: Merkel-Aussage: Gericht gibt AfD recht

15.06.2022 | 12:35 Uhr
Mit ihren Äußerungen zur Ministerpräsidenten-Wahl in Thüringen 2020 hat die damalige Kanzlerin Merkel Rechte der AfD verletzt. Das stellte Karlsruhe nun mit einem Urteil fest.
Das Bundesverfassungsgericht hat der AfD nach einer Klage gegen die frühere Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) recht gegeben. Merkel habe mit ihrer auf einer Auslandsreise getätigten Kritik an der Ministerpräsidentenwahl in Thüringen die AfD in ihrem Recht auf Chancengleichheit verletzt, erklärte das Gericht in Karlsruhe. (AZ: 2 BvE 4/20 und 2 BvE 5/20) 
Eine Sprecherin Merkels teilte mit, dass die ehemalige Kanzlerin den Gerichtsentscheid selbstverständlich respektiere: "Bundeskanzlerin a.D. Dr. Angela Merkel respektiert selbstverständlich die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts", teilte die Sprecherin mit. Inhaltlich äußerte sich Merkel nicht.

Kritik an Wahl in Thüringen

Merkel hatte die Kritik im Rahmen einer Pressekonferenz in Südafrika im Februar 2020 geäußert, einen Tag nach der umstrittenen Wahl in Thüringen. Sie hatte auch gefordert, die Wahl rückgängig zu machen.
Der FDP-Kandidat Thomas Kemmerich war im dritten Wahlgang in Thüringen zum Ministerpräsidenten gewählt worden, nachdem in den Wahlgängen zuvor der Linkenpolitiker Bodo Ramelow gescheitert war. Im dritten Wahlgang genügte dann die einfache Mehrheit der Stimmen. Kemmerichs Mehrheit kam mit den Stimmen von FDP, CDU und AfD zustande. Die AfD wird im Thüringer Landtag von Björn Höcke geführt, der laut Bundesverfassungsschutz als Rechtsextremist gilt.

Merkel: Vorgang "unverzeihlich"

Die Wahl eines Ministerpräsidenten mithilfe der AfD hatte in Deutschland und im Ausland großes Aufsehen erregt. Angela Merkel befand sich zu diesem Zeitpunkt auf einer Südafrika-Reise. Am Folgetag der Thüringer Ereignisse gab Merkel eine Pressekonferenz in Pretoria, die sie mit einer "Vorbemerkung aus innenpolitischen Gründen" einleitete.
Sie sprach von einem "einzigartigen Vorgang, der mit einer Grundüberzeugung der CDU" und auch von ihr gebrochen habe, dass keine Mehrheiten mit den Stimmen der AfD gewonnen werden sollen. Der Vorgang sei "unverzeihlich" und das Ergebnis müsse rückgängig gemacht werden. Sie schloss ihr Statement mit den Worten:
Es war ein schlechter Tag für die Demokratie.
Angela Merkel, ehemalige Bundeskanzlerin

AfD: Neutralitätspflicht verletzt

Nach Auffassung der AfD verletzte Merkel damit ihre Neutralitätspflicht und so das Recht der Partei auf Chancengleichheit. Der inzwischen aus der AfD ausgetretene damalige Co-Parteichef Jörg Meuthen sagte damals:
Sie hat versucht, eine Landtagswahl zu delegitimieren, und zwar in Ausübung ihres Amtes als Bundeskanzlerin.
Jörg Meuthen, ehemaliger Co-Parteichef der AfD

Chrupalla erfreut über Urteil

AfD-Chef Tino Chrupalla freut sich über den Erfolg seiner Partei vor dem Bundesverfassungsgericht. "Es ist ein guter Tag für die Demokratie", sagte er am Mittwoch nach der Urteilsverkündung in Karlsruhe. Die Äußerungen der damaligen Kanzlerin Angela Merkel (CDU) zur Ministerpräsidenten-Wahl in Thüringen 2020 hätten nicht nur die Rechte der AfD, sondern auch das Grundgesetz eklatant verletzt.
Chrupalla sagte, die Äußerungen hätten "eher etwas mit diktatorischen Meinungsäußerungen im Ausland zu tun". Unter normalen Umständen wäre seiner Ansicht nach ein Rücktritt notwendig gewesen - aber Merkel sei ja nicht mehr im Amt. "Das Bundesverfassungsgericht hat sich wahrscheinlich deswegen auch so viel Zeit gelassen", so Chrupalla.

AfD auch schon zuvor mit Klagen erfolgreich

Die AfD hatte vor dem Bundesverfassungsgericht auch schon erfolgreich gegen den damaligen Innenminister Horst Seehofer (CSU) geklagt, weil ein Interview mit AfD-kritischen Passagen auf seiner Ministeriumsseite stand. Und Johanna Wanka (CDU) wurde in ihrer Zeit als Bildungsministerin dafür gerügt, dass sie in einer Ministeriumsmitteilung die "Rote Karte" für die AfD gefordert hatte.
Nach diesen Urteilen dürfen Politiker zwar öffentlich Kritik an der AfD üben. Sie müssen aber das Gebot staatlicher Neutralität wahren, wenn sie sich in ihrer Rolle als Regierungsmitglied äußern.
Quelle: Reuters, dpa

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