen einhalten. Einfach wird das nicht.
Vom Wahlverlierer gab es auch nach Mitternacht kein einziges Wort. Rechtspopulist Jair Bolsonaro hatte offenbar schwer an seiner Niederlage zu tragen. Um 22:06 Uhr gingen im Präsidentenpalast in Brasilia die Lichter aus, so werden seine Landsleute wohl erst am Montagmorgen Ortszeit erfahren, ob und wie der Präsident die Niederlage akzeptiert.

Knapper Vorsprung für Lula

Derweil strömten die Lula-Anhänger zu Tausenden auf die Straßen, um den knappen, aber am Ende doch unzweifelhaften Sieg zu feiern. Mit 50,9 Prozent gegenüber 49,1 Prozent ging die Stichwahl an Luiz Ignacio Lula da Silva, der nach 2003 und 2007 damit zum dritten Mal die Präsidentschaftswahlen in Brasilien gewann.
Vor seinen Anhängern las er am Abend eine vorbereitete Rede vom Blatt ab. Damit versuchte er den tiefen Graben zu schließen, den ein unerbittlicher, bisweilen hässlicher und auch die Grenzen jeglichen guten Geschmacks übertretender Wahlkampf hinterlassen hat.
Der Wahlkampf war gespickt von Vorwürfen des politischen Extremismus, Kannibalismus, Pädophilie, Satanismus. Auf der Strecke blieb eine inhaltliche Auseinandersetzung über die Probleme des Landes.

Feier und Trauer dicht nebeneinander

Während das Lula-Lager ausgelassen feierte, stand den Verlierern der Nacht Tränen und Trauer in den Gesichtern. Sie hatten nach der Aufholjagd in den letzten Wochen fest damit gerechnet, dass Jair Bolsonaro als Sieger durchs Ziel gehen wird.
Mit Lula da Silva wird ein anderer Stil an die Staatsspitze zurückkehren. Anders als Bolsonaro gilt Lula als international gut vernetzt und kann auf eine Erfahrung von zwei Amtszeiten bauen, die ihm ein schnelles Wiedereinfinden in die tägliche Regierungsarbeit ermöglichen wird. Die Herausforderungen sind ebenso groß wie die Versprechen, die Lula im Wahlkampf machte.
Zwar hat sich die Wirtschaft in Brasilien zuletzt deutlich erholt, fuhren die Schlüsselindustrien Landwirtschaft und Erdölkonzern Petrobras Rekordgewinne ein, auch die Arbeitslosigkeit ging spürbar zurück. Doch die Folgen der Corona-Pandemie hat in Brasilien wie in anderen Ländern tiefe Einschnitte hinterlassen.

Versöhnliche Rede des Siegers

In seiner Rede versuchte Lula auf seine Kritiker einzugehen:
Das ist weder ein Sieg für mich, noch für die PT, noch für die Parteien, die mich in dieser Kampagne unterstützt haben. Es ist der Sieg einer riesigen demokratischen Bewegung, die sich über politische Parteien, persönliche Interessen und Ideologien hinweg gebildet hat, damit die Demokratie als Sieger hervorgehen würde.
Luiz Ignacio Lula da Silva
Das brasilianische Volk wolle die Rückkehr der Hoffnung, sagte Lula. Brasilien ist nicht nur polarisiert, sondern auch geographisch gespalten. In den wirtschaftsstarken Bundesstaaten lag Bolsonaro klar vorne, im armen vom Wirtschaftsaufschwung stets abgehängten Nordosten konnte Lula - wieder einmal - wie in den anderen Wahlkämpfen die notwendigen Stimmen einfahren.
Dort warten die Menschen nun darauf, dass Lula seine Wahlkampfversprechen einhält: Den Menschen in den Favelas solle es schon bald besser gehen, hatte er jüngst angekündigt. Zugleich kündigte er an, die Abholzung im Amazonas auf Null zu reduzieren.
Seine insgesamt dritte Amtszeit wird Lula am 1. Januar 2023 beginnen und dann vier Jahre regieren. Eine vierte Amtszeit strebt er nach eigenen Angaben nicht mehr an, er wäre dann im Januar 2027 auch schon 81 Jahre alt.

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