: "Menschen kehren mit großer Trauer zurück"
03.04.2022 | 23:12 Uhr
Die Bilder toter Zivilisten aus Butscha verstören. Dennoch kehren manche Ukrainer jetzt zurück nach Kiew. Was sind ihre Gründe dafür? Die Lage an Tag 39.Wir fassen für Sie im Folgenden die wichtigsten Entwicklungen zu Russlands Krieg gegen die Ukraine zusammen. Weitere News-Updates zur Lage und zu Reaktionen erhalten Sie jederzeit auch in unserem Liveblog zu Russlands Angriff auf die Ukraine.
Das ist an Tag 39 im Ukraine-Krieg passiert:
- ZDF-Reporterin Katrin Eigendorf ist nach Kiew gereist und hat auf ihrem Weg Menschen getroffen, die trotz der grausamen Bilder aus Butscha und anderen Vororten jetzt zurückkehren in die Ukraine. "Die Menschen kehren mit großer Trauer zurück", sagt Eigendorf. Im ZDF heute journal berichtet sie von ihren Eindrücken:
- Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat den russischen Truppen angesichts von Gräueltaten gegen Zivilisten einen Genozid vorgeworfen. "Das ist in der Tat ein Völkermord", sagte Selenskyj dem US-Sender CBS. "Wir sind Bürger der Ukraine und wollen nicht der Politik der Russischen Föderation unterworfen werden. Und das ist der Grund, warum wir zerstört und ausgelöscht werden." Selenskyj sagte, es sei trotzdem seine Pflicht als Präsident, mit Putin zu verhandeln.
- Bundeskanzler Olaf Scholz hat mit Hinweis auf die in Butscha bei Kiew aufgefundenen getöteten ukrainischen Zivilisten weitere Sanktionen gegen Russland angekündigt. "Wir werden im Kreis der Verbündeten in den nächsten Tagen weitere Maßnahmen beschließen", sagte er. "Putin und seine Unterstützer werden die Folgen spüren." Deutschland werde der Ukraine weiter Waffen liefern, damit diese sich gegen Russland verteidigen könne. "Die Ermordung von Zivilisten ist ein Kriegsverbrechen. Diese Verbrechen der russischen Streitkräfte müssen wir schonungslos aufklären", sagte Scholz.
- Die weiteren Sanktionen der EU gegen Russland werden nach den Worten von Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck zügig kommen. "Schnell, noch diese Woche", sagte der Grünen-Politiker am Sonntagabend im ZDF. Ein Energie-Embargo sieht Habeck weiter kritisch. "Wir verfolgen ja eine Strategie, uns unabhängig von russischem Gas, von Kohle, vom Öl zu machen, nur eben nicht sofort."
- Nach dem Abzug der russischen Truppen aus dem Großraum Kiew sind mehr als 400 tote Zivilisten in dem Gebiet gefunden worden. Die Leichen von 410 Zivilisten seien aus "den befreiten Gebieten in der Region Kiew in Sicherheit gebracht" worden, sagte die Generalstaatsanwältin Iryna Wenediktowa im ukrainischen Fernsehen. Experten hätten bereits 140 Tote gerichtsmedizinisch untersucht.
Lesen Sie hier mehr über die "Gräueltaten" von Butscha
- Elf Bürgermeister sind noch immer in der Gewalt der russischen Armee. Amtsträger aus Gemeinden in den Regionen Kiew, Cherson, Charkiw, Saporischschja, Mykolajiw und Donezk befänden sich in russischer "Gefangenschaft", so die stellvertretende ukrainische Regierungschefin IrynaWereschtschuk. Die Bürgermeisterin von Motyschyn bei Kiew, Olga Suchenko, sowie deren Mann seien von russischen Soldaten festgenommen und dann getötet worden.
- Das russische Verteidigungsministerium hat einen Massenmord an Zivilisten in Butscha dementiert. Jegliches von der Ukraine veröffentlichte Bild- und Filmmaterial in diesem Zusammenhang stelle eine Provokation dar, berichtet die Agentur RIA unter Berufung auf das Ministerium. Alle russischen Einheiten hätten Butscha am 30. März verlassen, meldete Interfax.
- Das Rote Kreuz unternimmt einen neuen Versuch zur Evakuierung von Einwohnern aus Mariupol. Das sagte die stellvertretende ukrainische Regierungschefin Iryna Wereschtschuk: "Mit sieben Bussen versucht man näher an Mariupol heranzukommen". Die Busse würden vom Internationalem Komitee des Roten Kreuzes begleitet. 17 Busse würden für Evakuierungen aus Mariupol und Berdyansk vorbereitet.
- Aus der strategisch wichtigen Küstenstadt Odessa sind mehrere Explosionen gemeldet worden. Ein AFP-Reporter berichtete, am frühen Morgen seien Detonationen zu hören gewesen. Aus dem Verteidigungsministerium in Moskau hieß es, von Schiffen und Flugzeugen aus seien eine Ölraffinerie und drei Treibstofflager in der Nähe von Odessa beschossen worden.
- Nach ukrainischen Militärangaben gingen die Kämpfe auch im Osten weiter. Die Beschuss von Städten im Gebiet Luhansk dauere an. Es gebe Kämpfe bei Popasna und Rubischne. Nach russischen Angaben wurden in der Nacht zum Sonntag in der Ukraine insgesamt 51 Militäreinrichtungen getroffen, darunter vier Kommandoposten und zwei Raketenabwehrsysteme. Diese Angaben ließen sich von unabhängiger Seite nicht überprüfen.
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Die Situation in den ukrainischen Städten und Siedlungen:
- Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg zeigt sich besorgt: Zum Abzug der russischen Truppen aus der Umgebung von Kiew sagte er: "Was wir sehen, ist kein wirklicher Rückzug, sondern wir sehen, dass Russland seine Truppen neu positioniert." Man dürfe nicht zu optimistisch sein. "Die Angriffe werden weitergehen", sagte der Nato-Generalsekretär. "Wir sind auch besorgt über mögliche verstärkte Angriffe, vor allem im Süden und im Osten."
- Der britische Geheimdienst berichtet, ein Angriff russischer Truppen über See sei unwahrscheinlich. Die russischen Seestreitkräfte würden sich bei einer Landung einem hohem Risiko aussetzen, da die ukrainische Armee genügend Zeit zur Vorbereitung gehabt habe. Aber: Es wird vor Minen im Schwarzen und im Asowschen Meer gewarnt - diese seien wahrscheinlich russischen Ursprungs.
- Die nordukrainische Stadt Tschernihiw ist nach Angaben des dortigen Bürgermeisters inzwischen zu 70 Prozent zerstört. Die Folgen der russischen Angriffe seien schwerwiegend, "wie in Butscha und Charkiw, und vielleicht sogar wie in Mariupol", sagte Wladyslaw Atroschenko am Sonntag nach Angaben der Zeitung "Ukrainska Prawda". Vor dem Krieg zählte die Stadt mehr als 285.000 Einwohner.
- Insgesamt 765 Einwohnern ist nach Angaben der stellvertretenden ukrainischen Ministerpräsidentin Iryna Wereschtschuk in eigenen Fahrzeugen die Flucht aus der umkämpften ukrainischen Hafenstadt Mariupol gelungen. Wereschtschuk sagte, die Menschen aus Mariupol hätten die rund 230 Kilometer nordwestlich gelegene Stadt Saporischschja erreicht.
Reaktionen auf den russischen Angriff:
- Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) spricht sich gegen einen Importstopp von Gas- und Öllieferungen aus Russland aus. "Die Sanktionen sind bereits beispiellos. Sie müssen aber das Putin-Regime treffen und nicht die Stabilität Deutschlands gefährden", sagt Lindner der "Bild am Sonntag".
- Polens Vize-Regierungschef Jaroslaw Kaczynski ist offen für eine Stationierung amerikanischer Atomwaffen in seinem Land. "Wenn die Amerikaner uns bitten würden, US-Atomwaffen in Polen einzulagern, so wären wir dafür aufgeschlossen. Es würde die Abschreckung gegenüber Moskau deutlich verstärken", sagte der nationalkonservative Politiker der "Welt am Sonntag". Grundsätzlich ergebe es Sinn, die nukleare Teilhabe auf die Nato-Ostflanke auszuweiten.
- Die baltischen Staaten haben den Import von Erdgas aus Russland eingestellt. "Seit dem 1. April fließt kein russisches Erdgas mehr nach Lettland, Estland und Litauen", sagte Uldis Bariss, Chef des lettischen Erdgasspeicher-Betreibers Conexus Baltic Grid, am Samstag.
Das ist an Tag 38 passiert
Laut ukrainischem Verteidigungsministerium kontrolliere die Ukraine die "gesamte Region Kiew". Russland zieht Truppen aus dem Norden ab und verlagert Angriffe auf den Osten.
Tag 38 in Russlands Krieg im Überblick. Lesen Sie hier nach, wie sich die Lage in der Ukraine am Samstag entwickelt hat:
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Quelle: AFP, dpa, AP, Reuters, ZDF