: Selenskyj wirft Sicherheitsrat Versagen vor

05.04.2022 | 22:20 Uhr
Selenskyj wirft Sicherheitsrat Versagen vor und macht drei Lösungsvorschläge, Von der Leyen kündigt fünftes Sanktionspaket gegen Russland an. Tag 41 im Überblick.
USA, New York: Wolodymyr Selenskyj, Präsident der Ukraine, spricht per Videoübertragung während einer Sitzung des UN-Sicherheitsrats im Hauptquartier der Vereinten Nationen.Quelle: John Minchillo/AP/dpa

Das Wichtigste in Kürze

  • Selenskyj wirft UN-Sicherheitsrat Versagen vor
  • EU-Kommissionspräsidentin kündigt das fünfte Sanktionspaket gegen Russland an
  • Deutschland prüft weitere Waffenlieferungen an die Ukraine
  • EU-Kommissionspräsidentin von der Leyen reist nach Kiew
  • Die Ukraine hat für heute die Einrichtung von sieben Fluchtkorridoren für die Evakuierung von Zivilisten angekündigt
  • Verhandlungen zwischen Russland und Ukraine gehen laut Moskau im Videoformat weiter
Wir fassen für Sie im Folgenden die wichtigsten Entwicklungen zu Russlands Krieg gegen die Ukraine zusammen. Weitere News-Updates zur Lage und zu Reaktionen erhalten Sie jederzeit auch in unserem Liveblog zu Russlands Angriff auf die Ukraine.

Das ist an Tag 41 im Ukraine-Krieg passiert:

  • Das russische Verteidigungsministerium hat neue Gefechte gegen ukrainische Truppen in der Hafenstadt Mariupol angekündigt. Das "Regime" in Kiew ignoriere ständig Aufforderungen, die Kämpfe einzustellen, sagt Ministeriumssprecher Igor Konaschenkow in Moskau. Die Truppen sollten die Waffen niederlegen und aus der Stadt über die vereinbarten Korridore abziehen. Kiew habe aber kein Interesse daran, das Leben seiner Soldaten oder der Menschen in der Stadt zu schützen, hieß es in zwei Mitteilungen des Ministeriums.
  • Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat vor dem UN-Sicherheitsrat gefordert, Russland für die Gräueltaten in dem Kiewer Vorort Butscha zur Rechenschaft zu ziehen. Die Vereinten Nationen müssten angesichts der russischen "Kriegsverbrechen" sofort handeln, sagte Selenskyj in einer per Video übertragenen Rede vor dem wichtigsten UN-Gremium. Entscheidungen des Sicherheitsrats seien für den Frieden in der Ukraine notwendig, sagte Selenskyj weiter. Er schlage deswegen drei mögliche Lösungen vor: Den Beweis, dass Reform oder Veränderung möglich seien, den Ausschluss von Russland, das als ständiges Mitglied jede Entscheidung blockieren kann, oder die komplette Auflösung des Rates.

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat die Glaubwürdigkeit des Sicherheitsrates in Frage gestellt. Wie das einzuschätzen ist, dazu ZDF-Korrespondent Johannes Hano.

05.04.2022 | 01:27 min
  • Außenministerin Annalena Baerbock hat angesichts der Kriegsgräuel in der ukrainischen Stadt Butscha grundsätzliche Bereitschaft zur Lieferung weiterer Waffensysteme an die Ukraine signalisiert. "Wir sagen nicht Nein, sondern wir schauen uns an, was es für Lösungen gibt. Und zwar gemeinsam als EU, als Nato und vor allen Dingen als G7-Partner", sagte die Grünen-Politikerin bei einer internationalen Unterstützer-Konferenz für Moldau in Berlin. Deutschland liefere seit Beginn des russischen Krieges Waffen an die Ukraine - etwa Flugabwehrraketen und Panzerfäuste.
  • EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen wird diese Woche für ein Treffen mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj nach Kiew reisen. Sie werde begleitet vom EU-Außenbeauftragten Josep Borrell, teilte ihr Sprecher am Dienstag auf Twitter mit. Auch Österreichs Bundeskanzler Karl Nehammer will in die Ukraine reisen, wie er auf Twitter mitteilte.
  • Trotz bekannt gewordener schwerer Verbrechen an Zivilisten im Umland von Kiew gehen die Friedensverhandlungen zwischen der Ukraine und Russland nach Angaben aus Moskau weiter. "Derzeit laufen intensive Verhandlungen mit der ukrainischen Seite im Videoformat", sagte Russlands Vize-Außenminister Andrej Rudenko in einem Interview der Agentur Interfax. Solange es noch keine Einigung über ein abschließendes Dokument gebe, sei es aber zu früh, um beispielsweise über ein Treffen von Russlands Außenminister Sergej Lawrow und seinem ukrainischen Kollegen Dmytro Kuleba zu sprechen.
  • Selenskyj will die Verbrechen von Butscha und anderen ukrainischen Städten lückenlos aufklären. Dazu arbeite man unter anderem mit der EU und dem Internationalen Strafgerichtshof zusammen, sagte er in seiner allabendlichen Videobotschaft am Montag. In Butscha waren am Wochenende nach dem Rückzug der russischen Truppen hunderte Leichen entdeckt worden. In Borodjanka und anderen Städten könne die Zahl noch höher sein, betonte Selenskyj. Die Ergebnisse der Untersuchung müssten der gesamten internationalen Gemeinschaft bekannt gegeben und erläutert werden.
Die Zeit wird kommen, in der jeder Russe die ganze Wahrheit darüber erfahren wird, wer von seinen Mitbürgern (in der Ukraine) gemordet hat. Wer Befehle gegeben hat. Wer bei den Morden ein Auge zugedrückt hat.
Wolodymyr Selenskyj
  • Der ehemalige russische Präsident und Putin-Vertraute Dmitri Medwedew bezeichnete die Berichte über Butscha als falsche Propaganda der Ukraine und des Westens. Ziel sei es, Russland zu diskreditieren, sagt der Vize-Vorsitzende des nationalen Sicherheitsrats. "Sie wurden für viel Geld fabriziert."
  • Die Ukraine hat für heute die Einrichtung von insgesamt sieben Fluchtkorridoren für die Evakuierung von Zivilisten angekündigt. Die belagerte Hafenstadt Mariupol könnten Bewohner aber ausschließlich in Privatautos verlassen, sagte die ukrainische Vize-Regierungschefin Iryna Wereschtschuk der Agentur Ukrinform zufolge. Sie warf den russischen Truppen vor, entgegen ihrer Zusagen den Zugang nach Mariupol für Hilfkonvois weiter zu blockieren.

Die Situation in den ukrainischen Städten und Siedlungen:

  • In Mariupol sind größere Evakuierungen laut der ukrainischen Regierung weiter nicht möglich. Busse würden nicht ganz bis zu der umkämpften Hafenstadt durchkommen, sagt Vize-Ministerpräsidentin Iryna Wereschtschuk im ukrainischen Fernsehen. Die ersten fast 80 Kilometer müssten die Menschen in Privatautos oder zu Fuß zurücklegen.
  • Die russischen Truppen formieren sich nach Angaben des ukrainischen Generalstabs neu und bereiten eine Offensive im Donbass im Südosten der Ukraine vor. "Das Ziel ist, die volle Kontrolle über das Territorium der Gebiete Donezk und Luhansk zu erlangen", hieß es in der bei Facebook veröffentlichten Erklärung des Generalstabs. In den beiden Regionen konzentriere das russische Militär seine Bemühungen darauf, die Kontrolle in den Städten Popasna und Rubischne zu übernehmen sowie die volle Kontrolle über Mariupol zu erlangen, hieß es.
  • Nach Angaben des ukrainischen Generalstabs blockieren russische Truppen auch weiterhin die zweitgrößte Stadt des Landes, Charkiw.
  • Im Norden verzeichnen ukrainische Truppen angesichts des fortgesetzten russischen Rückzugs aus dem Gebiet weitere Geländegewinne. Das erklärten Vertreter des britischen Verteidigungsministeriums. Demnach haben ukrainische Streitkräfte wichtiges Terrain zurückerobert, nachdem sie russische Einheiten nördlich von Kiew und um die nördliche Stadt Tschernihiw zum Rückzug gezwungen hätten.
  • Auch die ukrainischen Behörden berichteten, dass sie die Kontrolle über die gesamte Region Kiew und andere Bezirke wiederhergestellt hätten. In seiner Videoansprache sagte Selenskyj, in den Regionen Kiew, Tschernihiw und Sumy weiter nördlich und östlich hätten die Besatzer Dinge getan, die die Einheimischen nicht einmal während der Nazi-Besetzung vor 80 Jahren erlebt hätten.
  • Der Bürgermeister von Kiew, Vitali Klitschko, rief die geflohenen Bewohner der Vororte dazu auf, mit der Rückkehr "noch mindestens eine Woche" zu warten. "Zunächst gilt in mehreren Bezirken des Kiewer Gebiets eine Ausgangssperre rund um die Uhr", sagte er. Außerdem hätten die Behörden nach dem Abzug russischer Truppen "zahlreiche Sprengsätze gefunden, die eine große Gefahr darstellen können". Zudem warnte er vor weiteren Raketenangriffen.

Fragen und Antworten zum Russland-Ukraine-Konflikt

Reaktionen auf den russischen Angriff:

  • Die USA wollen am Mittwoch ein neues Sanktionspaket gegen Russland verkünden und dabei auch "jegliche neue Investition" in dem Land verbieten. Geplant sind zudem verschärfte Sanktionen gegen Finanzinstitutionen und staatliche Unternehmen in Russland sowie neue Strafmaßnahmen gegen russische Regierungsvertreter und deren Familien, wie am Dienstag aus informierten Kreisen verlautete.
  • Im Zusammenhang mit dem russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine sind binnen 48 Stunden mehr als 200 russische Diplomaten aus Europa ausgewiesen worden. Am Dienstag forderten unter anderem Italien, Spanien und Slowenien Dutzende Diplomaten aus Russland zur Ausreise auf. Der Kreml verurteilte die Ausweisungen und kündigte Gegenmaßnahmen an.
  • Die EU-Kommission hat neue Sanktionen gegen Russland vorgeschlagen. Dazu solle ein Importverbot für Kohle aus Russland im Wert von jährlich vier Milliarden Euro gehören, sagte Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen. Die EU müsse nach den abscheulichen Verbrechen in der Nähe der ukrainischen Hauptstadt Kiew den Druck auf den russischen Präsidenten Wladimir Putin erhöhen.
  • Die Vereinten Nationen wollen die Tötung von mehreren Hundert Zivilisten in der ukrainischen Stadt Butscha von eigenen Menschenrechtsexperten untersuchen lassen. Das kündigte eine Sprecherin des UN-Menschenrechtsbüros in Genf an. Derzeit ist ein Team des UN-Büros mit etwa 50 Mitarbeitern in Uschgorod im Westen der Ukraine stationiert. Zusätzlich werde sich eine Untersuchungskommission aus unabhängigen Juristen mit dem Geschehen in Butscha beschäftigen, kündigte Sprecherin Liz Throssell an. Das Gremium soll im Auftrag des UN-Menschenrechtsrats Beweise für mögliche Kriegsverbrechen sammeln.
  • Die USA und Großbritannien fordern die "Suspendierung" Russlands aus dem UN-Menschenrechtsrat. "Wir können nicht zulassen, dass ein Mitgliedstaat, der dabei ist, alle Prinzipien zu untergraben, die uns am Herzen liegen, am UN-Menschenrechtsrat teilnimmt", erklärte die US-Botschafterin bei der UNO, Linda Thomas-Greenfield, am Montag auf Twitter. "Die Bilder von Butscha und die Verwüstung in der gesamten Ukraine zwingen uns nun, unseren Worten Taten folgen zu lassen." Für eine Suspendierung Russlands wäre eine Zweidrittelmehrheit in der UN-Generalversammlung nötig.
  • Die Nato kommt mit ihren Bemühungen um eine Verstärkung der Ostflanke voran. Wie eine Sprecherin des Militärbündnisses der Deutschen Presse-Agentur bestätigte, haben die vier neuen multinationalen Gefechtsverbände in den Ländern Slowakei, Ungarn, Rumänien und Bulgarien die erste Stufe der Einsatzbereitschaft erreicht. Ihr Aufbau war erst vor einigen Wochen angekündigt worden.

Das ist an Tag 40 passiert:

Deutschland weist 40 russische Diplomaten aus, zwei Drittel der russischen Soldaten laut USA um Kiew abgezogen, Selenskyj reist nach Butscha. Lesen Sie hier nach, wie sich die Lage in der Ukraine am Montag entwickelt hat:
Quelle: dpa, AFP, Reuters, AP

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